BAmberger Thema

Stadtrat hält an antiquierter Energiepolitik fest
- wider besseres Wissen
26.10.2011
Umwelt+Klima, Aktuelles, Atomausstieg, Peter Gack, BA-Thema
"Am Bau eines Steinkohlekraftwerk wollen
wir uns eigentlich nicht beteiligen, aber aus-
steigen wollen wir auch nicht so richtig." So
ungefähr stolpern CSU und SPD durch den
Bamberger Stadtrat. Der Finanzsenat befasste
sich mit einem GAL-Antrag zum Ausstieg und
verschob wieder mal eine Entscheidung.

Im Jahr 2008 beschloss der Aufsichtsrat der Stadtwerke Bamberg (gegen meine Stimme als GAL-Vertreter) sich an der Planung eines Steinkohlekraftwerks in Brunsbüttel zu beteiligen.

Im November 2010 stellte die GAL-Fraktion den Antrag, aus diesem Projekt wieder auszusteigen und begründetet dies mit umweltpolitischen, energiepolitischen und vor allem mit wirtschaftlichen Argumenten.

Ende Oktober 2011 beriet nun endlich der Stadtrat über das Thema.


Die Geschäftsführung der Stadtwerke versuchte ihre Entscheidung zu rechtfertigen. "Mit dem geplanten Steinkohlekraftwerke wurde das Ziel verfolgt, das durch den Atomausstieg der rot-grünen Bundesregierung absehbare Leistungsdefizit in der Grundlast rechnerisch und physikalisch auszugleichen." Ein weiteres Argument seien die drohenden Stromimporte aus anderen Ländern. So sei Deutschland im Frühjahr 2011 bereits zum Nettostromimporteur geworden.

Argumente, die leicht zu wiederlegen waren. Denn erstens war Deutschland nach den aktuellen Zahlen des bdew (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) im ersten Halbjahr ganz klar wieder ein Stromexporteur mit einem Netto-Stromexport in Höhe von über 4000GWh (siehe pdf-Datei als Download), und zweitens wird es mit dem neuen Energiekonzept überhaupt keine klassischen Grundlastkraftwerke mehr geben. Der Vorrang der Erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse führt dazu, dass konventionelle Kraftwerke nicht mehr in der Grundlast arbeiten werden, sondern nur noch dann zugeschaltet werden, wenn nicht genügend "sauberer" Strom erzeugt wird. Genau das bestätigten zwei jüngst erschienene Gutachten - eines vom bdew selbst in Auftrag gegeben über die "Flexibilitäten von Stromerzeugungs- und KWK-Anlagen", und eine von der klima-allianz-deutschland in Auftrag gegebene Kurzstudie über die künftige Rolle von Gaskraftwerken in  Deutschland (siehe Link unten).

Der Bau eines Kohlekraftwerks ist demnach nicht nur umwelt- und klimapolitischer Nonsens, sondern auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen ein "Griff ins Klo". Die Investition in einen solch teuren Kraftwerksbau kann sich nur rechnen, wenn mit mindestens 6.000 Volllaststunden und mehr im Jahr gefahren werden kann. Da aber in Zukunft nur noch die sogenannte "Residualkraft" also der Reststrombedarf über konventionelle Kraftwerke erzeugt wird, würde ein neues Steinkohlekraftwerk im Jahr 2030 nur noch 150 bis maximal 1000 Stunden im Jahr laufen. Darum sind - wenn überhaupt - im konventionellen Bereich nur flexible Gaskraftwerke sinnvoll.


Die Stadtratsmehrheit aus CSU und SPD zeigten sich zwar beeindruckt von diesen Argumenten, zeigten sich aber nicht in der Lage, daraus Konsequenzen zu ziehen. Stadtrat Müller sprach zwar davon, dass er ja wirklich kein Steinkohlekraftwerk wolle, dass aber die Beteiligung an der Planung noch nicht den Bau bedeute und dass man den Anteil ja dann veräußern könne, wenn es an der Zeit sei. Ähnlich auch Stadtrat Kuntke von der SPD.

Da der sofortige Ausstieg aus der Planungsgesellschaft für die Stadtwerke tatsächlich einen Verlust von 107.500 Euro bedeuten würde (diese Summe wurde bisher von den Stadtwerken in Planungskosten mitinvestiert), versuchte ich namens der GAL eine Brücke zu bauen: Es solle durch den Beschluss des Stadtrats festgelegt werden, dass sich die Stadt und die Stadtwerke definitiv nicht am Bau des Steinkohlekraftwerks beteiligen werden, den Stadtwerken aber die Möglichkeit gegeben wird, die Veräußerung des Anteils wirtschaftlich zu optimieren.

Dieter Weinsheimer von der Fraktion der Freien Wähler plädierte dafür, dieses Meinungsbild des Stadtrates in dieser Form zu verabschieden. Oberbürgermeister und der Stadtratsmehrheit ging das aber zu schnell. Anfang Dezember wird sich jetzt erst nochmal der Aufsichtsrat der Stadtwerke mit dem Thema befassen, bevor der GAL-Antrag in die Vollsitzung des Stadtrats im Dezember kommt.
Wir dürfen gespannt sein, ob in der Adventszeit auch bei den anderen Fraktionen die Erleuchtung kommt.

Peter Gack


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Kurt F. Domnik pixelio.de


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