BAmberger Thema

Sozialverwaltung legt Hände in den Schoß
- HartzIV-Leute müssen es ausbaden
24.07.2012
Soziales, Aktuelles, BA-Thema
Offenbar mit allen Mitteln versuchen Stadtspitze und Stadtverwaltung, Hartz-IV-EmpfängerInnen kurz zu halten. Das geht sogar soweit, dass man ihnen das vorenthält, was ihnen laut Gesetz zusteht. Mit dem letzten Familiensenat erhielt diese unrühmliche Geschichte, in deren Täterrolle eine Stadtverwaltung ohne soziales Gewissen spielt und auf deren Opferseite Menschen mit geringen finanziellen Mitteln stehen, ein weiteres trauriges Kapitel.

Aber beginnen wir mit der Geschichte von vorne:

Im Juli 2011 stellte die GAL-Stadtratsfraktion den Antrag, die Angemessenheitsgrenzen der „Kosten der Unterkunft“, kurz KdU, zu erhöhen. Dieses Geld erhalten Menschen ohne oder mit nur geringem Einkommen, die ihre Miete nicht selbst zahlen können. Ihnen wird aber selbstverständlich nicht jede Miete gezahlt, sondern nur eine „angemessene“. Was angemessen ist, kann sich freilich ändern und muss regelmäßig angepasst werden.

Das geschah zuletzt im Oktober 2008. Seither gab es den Studierenden-Boom in Bamberg, und jeder weiß, wie sehr das Angebot der Nachfrage auf dem Bamberger Wohnungsmarkt hinterherhinkt und wie sehr die Mieten dadurch angezogen haben. Im September 2009 gab es außerdem ein Urteil des Bundessozialgerichts, so dass die Bamberger Sätze der aktuellen Rechtssprechung seitdem nicht mehr entsprechen. Die Verwaltung hätte also längst selbst eine Anpassung und Neuberechnung vornehmen müssen. Das hat sie nicht getan.

Erst der GAL-Antrag, Ergebnis einer Podiumsdiskussion zum Thema Armut, brachte das Thema auf die Tagesordnung der StadträtInnen.
Doch die Stadtverwaltung schlug in der Sitzung des Finanzsenats im Dezember 2001 vor, die Angemessenheitsgrenzen nicht zu erhöhen. Begründung: Es liege in Bamberg kein gültiger Mietspiegel vor, an dem man sich orientieren könne. Andere Orientierungsmöglichkeiten gebe es nicht. Man könne also keine vor dem Gericht haltbare Lösung finden und wolle es deshalb lieber bei der alten belassen (auch wenn diese vor Gericht ja ebenso wenig haltbar war).

Aber was die Stadtverwaltung den StadträtInnen da glauben machen wollte, war falsch. Das Sozialministerium hat für Kommunen ohne Mietspiegel genau vorgegeben, was sie tun müssen: nämlich eine umfassende Recherche über Zeitungsannoncen, Maklerangebot, Internet, Mieterverein, Grundstücksbesitzerverband usw. Warum man das im Sozialreferat einfach überging oder verschwieg, darüber kann spekuliert werden.

GAL-Stadtrat Peter Gack konnte jedenfalls die Finanzsenatskollegen überzeugen, diese Arbeit nun von der Stadtverwaltung zu verlangen. Dafür wurde dem Rathaus ein halbes Jahr Zeit gegeben. Der GAL-Antrag auf Erhöhung wurde also in die zweite Lesung verwiesen und folgender Arbeitsauftrag an die Verwaltung beschlossen: „Eine Neuberechnung der Angemessenheitsgrenze für die Miete ist im 1. Halbjahr 2012 vorzunehmen und dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorzulegen.“ (Zitat Sitzungsprotokoll).

Im Juni mahnte die GAL, das Thema auch wirklich zu behandeln, was vom Sozialreferenten einfach unbeantwortet blieb. Schließlich konnte erst mit Hinweis auf den Finanzsenats-Beschluss und über den Oberbürgermeister Starke überhaupt erst erreicht werden, dass der Punkt auf die Tagesordnung des Familiensenats im Juli kam. Was die Stadtverwaltung jedoch den Senatsmitgliedern vorlegte, war nicht nur eine herzlose Zumutung für die betroffenen armen Menschen, sondern auch eine dreiste Frechheit gegenüber dem Stadtrat als demokratisch gewähltem obersten Gremium der Stadt.

Die Stadtverwaltung berichtete in ihrem Sitzungsvortrag, sie habe die Bamberger  Wohnungsbauunternehmen angeschrieben und um Auskunft über deren unteres und mittleres Preissegment gebeten. Nach der Auswertung sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass man damit „dem vom Bundessozialgericht geforderten schlüssigen Konzept nicht gerecht werden kann“. Weiteres sei nicht „leistbar“ gewesen. Kurzum, das Sozialreferat hat nichts getan, außer ein paar Briefe geschrieben und dann wieder die Hände in den Schoß gelegt. Kein einziger Anruf bei einem Makler, keine einzige Zeitungsseite durchforstet, kein einziges Mal im Internet gesurft – all das, was natürlich jedeR Hartz-IV-EmpfängerIn auch tun muss, wenn er/sie eine Wohnung sucht. Und das in sieben Monaten. Unglaublich!

Noch unverschämter war der Vorschlag der Stadtverwaltung, wie man weiter vorgehen solle. Da der Stadtrat im Juni beschlossen hatte, einen qualifizierten Mietspiegel in Auftrag zu geben, solle man doch den abwarten, um dann auch die Angemessenheitsgrenzen zu erhöhen. Die Stadtverwaltung selbst hatte im Juni noch dafür plädiert, keinen Mietspiegel erarbeiten zu lassen. Jetzt kam er ihr prima zupass, Menschen, die in Bamberg unter hohen Mieten leiden und sich diese derzeit im wahrsten Sinne des Wortes vom Mund absparen müssen, noch weiter hinzuhalten, um selbst untätig bleiben zu können. Die rechtswidrige Praxis in Bamberg hält also an! – mittlerweile seit Jahren! – gegen den ausdrücklichen Beschluss des Finanzsenats!

Und das wird nicht nur von der GAL angekreidet. Auch die Bamberger Sozialberatungsstellen, etwa von Caritas oder IDEE, bekräftigen die Forderung nach mehr Geld. Ebenso haben der Familienbeirat und der Arbeitskreis Alleinerziehender mit Schreiben vom 31.10.2011 und 16.2.2012 an den Oberbürgermeister eindringlich eine Erhöhung gefordert. Und in der desaströsen Familiensenatssitzung wünschte sogar der Jobcenter-Chef Schierbaum dringend eine Anhebung und ein Ende der nicht haltbaren aktuellen Verwaltungspraxis.

Die übrigen Familiensenatsmitglieder lockte all das nicht sonderlich hinterm Ofen hervor. Man beauftragte lediglich die Verwaltung, auf Grundlage bundesweiter durchschnittlicher Mieterhöhungen neue Angemessenheitsgrenzen zu berechnen und dann im November wieder in den Familiensenat zu kommen. Dann ist der GAL-Antrag mittlerweile eineinhalb Jahre alt, der Beschluss des Finanzsenats wurde einfach nicht erfüllt, ohne dass sich die KollegInnen der Familiensenats groß drum scheren und die Chance, in der Juli-Vollsitzung eine Erhöhung rechtsgültig zu beschließen wäre erneut vertan. Zudem sind Bundesdurchschnitte als Berechnungsgrundlage völlig ungeeignet und widersprechen der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts völlig, weil sie gerade nicht auf die lokale Lage Rücksicht nehmen.
GAL-Stadträtin Kiki Laaser konnte mittlerweile beim Oberbürgermeister erreichen, dass eine zusätzliche Sitzung des Familiensenats im Herbst anberaumt wird, so dass im Anschluss daran Finanzsenat und Stadtrats-Vollsitzung dann endlich eine Erhöhung beschließen könnten. Auch auf einer ordnungsgemäß recherchierten Neuberechnung (wie ja bereits beschlossen und wie vom bayerischen Sozialministerium klar vorgegeben) werden wir beharren. Und das selbstverständlich rückwirkend zum 1.1.2012, denn es kann nicht angehen, dass arme Menschen in Bamberg es ausbaden müssen, wenn die Stadtverwaltung ihre Aufgaben schlampig erledigt.

sys



 







Jens Märker pixelio.de

Kellerloch frei!

Bild: P. Enzenberger

Rathaustür


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