BAmberger Thema

Die GAL stimmt gegen eine Sanierung des ZOB.
Wie bitte? Verrückt geworden?
10.07.2015
Verkehr, Aktuelles, BA-Thema
Auf den ersten Blick ein völliger Widersinn, denn die GAL ist die ÖPNV-Wegbereiterin ohnegleichen. Doch die ablehnende Haltung der GAL hat gute (Hinter-)Gründe…

Standpunkt

Das Abstimmungsergebnis mag manch ungläubiges Entsetzen verursachen. Bei der Beschlussfrage, ob 100.000 Euro Planungskosten für eine umfassende und behindertengerechte Generalsanierung des ZOB im Haushalt 2016 bereit gestellt werden sollen, stimmten die beiden Vertreterinnen der GAL im Bausenat dagegen.

Doch dahinter steckt keine urplötzliche Ablehnung des ÖPNV, sondern gute Gründe:

1. Die mittelfristige Investitionsplanung

Jedes Jahr im Spätherbst wird vom Stadtrat eine Prioritätenliste der zukünftigen Investitionen verabschiedet. Im Fachchinesisch heißt diese Prioritätenliste "mittelfristiger Investitionsplan". Sie richtet sich
a)    nach den vorhandenen Ressourcen (was in Bamberg in der Regel heißt: äußerst knappe Finanzmittel),
b)    nach den notwendigen und unumgänglichen Investitionsmaßnahmen und
c)    nach den politischen Prioritäten, die sich aus den Mehrheiten im Stadtrat ergeben.
Über die meisten Maßnahmen in der mittelfristigen Investitionsplanung herrscht fraktionsübergreifend Einigkeit. Da gibt es z. B. die Sanierung von Schultoiletten, Brandschutzmaßnahmen in Schulen, die Sanierung der Martinschule, der Neubau des Kindergartens St. Elisabeth, die Sanierung des Sportzentrums in Gaustadt oder die Radverkehrsanlage Regensburger Ring. Für all diese Maßnahmen will man in den nächsten Jahren viel Geld ausgeben.

Zahlreiche Wünsche konnten hingegen bislang leider gar nicht in die mittelfristige Investitionsplanung aufgenommen werden, obwohl auch für sie viel spricht. Irgendwann an die Reihe kommen muss etwa die Generalsanierung der Blauen Schule und in der Folge andere Schulhäuser (Stichwort Jahrhundertaufgabe "Schulhaussanierung"). Und noch weitere Projekte stehen in der Warteschlange, wie der Regionale Omnibusbahnhof ROB oder die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes, neuerdings die Sanierung des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes als Bürger-Rathaus oder verschiedene Platzneugestaltungen in Bamberg, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Frage ist also nicht: was wünschen wir? Sondern: was können wir in den kommenden 5 bis 6 Jahren angesichts der knappen Mittel auch wirklich in Angriff nehmen? Es muss also erst der politische Wille gefasst und das Geld dafür reserviert werden, dass überhaupt eine millionenteure Sanierung des ZOB umgesetzt wird, um erst dann die Planungen einzuleiten. Im Bausenat geschah das genau Umgekehrte: Ohne je in irgendeinem Gremium über die ZOB-Sanierung debattiert zu haben, sollen nun Planungen für sage und schreibe 100.000 Euro in Auftrag gegeben werden, obwohl überhaupt nicht klar ist, ob auch nur ein Stein versetzt wird.

Das ist eine Vergeudung von Steuergeldern und leider nicht neu. Schmerzlich in Erinnerung sind uns noch die 450.000 Euro, welche die Stadtverwaltung allein für die Planung (wohlgemerkt nur für Planung!) einer Sanierung der Jugendherberge Wolfsschlucht ausgegeben hat.  Bis heute ist nichts passiert, und es ist auch nicht geplant. Ebenso unsinnig waren die Hunderttausende Euro für die Planung eines Neubaus der Franz-Fischer-Brücke in Bug. In der mittelfristigen Investitionsplanung ist die Brücke nicht drin und es ist auch nicht abzusehen, da die Dringlichkeit nicht gegeben ist. Wenn die Brücke dereinst wirklich neu gebaut werden sollte – oder vielleicht doch nur saniert – ist alles veraltet und es muss von Neuem begonnen werden.

2. Regionaler Omnibusbahnhof ROB

Sowohl der Stadtrat als auch der Kreistag haben beschlossen, dass es zukünftig einen Regionalen Omnibusbahnhof in Bamberg geben soll und zwar in der Nähe des Bahnhofs. Eine wichtige und richtige Entscheidung. Sie war sogar Grundlage und Voraussetzung für den Beitritt zum VGN.

Der ROB ist außerdem ein wichtiger Bestandteil des vom Stadtrat und vom Kreistag beschlossenen Nahverkehrsplans, einem gemeinsamen Nahverkehrsplan von Stadt und Landkreis Bamberg. Der ROB soll eine wichtige Infrastruktureinrichtung für den Öffentlichen Verkehr an der Mobilitätsdrehscheibe Bahnhof werden. So der Wunsch aller (zumindest in den offiziellen Verlautbarungen)!

Es ist abzusehen, dass der Bau eines ROB mit einer hohen Bedeutung für den ÖPNV verbunden sein wird und dass dies unweigerlich Auswirkungen auf die Rolle des ZOB haben wird. Der ZOB wird damit zwar sicher nicht hinfällig und ein zentraler Busplatz im Herzen der Stadt bleiben. Aber die Frage wird sein, ob der ZOB auch in Zukunft wie heute die Rolle eines „Busbahnhofs“ mit langen Warte- und Pufferzeiten sein wird, was eine gigantische Menge an innerstädtischem Platz beansprucht. Stattdessen könnten in Zukunft echte Durchmesserlinien von A nach B fahren, dabei größtenteils die Innenstadt zwar anfahren und nur kurz anhalten, aber mit Hauptumsteigeverbindung am ROB. Das entspräche zumindest dem Gedanken des Nahverkehrsplans, den ja der Stadtrat (ebenso wie der Kreistag) einstimmig verabschiedet hat. Der ZOB würde dann merklich weniger Platz brauchen, es würde also keinen Sinn machen, jetzt teure neue Bussteige anzulegen, die dann überflüssig würden.

Die Behauptung der Stadtspitze, die Bahn als Eignerin des Bahnhofsgeländes lasse über den ROB nicht mit sich verhandeln, ist aus Sicht der GAL blanke Augenwischerei. Dass solche Verhandlungen mühsam sind, ist glaubhaft, dass sie unmöglich sind, ist wohl eher eine halbseidene Ausrede dessen, der sich die Mühe gern ersparen will.

Jedenfalls: 100.000 Euro Planungskosten ohne ein klares ÖPNV-politisches Planungsziel und Gesamtkonzept sind also auch deshalb abzulehnen.

3. Prioritäten auf dem Weg zur barrierefreien Stadt

Zu guter Letzt ist auch das gewichtige Argument, dass der ZOB nicht ausreichend barrierefrei ist, noch kein Grund, wild drauflos zu planen. Die Barrierefreiheit ist an vielen Stellen in der Stadt nicht so gegeben, wie sie es nach den Vorgaben der UN-Behindertenkonvention sein müsste. Da gibt es viel zu tun, und die GAL hat in den Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre immer wieder Mittel beantragt, um hier Investitionen zu tätigen.
Doch auch hier hat es keinen Sinn, wenn plötzlich unkoordiniert Vorschläge vom Himmel auf den ZOB herab rieseln. Es gibt eine Prioritätenliste im Rathaus mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen, angefangen beim barrierefreien Rathaus über behindertengerechte Toiletten in öffentlichen Einrichtungen bis hin zur Anschaffung von Induktionsanlagen für Hörgeschädigte. Mit dieser Prioritätenliste müssten hohe Geldausgaben für einen großzügig gestalteten barrierefreien ZOB (der zweifellos wünschenswert ist) abgestimmt werden. Und das Ziel "mehr Barrierefreiheit" würden auch kleinere Maßnahmen abseits einer Komplettsanierung vorerst gut erreichen.

 

Es ist schade: Wieder einmal wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Aber klar: Welche Stadtspitze oder Stadtratsmehrheit lässt sich schon gerne so eine ruhmvolle Schlagzeile vom Beschluss der visionären ZOB-Sanierung entgehen? Man will Meilensteine setzen und Beifall ernten. Dass sich dann in ein paar Jahren immer noch kein einziger (Meilen)stein bewegt haben wird, was interessiert’s die Stadtratsmehrheit von heute…?

Eins ist klar: Der Öffentliche Nahverkehr in Bamberg muss weiter ausgebaut und gestärkt werden. Den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds (zu Fuß, mit dem Rad und mit Bahn und Bus) muss endlich Priorität eingeräumt werden. Dazu brauchen wir ein schlüssiges Konzept und keine populistischen Schnellschüsse.

Dass am ZOB Stolpersteine entfernt oder schadhafte Stellen im Pflaster repariert werden müssen, so dass der ZOB ordentlich für Busfahrgäste nutzbar ist,  ist ebenfalls klar – dabei geht es aber nicht um eine ungleich kostspieligere Generalsanierung.

pega/sys



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