BAmberger Thema

Erinnerungskultur als Flickerlteppich? 1.07.2016
Kultur, Aktuelles, BA-Thema, Andreas Reuß
Erinnerungskultur sollte eine differenzierter
und gesamtschauender Auseinandersetzung
sein. Stattdessen gibt es bald ein weiteres
Discount-Täfelchen zum Ruhme des lokalen
NS-Widerstands.

Kommentar

Am 23.6.2016 hat eine Mehrheit des Kultursenats der Stadt Bamberg gegen die zwei Stimmen der Vertreter der GAL-Fraktion beschlossen, entsprechend einem Antrag der SPD-Fraktion eine Gedenktafel im Flur vor dem großen Sitzungssaal im Rathaus Maxplatz anbringen zu lassen: „Zum Gedenken an die politischen Mandatsträger auf Reichs-, Landes- und kommunaler Ebene im heutigen Gebiet der Stadt Bamberg, die wegen ihrer politischen Überzeugung in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und verhaftet wurden.“ Aufgrund der einhundert Euro, die dafür ausgegeben werden sollen, kann es sich nicht um eine besondere Gestaltung bei dieser Tafel handeln. Zu diesem Aspekt wurde auch nichts beschlossen.

Schon seit Jahren existiert am Alten Rathaus an der Wand zur Unteren Brücke hin eine künstlerisch gestaltete Tafel mit der Aufschrift: „Zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger und alle, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Widerstand geleistet haben, missachtet, verfolgt und ermordet wurden.“

Am Samstag, den 25.6.2016 wurde einer Gruppe von Bildsäulen enthüllt, auf der Wilhelm Aaron, Claus von Stauffenberg und Hans Wölfel dargestellt sind. Sie wurden aus verschiedenen Gründen vom Nazi-Regime hingerichtet und hatten eine nahe Beziehung zur Stadt Bamberg.

An die letzte Bamberger Synagoge, die 1938 in der Reichspogromnacht zerstört wurde, erinnert auf dem sog. „Synagogenplatz“ ein künstlerisch gestaltetes Mahnmal. An die Wohnstätten ehemaliger jüdischer Mitbürger erinnern zahlreiche „Stolpersteine“, eine Kunstaktion des Künstlers Gunter Demnig. An die Geschwister Hans und Sophie Scholl eine Straße nahe der Konzerthalle. Weitere Erinnerungsorte in Bamberg wären zu nennen, etwa der jüdische Friedhof.

 

Der Opfer wird also durchaus gedacht – ob in ausreichendem Maße oder auf angemessene Weise, sei dahingestellt. Es könnte jedenfalls der Eindruck entstehen, dass Bamberg mehr oder weniger ein Hort des Widerstands gewesen sei. Das entspricht jedoch keineswegs den Tatsachen; im Gegenteil: Man könnte die These vertreten, dass Bamberg eines der Zentren der Nazi-Ideologie war.

1. In einer viel beachteten Studie über Hitler und Stalin stellte Alan Bullock die Bedeutung Bambergs für die entstehende Nazi-Partei heraus.

2. In Bamberg traf sich der „Bamberger Dichterkreis“, bestehend aus teils recht bekannten Namen, der die NS-Ideologie verherrlichte.

3. Der „BDM“ (Bund Deutscher Mädel) traf sich ab 1938 in Bamberg.

4. Der mit einer alten Bamberger Familie eng verbundene Willy Messerschmitt entwickelte und baute unter anderem in Bamberg seine Flugzeuge, die für den Krieg insgesamt eine wichtige Rolle spielten.

5. Der Bamberger Maler und überzeugte Nationalsozialist Fritz Bayerlein, von Hitler selbst zum „Professor“ ernannt, fertigte für den Sitzungssaal im Auftrag des Nazi-Stadtrats zwei großformatige, den Raum beherrschende Gemälde, die sich noch heute vor Ort befinden.

6. Der „Bamberger Reiter“ galt den Nazi-Ideologen als eine Art „Sinnbild des Deutschen“, entsprechende Kopien des Reiters waren im Deutschen Reich weit verbreitet. – Weitere Zusammenhänge und Orte wären zu nennen.

 

Auch wenn sich immer wieder Ausstellungen, Vorträge und andere Veranstaltungen und Projekte mit dieser Thematik auseinandersetzen, bleiben so manche Fragen und Widersprüche im Raum stehen. Warum gibt es immer noch diese ehrende Bezeichnung „Fritz-Bayerlein-Weg“? Wie ist beispielsweise mit dem geistigen Erbe Stauffenbergs und der anderen Widerstandskämpfer umzugehen? Wer waren die Politiker auf den verschiedenen Ebenen, die verfolgt wurden und wie wurden sie verfolgt? Warum werden diese speziell geehrt, obwohl doch schon die Gedenktafel auf der Unteren Brücke existiert? Und wo sind dann die Gedenktafeln für andere Berufsgruppen und Einrichtungen? Wären sie sinnvoll?

All diese Fragen müssten in einer eigenen Einrichtung fortdauernd behandelt werden, so wie es in großem Maßstab im Nürnberger Zentrum Reichsparteitagsgelände der Fall ist. Der größte Fehler wäre eine relativ unüberlegte, nicht künstlerisch gestaltete kleine Tafel in einem Rathausflur. So etwas ginge weit hinter das Niveau zurück, das man 1993 erreicht hatte. In diesem Jahr wurde die Ausstellung „Mahnmale des Holocaust“ weithin bekannt, die dort gefundenen Maßstäbe wurden vorbildlich (Katalog mit herausragenden Aufsätzen im Prestel-Verlag, München). Es ist an der Zeit, sich auf die Suche nach Räumlichkeiten zu machen, in denen eine andauernde Auseinandersetzung mit dem Nazi-Terror in Bamberg stattfinden kann.

Andreas Reuß

 


Gedenktafel für die NS-Opfer an der Unteren Brücke


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