BAmberger Thema

Konversion - ein heikles Geschäft 17.07.2012
Konversion, Aktuelles, BA-Thema
Daniela Wagner, grüne Bauexpertin aus dem Bundestag und lange Jahre Stadträtin in Darmstadt war zu Gast bei der GAL in Bamberg. Sie berichtete von ihren Erfahrungen mit Konversion - und da gab es durchaus Überraschungen.

Dass die Konversion ehemaliger Militärflächen kein leichtes Geschäft ist, konnten die Besucher eines GAL-Info-und-Diskussions-Abends im kleinen Haas-Saal erfahren. Dort berichtete die bau- und wohnungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Daniela Wagner, aus ihrem reichen Erfahrungsschatz. Besonders interessant war das, was sie aus dem Darmstadter „Nähkästchen“ erzählte – dort verließen die amerikanischen Truppen 2008 mehr als 300 Hektar Fläche. Und dort war Daniela lange Zeit Stadträtin und verfolgt als Ehefrau des Darmstädter Oberbürgermeisters die Entwicklung bis heute hautnah mit.

 

„Was kommt nach den Amerikanern? Konversion am Beispiel Darmstadt“ lautete denn auch der Titel, unter dem die GAL eingeladen hatte. Was kam also in Darmstadt nach den Amerikanern? Bislang erst mal nichts – so lautete erstaunlicherweise die Antwort Daniela Wagners. In den letzten vier Jahren wurde dort noch keine einzige Fläche verkauft, noch kein einziges Gebäude abgerissen, noch kein einziger Neubau errichtet. „Die Verhandlungen sind festgefahren“, stellte Daniela Wagner fest.

Und der Grund dafür ist eigentlich bestürzend: In Darmstadt wurden ausgiebige und vorbildliche Bürgerbeteiligungsverfahren unternommen. In Diskussionsveranstaltungen und Planungswerkstätten wurde unter großem Interesse und breiter Partizipation der Bürgerschaft viel Kreativität investiert und qualitätvolle Pläne und Ideen geschmiedet. Doch was war die Folge? „Mit jedem Zeitungsbericht über neue tolle Planungen schraubte die BImA als Inhaberin der Konversionsgrundstücke ihre Preisvorstellungen weiter in die Höhe. Nun sind wir so weit, dass die Pläne mit den geforderten Quadratmeterpreisen finanziell nicht vereinbar sind. Im Moment geht nichts vor und nichts zurück“, so das Resümee von Daniela Wagner.

Die Expertin, die auch im Bundestag Konversion als Arbeitsschwerpunkt hat, zieht daraus eine zentrale Lehre: Man müsse sich bewusst sein, dass eine gute und an sich anzustrebende Bürgerbeteiligung die Gefahr in sich birgt, dass sie gerade das unmöglich machen kann, was sie eigentlich erreichen will: Qualitätvolle Planungen. Deshalb hält Daniela Wagner es für außerordentlich wichtig, dass die Stadt die Konversionsflächen möglichst frühzeitig, also noch bevor Planungen festgezurrt werden, selbst erwirbt. In Darmstadt wurde dies aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht so gemacht, stattdessen erstellte man zuerst einen Rahmenplan auf dem dann einzelne Bebauungspläne fußen sollen, dafür wollte man dann Bauinvestoren für die Umsetzung finden. Ergebnis wie gesagt: Die Entwicklung stagniert trotz hochwertiger Pläne.

 

Doch gerade in diesem Jahr hat sich einiges in der Bundespolitik bewegt, was die Kommunen im Gerangel um die Konversionsflächen stärken könnte, auch wenn Darmstadt davon wahrscheinlich nicht mehr profitiert. Erst im März trat eine Bestimmung in Kraft, die der Kommune das „Erstzugriffsrecht“ zusichert. Dies geht sogar noch weiter als das herkömmlich bekannte Vorkaufsrecht. Die Kommune hat nämlich das Recht, als erstes die von der BImA zu veräußernden Grundstücke zu erwerben – und zwar zu einem gutachterlich festzustellenden Verkehrswert betreffend den aktuellen Zeitpunkt.

Allerdings ist dieses Erstzugriffrecht zeitlich begrenzt – auf einen so genannten „angemessenen Zeitraum“, den die BImA bestimmt. Wie der dann konkret aussieht oder nach welchen Kriterien er festgelegt wird, konnte Daniela Wagner selbst nicht beantworten: „Die Regelung ist ja noch ganz neu. Erfahrungswerte gibt es noch nicht.“ Nicht nur diese ungenaue Detailregelung fand die Grünen-Politikerin unglücklich, sie sah auch noch einen anderen massiven Nachteil für die Kommunen: „Wenn die Stadt ein Grundstück kauft, es beplant und mit Gewinn weiterverkauft, so entsteht ein Wertzuwachs, der zu 50% an die BImA abzutreten ist, und zwar bis zu 20 Jahre lang. Das ist unfair, denn die Kommunen haben ja auch enorme Kosten, die sie finanzieren müssen – von der Infrastruktur bis zum Seniorenangebot in dem neuen Stadtteil.“

Doch mit der Gründung der BImA als Verwalterin und Verwerterin der bundeseigenen Liegenschaften  wurde das Prinzip des Bieterverfahrens eingeführt: Wer am meisten für eine Immobilie zahlt, bekommt den Zuschlag. „Da war das Erstzugriffsrecht der Kommunen schon eine Errungenschaft“, so Daniela Wagner. Und sie betonte: „Oft wird die BIma immer als Feind gesehen, aber das ist sie nicht. Die Leute von der BImA tun nur ihre Pflicht, eben das, was ihnen vom Gesetzgeber, sprich dem Bundestag, aufgegeben wurde. Das Parlament wäre in der Lage, die Kommunen besser zu stellen.“ Und das bleibt nach wie vor speziell Daniela Wagners politisches Ziel.

 

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Darmstädter Erfahrungen befindet sich die Stadt Bamberg „auf dem richtigen Weg“, das wussten Ursula Sowa und Peter Gack von der GAL-Stadtratsfraktion: Ein Grundsatzbeschluss des Stadtrats hat erste Schritte hin zu einer so genannten „städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ eingeleitet. Hier ist es das Ziel, das Erstzugriffsrecht zu nutzen, die gesamte Fläche sofort und zum aktuellen Verkehrswert aufzukaufen und dann erst zu entwickeln. Die Wertschöpfung, die daraus entsteht, dass die Stadt die Fläche beplant und Grundstücke als wertvolleres Bauland ausweist, hat die Stadt dann komplett in Gemeinschaftseinrichtungen des Viertels zu investieren: vom Kindergarten über Grünflächen oder Wege bis hin zu Bürgerzentren o. ä. Die Regel, dass 50% des Wertzuwachses an die BImA gehen, ist hier hinfällig.

Für die Stadt ist dieses Unterfangen dennoch eine große Nummer: Sie muss das gesamte Areal kaufen, also auf einen Schlag eine riesige Summe aufbringen - und die „städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ muss juristisch absolut einwandfrei über die Bühne gehen, wofür sogar externe Kompetenz eingekauft werden muss.

 

„Die bisherigen Schachzüge in Bamberg sind gut gesetzt“, meinte Peter Gack auch im Hinblick auf ein Gespräch dass die GAL-Stadtratsfraktion und Daniela Wagner am selben Tag mit dem städtischen Konversionsreferenten Hinterstein im Bamberger Rathaus führten. Denn dass Verhandlungen mit der BImA nicht einfach werden, ist auch Daniela Wagners bundesweite Erfahrung: „Dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist und Wohnraummangel herrscht, ist es besonders schwierig.“ Und dass das für Bamberg zutrifft, pfeifen ja schon die Spatzen von den (offenbar allzu wenigen) Dächern.

Die Grünen-Politikerin warnte auch noch vor einer Entwicklung, die sie in den letzten Jahren recht häufig erlebte: „Wenn Städte oder oder BImA hochpreisig an Bauinvestoren verkauften, kamen fast immer Stadtviertel mit Monostrukturen und langweiliger Bausubstanz heraus. Bald darauf setzte ihr sozialer und baulicher Verfall ein und ein paar Jahrzehnte später mussten für diese Stadtteile dann Städtebaufördermittel und Soziale-Stadt-Mittel beantragt werden, um sie wieder hochzupäppeln. Eine solche Stadtentwicklung ist alles andere als nachhaltig und sollte in Bamberg unbedingt vermieden werden“, so ihre Empfehlung an die Weltkulturerbestadt. Dass die GAL hier umfassende Transparenz und Partizipation der Bürgerschaft für notwendig und anstrebenswert hält, betonte Ursula Sowa: "Die Planung eines ganzen neuen Stadtteils ist nur mit Bürgerbeteiligung denkbar. Sie muss nur zum richtigen Zeitpunkt eingeplant werden, das können wir von Darmstadt lernen."

sys


Pressestelle Stadt Bamberg

Konversionsflächenplan der Stadt Bamberg

Daniela Wagner


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