BAmberger Thema

Ein JA mit Wenn und Aber 25.06.2012
Bauen+Denkmal, Aktuelles, BA-Thema, Finanzen
Die GAL hat den einstimmigen und kostspieligen Beschluss des Stadtrats für eine Ansiedlung von Brose zugestimmt. Doch mit dem GALlischen Ja gehen auch Krikik, Skepsis und eine wachsames politisches Auge einher. Hier eine ausführliche Stellungnahme der GAL.

In der Vollsitzung am 23. Mai stimmte der Stadtrat Bamberg einstimmig für eine Ansiedlung der Firma Brose auf dem Areal Plärrerplatz, TSV Eintracht und P&R-Platz Breitenau (Ecke Berliner Ring, Memmelsdorfer Straße). Mit diesem Beschluss sind weit reichende Zusagen an Brose verbunden. Auch die drei anwesenden GAL-StadträtInnen stimmten für diesen Beschluss.

Doch dieses GALlische JA ist kein bedingungsloses und unkritisches JA, wie in der folgenden Stellungnahme dargelegt werden soll.


Zum Überblick:

  1. Ein nicht entscheidungsreifes Verfahren
  2. Prognostizierte Vorteile für die Stadt Bamberg
  3. Städtische Vorbereitungen für das Brose-Bauvorhaben für Neuansiedlung
  4. P&R-Anlage Plärrer
  5. TSV-Eintracht
  6. Plärrer
  7. Sonderlandeplatz Breitenau
  8. Rücktrittsrecht der Firma Brose
  9. Weitere Aspekte


1. Ein nicht entscheidungsreifes Verfahren

Seit 2011 begann die Stadt Bamberg mit ihren intensiven Bemühungen, Brose von einer Entscheidung für Bamberg zu überzeugen. Seither wurden zweimal im Ältestenrat die Fraktionsvorsitzenden vom Verhandlungsstand mündlich informiert. Es gab keinerlei schriftliche Unterlagen. Der Ältestenrat ist überdies kein beschlussfähiges Gremium, so dass keinerlei Beschlüsse oder Vorentscheidungen getroffen wurden.

Das erste schriftliche 16-seitige Papier erreichte die Fraktionen erst am 22. Mai am späten Nachmittag bei einer Sitzung des Finanzsenats. Zwei GAL-StadträtInnen arbeiteten das Papier dann gründlich durch und trafen sich mit den anderen Fraktionsmitgliedern sowie dem GAL-Vorstand am gleichen Abend zu einer außerordentlichen Sitzung zu Besprechung.

Der TOP Brose wurde dann am nächsten Tag (23. Mai) in der Vollsitzung um 21 Uhr aufgerufen, zu diesem Zeitpunkt waren noch 34 von 44 StadträtInnen anwesend. Es wurde 50 Minuten diskutiert, dann abgestimmt. Grund hierfür war die entscheidende Gesellschafterversammlung der Firma Brose am darauf folgenden Tag, 24. Mai.


Es muss klar festgestellt und kritisiert werden, dass dieses Vorgehen ein unakzeptabler Politik-Stil des Oberbürgermeisters ist. Solch weit reichende Entscheidungen können nicht mal eben am Abend vorher in den Fraktionen und in 50 Minuten im Stadtrat durchdiskutiert werden – die Sache war am 23. Mai von Seiten des Stadtrats nicht entscheidungsreif.

Den Stadtrat als demokratisch legitimiertes Entscheidungsgremium derart unter Zeitdruck zu setzen, zeugt von einem bedenklichen Mangel an Respekt. Der Verdacht liegt nahe, dass dieser Zeitdruck von der Stadtspitze bewusst und ohne Notwendigkeit aufgebaut wurde, um die Entscheidung ohne große Änderungen oder Kritikäußerungen durchzuboxen.


Die drei GAL-StadträtInnen stimmten der Entscheidung dennoch zu, trotz Kritik an diesem unwürdigen Verfahren, weil sie in der Abwägung die positiven Aussichten für die Stadt Bamberg als schwerwiegender betrachten. Die GAL hat damit einen erheblichen Vorschuss an Vertrauen geleistet, das sich die verantwortlichen Verhandlungsführer der Stadt und die Firma Brose nun noch verdienen müssen.


2. Prognostizierte Vorteile für die Stadt Bamberg

  • Arbeitsplätze: Brose plant ein neues Kompetenzzentrum für zentrale Steuerungsfunktionen mit zunächst ca. 500 hoch qualifizierten Arbeitsplätzen. Mittelfristig sind weitere 400 Arbeitsplätze geplant und langfristig sogar noch weitere (noch nicht bezifferte) im Produktionsbereich.
  • Die Stadt verspricht sich Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 2 Mio. Euro jährlich, wobei die Stadtverwaltung diese Aussage sehr vage trifft (Gewerbesteuerprognosen sind sehr unsicher).
  • Steigerung der Kaufkraft (durch neue MitarbeiterInnen und EinwohnerInnen, die aufgrund der bevorstehenden Konversion auch mit Wohnraum versorgt werden können)
  • Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft (durch Aufträge an lokale Firmen in Bau und Unterhalt)
  • Profilierung und Stärkung des Wirtschaftsstandorts
  • städtebauliche Aufwertung der Breitenau

All diese Vorteile sind tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, zum jetzigen Zeitpunkt aber auch unberechenbar und unter Vorbehalt zu kalkulieren. Dies wurde selbst von der Verwaltung explizit betont und als immenses Risiko bezeichnet. Deshalb wird es nun auch die Aufgabe der GAL sein, diese in Aussicht gestellten Vorteile kritisch zu begleiten.



Kritisch begleiten muss die GAL zudem die von der Stadt gemachten Gegenleistungen finanzieller und planerischer Art, die teilweise im Detail noch auszufertigen sind – und darin liegt ja bekanntlich manchmal der Hase begraben. Finanziell werden die beschlossenen Zusagen an Brose auf insgesamt ca. 11,5 Mio. beziffert.

Im Wesentlichen geht es dabei um folgende Punkte:


3. Städtische Vorbereitungen für das Brose-Bauvorhaben für Neuansiedlung

Die Stadt Bamberg verkauft an Brose das Plärrerplatz-Gelände sowie das Gelände des P&R-Platzes. Außerdem verpflichtet sich die Stadt, vom TSV Eintracht dessen Areal zu erwerben, um es dann an Brose weiterzuverkaufen. Und die Stadt wird für 2,5 Mio Euro die auf Masten oberirdisch geführte Freistromleitung entlang des Berliner Rings unter die Erde verlegen.

Für das Brose-Vorhaben müssen Bebauungspläne und der Flächennutzungsplan geändert werden, diese Verfahren werden nun eingeleitet. Eine Baugenehmigung soll bis 1.4.2013 erteilt werden. In der entscheidenden Vollsitzung wurde hierfür ein Rahmenplan vorgelegt, der aus GAL-Sicht eine vernünftige Planung verspricht. Eine Planung nach Gutsherren-Art wird die GAL – wie seit jeher – nicht dulden. Außerdem ist die Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange und von BürgerInnen zu gewährleisten. Städteplanerisch muss das Vorhaben angemessen sein. Es darf keine planungs- oder verfahrensrechtlichen Sonderkonditionen für Brose geben. Darauf wird die GAL peinlich achten.


4. P&R-Anlage Plärrer

Das P&R-Haus muss für den Brose-Neubau abgerissen werden. Die Kosten hierfür übernimmt zwar Brose, aber für die Rückzahlung von Fördermitteln, welche die Stadt erst 1999 beim Bau der Anlage erhielt, muss die Stadt aufkommen. Dabei handelt es sich rechnerisch 2,25 Mio. Euro. Aufgrund der geringen Auslastung der P&R-Anlage mit zwischen 37 % und 54 % plant die Stadt eine kleinere Anlage zu bauen und hat hierfür zwei städtischen Flächen an der Kronacher Straße als Option ausgewählt, wo ebenerdig für 420.000 Euro ein Parkplatz entstehen könnte. Es wird aber auch noch nach Alternativen gesucht.

Aus GAL-Sicht ist dies verkehrspolitisch nicht zufriedenstellend. Die zugegebenermaßen mangelnde Auslastung des P&R-Platzes Breitenau liegt nicht am P&R-Angebot, sondern an den immer noch in üppiger Anzahl vorhandenen Parkplätzen in der City einerseits, an der nach wie vor uneingeschränkten Zufahrtsmöglichkeit für den MIV via Memmelsdorfer Straße andererseits. Eine abgelegene Position von P&R an der Kronacher Straße würde das Angebot vollends obsolet machen. Eine schwere ökologische Kröte ist es auch, dass überhaupt ein so junger intakter Bau abgerissen werden soll. Überdies ist die Rechnung der Stadt hier finanzpolitisch zu kritisieren: Der Bau einer neuen Anlage für 420.000 Euro fließt zwar in die Berechnungen mit ein, nicht aber der Wert des Grundstücks, das dann nicht mehr verkauft werden kann oder für andere Zwecke zur Verfügung stehen.


5. TSV-Eintracht

Der TSV Eintracht muss umziehen, womit der Verein sich grundsätzlich einverstanden erklärt hat. Wohin genau, ist noch nicht entschieden, präferiert wird das Volkspark-Gelände. Den Umzug, wohin auch immer, finanziert die Stadt und hat ihn mit 3,5 Mio Euro angesetzt. Dieses Vorhaben ist ausgesprochen vage geplant und könnte noch Finanzierungs-Sprengstoff enthalten.


6. Plärrer

Ab dem Frühjahr 2013 muss der Plärrer auf eine andere Fläche verlegt werden. Wo und zu welchen Kosten, ist bislang unklar.


7. Sonderlandeplatz Breitenau

Der Stadtrat hat bereits im Herbst 2011 im Hinblick auf den bevorstehenden Abzug der Amerikaner entschieden, den Bestand der Sonderlandebahn zu sichern, um dort mögliche Wohnbebauungsabsichten zu verhindern. Dadurch werden wertvolle Sandmagerrasenflächen erhalten, was auch der Bund Naturschutz bestätigt. Schon damals wurde eine Verbreiterung der Landebahn auf 23,5 Meter ins Auge gefasst, das hierfür nötige Genehmigungsverfahren aber noch nicht eingeleitet.

Die GAL sieht das kritisch, kann aber einer Verbreiterung um 8,5 Meter gerade noch zustimmen (jetzige Breite 15 Meter), da auch Naturschutzfachleute darin keinen großen Schaden erkennen und Ausgleichsflächen zu schaffen sind. Dann muss aber auch Schluss sein mit Ausbau: keine weitere Vergrößerung, keine „Ertüchtigung“ mehr. Es ist umgehend ein Verfahren zur naturschutzrechtlichen Unterschutzstellung einzuleiten, wie es der Bund Naturschutz seit Jahren fordert und sogar die SPD-Fraktion im vergangenen Herbst beantragt hat. Den Gerüchten, dass Brose den Flughafen künftig auch für schwerere Transportflugzeuge und nicht nur für kleinere Passagierflieger nutzen will, ist Achtsamkeit zu widmen und einer solchen Entwicklung rechtzeitig entgegenzutreten.

Grundsätzlich beinhaltet der Brose-Beschluss, das die Stadt den Sonderlandeplatz für 5 Mio Euro mit Tower, Abfertigungsgebäude und Umzäunung ausstattet sowie die Landebahn verbreitert (hieran will sich die Firma Brose mit 400.000 Euro beteiligen). Inzwischen will die Stadt die Flächen des Sonderlandeplatzes nach Abzug der Amerikaner auch noch kaufen und selbst betreiben, ohne bisher klare Kosten vorgelegt zu haben. Dem stimmt die GAL nicht zu.


8. Rücktrittsrecht der Firma Brose

Im Kaufvertrag der Grundstücke für das neue Brose-Firmengelände wurde zugunsten der Firma Brose ein Rücktrittsrecht bis 31.3.2013 verankert. Nimmt sie dies in Anspruch, ist jegliche Planung hinfällig. Umgekehrt kann so natürlich auch die Stadt aus den Vereinbarungen herauskommen – nämlich wenn sie die gemachten Zusagen nicht in der von Brose erhofften Weise erbringt oder die Firma Brose noch mehr Forderungen oder Bedingungen stellt.


9. Weitere Aspekte

Neben diesen Zugeständnissen gibt es natürlich auch noch andere Aspekte, die bei der geplanten Brose-Ansiedlung bedenklich stimmen:

  • Es wird damit eine weitere Abhängigkeit von der Auto-Industrie (neben Bosch) geschaffen, so dass eine Krise dieser Branche in Bamberg doppelt zuschlägt. Hingegen könnte das geplante Brose-Forschungs- und Entwicklungszentrum wiederum eine zukunftsfeste Institution sein, da diese Arbeitsplätze nicht unmittelbar an der Produktion hängen.
  • Die mindestens 11,5 Mio Euro, die rund um Brose investiert werden, fehlen woanders. Beim Ausbau der Kindertagesstätten, bei der Schulsanierung, beim geplanten Weltkulturerbezentrum, bei der energetischen Sanierung, beim unausweichlichen Investitonen im Rahmen des viergleisigen Bahnausbaus… Und auch bei der Konversion von 450 Hektar in Bamberg-Ost hat Bamberg gerade in den nächsten Jahren viel zu stemmen, wofür man Mittel und Man-Power, die nun an Brose gebunden sind, gut brauchen könnte. Das Finanzkorsett der Stadt sitzt nun noch enger, es besteht praktisch null finanzieller Spielraum mehr.
  • Schließlich wird auch die Firma Brose selbst in Teilen der GAL höchst kritisch gesehen. Seit Jahrzehnten fällt deren Chef in der Kommunalpolitik mit Machtgehabe und nahezu erpresserischen Methoden auf und spielt Kommunen gegeneinander aus, um für sich das Maximale herauszuholen. Dass Herr Stoschek, der ein passionierter Flieger ist, bei seinem Firmenhauptsitz in Coburg den Bau eines Flugplatzes nicht durchsetzen konnte, war wohl mit ausschlaggebend für die Entscheidung für Bamberg, wo ihm eine Landebahn offenbar nach Gusto und nahezu kostenlos ausgebaut wird. Die Abhängigkeit von den Launen bestsituierter kommunaler Wirtschaftsmagnaten kann für eine Stadt mehr als gefährlich sein. Bleibt die Hoffnung, dass sich die Stadt solcher Allüren erwehren kann.

sys



Pressestelle Stadt Bamberg

Der Rahmenplan für die Brose-Ansiedlung.


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