BAmberger Thema

Stadtrat beschließt neue Vergaberichtlinien mit öko-sozialem Anspruch 3.08.2015
Soziales, Aktuelles, BA-Thema, Umwelt+Klima, Finanzen
Damit wird endlich das umgesetzt, was die GAL schon 2010 beantragte. Ohne die jungen Leute von Change e.V. und ihre Initiative wäre das nicht möglich gewesen. Über Mauern im Rathaus und verschlungene Wege einer verkrusteten Kommunalpolitik.

Hintergrund und Kommentar

Zur Sommerpause hat der Stadtrat neue Beschaffungs- und Vergaberichtlinien beschlossen, in die erstmals auch öko-soziale Kriterien eingearbeitet wurden. D. h. es kann künftig beim Einkaufen und Vergeben von Aufträgen im Rathaus eine Rolle spielen, ob die Produkte und Dienstleistungen z.B. aus ausbeuterischer Arbeit stammen, umweltschädlich sind oder sonst einen Nachteil haben, den vergleichbare Produkte/Dienstleistungen vermeiden.

Das ist zum einen begrüßenswert, zumal damit endlich ein Antrag der GAL vom Dezember 2010 umgesetzt wird. Zum anderen wirft es aber auch ein seltsam skurriles Licht auf die politische Kultur in Bamberg. Um das zu verstehen, muss man einen Blick zurück auf die vergangenen vier Jahre werfen.

Wie gesagt, stellte die GAL Ende 2010 einen Antrag auf öko-soziale Beschaffung, nachdem sich dafür 2009 die rechtliche Grundlage geändert hatte. Das Vergaberecht ermöglicht es seither, soziale- oder Umweltkritieren ins Vergabeverfahren mit aufzunehmen. Man weicht damit also von dem bisherigen Prinzip „Den Zuschlag bekommt der Billigste“ ab.

Non-Government-Organisationen plädieren seither dafür, öko-soziale Kriterien auch auf kommunaler Ebene einzuführen und liefern ausführliche Handlungsanleitungen, die auch in den 4-seitigen GAL-Antrag einflossen. Doch über Jahre passierte nichts im Rathaus, der GAL-Antrag verstaubte in diversen Schubladen, bis die GAL-Stadtratsfraktion vor Gericht zog. Ein Vorkommnis, das in der Bamberger Politikgeschichte bisher einmalig ist. Eingeklagt werden konnte allerdings nur, dass der Stadtrat mit dem Antrag überhaupt befasst wird, nicht aber wie.

Der Antrag wurde dann im April 2014 widerwillig von der Verwaltung auf die Tagesordnung gesetzt, im Rahmen einer generellen Überarbeitung der Beschaffungs- und Vergaberichtlinien. Auf die Antragsinhalte – also eine öko-soziale Ausrichtung dieser Richtlinien – wurde nahezu kaum eingegangen. Man hatte damit lediglich den vom Gericht beanstandeten Formfehler geheilt, also die Behandlung des Antrags im Stadtrat formhalber erfüllt. Am Ende empfahl der Stadrat der Verwaltung immerhin, bei der weiteren Ausarbeitung der Richtlinien die Vorschläge der GAL zu bedenken.

Dann kam – unabhängig von der GAL – von Seiten der Bürgerschaft etwas in Gang. Junge Leute vom Change e.V. wollten ebenfalls in diese Richtung aktiv werden. Sie machten sich über den GAL-Antrag kundig, starteten Aktionen in der Öffentlichkeit, sammelten Unterschriften und suchten den direkten Kontakt zur Verwaltung.

Jubelschreie sind unserer Kenntnis nach aus dem Rathaus zwar immer noch nicht zu vernehmen, aber augenscheinlich hat der öffentliche Druck und die engagierte Hartnäckigkeit der jungen Leute etwas genutzt. In den neuen nun beschlossenen Richtlinien wird zumindest grob auf öko-soziale Kriterien Rücksicht genommen. Auf das Drängen von Change e.V. hin wird nun auch ein Steuerungskreis (ebenfalls Bestandteil des alten GAL-Antrags) eingerichtet und es soll Mitarbeiterschulungen geben.

Insgesamt wird es wesentlich darauf ankommen, wie und ob die zahlreichen Möglichkeiten einer öko-sozialen Beschaffung in der Praxis umgesetzt werden, denn Papier ist bekanntlich geduldig. Die GAL wird weiter dran bleiben. Und die jungen Change-Leute werden hoffentlich auch im Steuerungskreis ihre Hartnäckigkeit nicht verlieren.

Ein fahler Nachgeschmack bleibt leider angesichts der beschriebenen Genese: jahrelanges Hinauszögern, Hinhalten und Ausweichen im Rathaus in Bezug auf den Antrag einer Stadtratsfraktion, selbst nach einem Gerichtsbeschluss noch Drumrumeden, Aufschieben und Mauern. Dass erst junger frischer Wind aus der Zivilgesellschaft genau dieselben Ziele voranbringen konnte, zeigt vielleicht auch, wie verkrustet Stadtrat und Verwaltung inzwischen sind. Das sollte sich ändern!

sys


Kresseherzen mit dem Bamberger Reiter im öko-sozialen Einkaufswagen überreichten die Leute von Change e.V. den Stadträten bei der Vollsitzung.


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