Ohne seine stadtbildprägende Gärtnertradition wäre Bamberg heute nicht Weltkulturerbe. Doch die Gärtnerflächen sind nach wie vor in Gefahr. Eines der Ziele des Modellprojekts „Urbaner Gartenbau“, brach liegende Flächen zu reaktivieren, ist aus dem Blick geraten. Gärtnerin und GAL-Stadträtin Gertrud Leumer will deshalb eine neue Flächennutzungsoffensive starten und erklärte der , warum. Bamberg hat eine beachtliche Gärtnertradition. Die Gärtnerfamilien waren früher eine der wichtigsten wirtschaftlichen Säulen der Stadt. 540 Gärtnereibetriebe gab es Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit dem Beginn der Gärtnerkultur im 13. Jahrhundert hat diese das Bild der Stadt bis heute entscheidend geprägt. Die Strukturen der Gärtnerstadt östlich der Regnitz, wie sie im ältesten Stadtplan von Bamberg, dem Zweidler-Plan von 1602, festgehalten wurden, kann man bis heute ablesen. Dieses „grüne Erbe“ war ein wesentlicher Grund dafür, dass Bamberg Anfang der 90er Jahre den Titel Weltkulturerebe erhielt. Doch die Anzahl der Gärtnereien ist heute auf eine Zahl geschrumpft, die man an fünf Händen abzählen kann. Viele ehemalige Gartenflächen mitten im Stadtgebiet sind bereits bebaut, wurden zu Parkplätzen umgenutzt oder liegen brach. Häufig sind sich Erbengemeinschaften nicht einig, was mit den Flächen geschehen soll. Oftmals hoffen sie darauf, dass sich ihre Grundstücke bald als Bauland zu gutem Geld machen lassen. Seit Jahrzehnten geht das so. (Siehe Artikel: Keine "Fruchtfolge Bauland" in der Oberen Gärtnerei) „Grünes Erbe“ heute im Rathaus anerkannt Doch in letzter Zeit hat sich etwas getan. Vier Jahre lang gab es mit Geldern des Konjunkturpakets des Bundes das Modellprojekt „Urbaner Gartenbau“, das einiges in Bewegung gebracht hat. Das Gärtnermuseum in der Mittelstraße wurde im wahrsten Sinne des Wortes aufgemöbelt und ist heute ein echtes Kleinod. 19 noch existierende Gärtnereibetriebe haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen und betreiben unter dem Motto „Gutes aus der Gärtnerstadt Bamberg“ gemeinsames Marketing. Und im Rahmen der so genannten Flächennutzungsoffensive entstanden die Bamberger Süßholzgesellschaft und der Bamberger Sortengarten, die historische Nutzpflanzen und Anbauweisen praktisch erforschen und wieder beleben. Gertrud Leumer, als Inhaberin der Kräutergärtnerei MUSSÄROL, Vorsitzende des Sortengartens und Mitakteurin der Süßholzgesellschaft vielfältig im „Urbanen Gartenbau“ aktiv, sieht große Errungenschaften. „Vor 15 Jahren war der Wert der Bamberger Gärtnerflächen lange nicht so im Bewusstsein verankert wie heute“, meint sie. „Die Verwaltung ist jetzt tatsächlich auf der Höhe der Zeit“, so ihre Einschätzung – für eine Stadträtin der als kritisch bekannten GAL-Fraktion schon ein sehr auszeichnendes Lob. Doch Leumer sieht seit dem Ende des Modellprojekts im Jahr 2013 die Entwicklung ins Stocken geraten. Insbesondere erkennt sie für die bestehenden ungenutzten Gärtnerflächen akute Gefahr. „Sie müssen dringend gärtnerisch genutzt werden. Es ist genau wie bei einem baulichen Denkmal, das über Jahre unbewohnt und unbeheizt ist: Es verkommt. Auch denkmalwerte Freiflächen müssen gepflegt werden.“ Sortengarten und Süßholzgesellschaft laufen aus ihrer Sicht zwar gut, aber damit sei man ja noch lange nicht am Ziel „Flächenerhalt“ angekommen. Konkrete Ideen für Flächennutzung sind da Dabei gäbe es einige Ideen, über die Erwerbsgärtnerei hinaus und ausgesprochen bürgernah. - „Grabeland“ zum Beispiel: Bei diesem Prinzip können Privatleute ein kleines Stück Land für ihre Zwecke bebauen und nutzen, anders als im Schrebergarten aber ohne eigenes Haus und Zaun drum rum. In der Gärtnerstadt, wo es rund um die grünen Flächen zahlreiche Wohnhäuser und Nachbarn gibt, würde sich das anbieten.
- Oder die „Selbsternte“: Ein professioneller Gärtner beackert den Boden, pflanzt bzw. sät im Frühjahr auf einem langen Feld lange Reihen verschiedene Gemüse an. Privaten Nutzern wird davon jeweils ein Stück zugeteilt, das sie im Sommer pflegen und dann beernten können. Auf diese Weise ist jeder an allen Gemüsesorten beteiligt. Im Herbst übernimmt dann wieder der Profi und pflügt unter.
- Ein weiteres bewährtes Konzept ist die „solidarische Landwirtschaft“: Privatleute beschäftigen gemeinsam einen Landwirt in Festanstellung. Dieser bebaut ein Feld in ihrem Auftrag nach ihren Wünschen und erhält dafür einen vereinbarten Lohn. Der Gewinn für die Gemeinschaft besteht im Ernteertrag. Tatkräftige Eigenbeteiligung ist möglich.
- Auch selbst organisierte „Gemeinschaftsgärten“, wie z.B. ein zweiter interkultureller Garten (neben dem bestehenden auf dem ERBA-Gelände), wären eine gute Nutzung.
„Aber um diese Möglichkeiten muss sich jemand kümmern, sie müssen auf den Weg gebracht werden“, erklärt Gertrud Leumer, denn sie weiß auch um die Schwierigkeiten, wie etwa der oft nur schwer zu bewerkstelligende Zugang zu den urbanen Gärtnerflächen. Traditionell sind sie nämlich rundum von Wohnhäusern eingerahmt, durch die man hindurch muss, um überhaupt erst zum „grünen Erbe“ zu gelangen. „Es braucht also Verhandlungsgeschick, langen Atem und einen festen Willen.“ Immerhin konnte die GAL schon etwas auf den Weg bringen. Auf Leumers Antrag hin wurde eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe im Rathaus ins Leben gerufen, die den urbanen Gartenbau weiter voranbringen soll. Sie tagte im Mai erstmals. sys | |