Aktuell

Duldsam wie ein Lamm
- Der kleine brave Bamberger wehrt sich nicht
11.04.2013
Soziales, Aktuelles, BA-Thema, Bauen+Denkmal
Arme Menschen in Bamberg erhalten nicht die Sozialleistungen, die ihnen zustünden. Aber kaum einer von ihnen zieht vor Gericht. Dabei wären die Aussichten bestens, denn ein aktuelles Gutachten bescheinigt der Stadt drastische Mietsteigerungen.

Hintergrund

 

Arme Menschen werden betrogen und benachteiligt, aber sie wehren sich nicht. Das war schon immer in der Geschichte so – zuweilen unterbrochen von (blutigen) Revolutionen. Auch der „kleine Mann“ im heutigen Bamberg ist still und lässt sich viel gefallen – die „Kosten der Unterkunft“ (KdU) sind dafür das beste Beispiel.

 

Seit 2009 erhalten Bedürftige, die ihre Miete nicht selbst zahlen können, zu wenig Geld von der Stadt. Denn die Obergrenzen für die „Kosten der Unterkunft“ (KdU) wurden den rasant steigenden Mietpreisen nicht angepasst, waren also über Jahre zu niedrig – sprich illegal.
Illegal deshalb, weil die Stadt gesetzlich dazu verpflichtet ist, angemessene Wohnkosten zu übernehmen, sich also um angemessene Mietobergrenzen zu kümmern. Das hat sie nicht getan, mit Hinweis darauf, dass die Stadtverwaltung nicht in der Lage sei, festzustellen, welche Mietpreissteigerungen es denn konkret in Bamberg gibt.

Doch nun wurden in der Fortschreibung des „Stadtentwicklungsplans Wohnen“ (erstellt von dem beauftragten Gutachter Dr. Klaus-Peter Möller, Büro für Systemanalysen) genau diese Zahlen ganz ohne Weiteres vorgelegt. Und sie lauten so: In den Jahren 2006 bis 2010 gab es eine durchschnittliche Mietsteigerung von 2,9% pro Jahr – in den Jahren davor (2001 bis 2006) lag diese noch bei jährlichen 1%. Doch allein im Jahr 2011 stiegen die Mieten in Bamberg um sage und schreibe 17,2%.

Solche Zahlen eruierte die Stadtverwaltung hingegen nicht, nahm in den vier Jahren 2009, 2010, 2011 und 2012 keinerlei Erhöhung vor und sparte auf diese Weise Millionenbeträge auf Kosten armer Leute. Erst im Herbst 2012 bewilligte der Bamberger Stadtrat gnädig eine Erhöhung ab 1.1.2013 um 5%, die natürlich weit hinter dem zurückbleibt, was den Betroffenen eigentlich zustünde.

 

Geklagt hat dagegen aber kaum ein Betroffener – das hat jetzt eine Nachfrage der GAL ans Tageslicht gebracht.

Rund 2000 Bedarfsgemeinschaften (also sowohl Familien und Paare wie auch Einzelpersonen) sind in Bamberg auf die KdU angewiesen. Wie viele davon KdU unterhalb ihrer tatsächlich Mietkosten erhalten, konnte oder wollte das Jobcenter der GAL nicht verraten. Soviel immerhin: Im Durchschnitt müssen die Bedarfsgemeinschaften derzeit ca. 20 Euro pro Monat aus ihren Regelleistungen nehmen, sich also vom Mund absparen. Durchschnitt bedeutet aber auch, dass von den 2000 BGs manche gar nicht, andere aber mit viel höheren Beträgen betroffen sind.

Von den Betroffenen haben sich aber nur die wenigsten gewehrt und sind vor Gericht gezogen: 2010 gab es 39 Klageerhebungen, 15 davon endeten im Vergleich zwischen KlägerIn und Jobcenter/Stadt Bamberg, 21 Klagen wurden zurückgezogen, eine wurde anerkannt und eine zurückgewiesen.

Im Jahr 2011: 33 Klageerhebungen, davon 7 Vergleiche, 18 Rücknahmen

Im Jahr 2012: 35 Klageerhebungen, davon 6 Vergleiche, 3 Rücknahmen, 3 anerkannt, 1 zurückgewiesen.

(Bei den Rücknahmen ist der Rücknahmegrund unklar; er kann darin bestehen, dass der Klagegrund wegfällt, sprich der Kläger die gewünschten Leistungen vom Beklagten, also Stadt/Jobcenter erhält.)

Aktuell sind noch 38 Verfahren aus diesen Jahren und aus 2013 anhängig.

 

Armen Leuten in die Taschen greifen – für die Stadt zahlt sich das aus – von sozialer Gerechtigkeit ist das alles weit weit entfernt.

sys



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