Der eine Hauptsmoorwald-Baum ist unbedingt erhaltenswert und darf keinesfalls dem Bahnausbau zum Opfer fallen – sein Kollege ein paar 100 Meter weiter hingegen ist viel weniger liebenswert, denn er wurzelt ausgerechnet dort, wo die Stadtplanung im Rathaus und die schwarz-rote GroKo ihre Industrie- und Gewerbeträume verortet haben. Zweierlei Maß!? In seiner April-Sitzung sprach sich der Bamberger Stadtrat mit 26 zu 16 Stimmen klar gegen jegliche Variante der Ostumfahrung beim Bahnausbau auf Bamberger Stadtgebiet aus. In der Stellungnahme der Stadt zum Bundesverkehrswegeplan heißt es seither, dass diese „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen jegliche Form einer Ostumfahrung“ vorgehen werde. Hauptgrund dafür war der große Waldverlust, der mit dem Bau einer Bahntrasse durch den Hauptsmoorwald verbunden wäre. 46,7 ha abgeholzter Wald – nicht hinnehmbar! Tatsächlich, bei der von der Deutschen Bahn im Bundesverkehrswegeplan vorgeschlagenen Ostumfahrung für ICE- und Güterzüge mit bis zu 230 km/h müssten 46,7 Hektar Bannwald auf städtischem Gebiet abgeholzt werden. Denn auf Großteilen der Strecke wäre eine Schneise von 72 Metern Breite nötig wegen vorgeschriebener hoher Sicherheitsabstände zum Wald von 33 Metern. Diese Variante war für alle Stadtratsmitglieder nicht hinnehmbar. Möglicherweise anders hätte die Einschätzung bei der Variante „eingehauste und getunnelte Güterzugumfahrung“ ausgesehen, die von der Bürgerinitiative BAhnsinn seit Jahren in der Diskussion gehalten wurde. Hier hätten nur Güterzüge die Umfahrung genutzt, mit geringerer Geschwindigkeit näher an der Autobahn und wegen der Einhausung mit weniger Sicherheitsabstand zum Wald. Laut nicht nachgeprüfter Angaben von BAhnsinn hätte der Flächenverbrauch deshalb „nur“ bei 20 Hektar gelegen. Doch zu einer Prüfung dieser Angaben ist es nie gekommen. Anträge aus den Reihen der 16 Gegenstimmen (darunter auch die GAL) wurden abgelehnt. Viel vom hoch geschätzten Wald als Lebensraum für Menschen, Pflanzen und Tiere, von altem wertvollem Baumbestand, ökologischer und Erholungsfunktion war in der Sitzung die Rede. Und das ja durchaus zu Recht. Der Hauptsmoorwald darf – auch in Teilen – zu keiner Zeit und bei keinem Projekt mal eben so leichtfertig geopfert werden. 85 ha abgeholzter Wald – geplant und erwünscht Doch es mutet ziemlich scheinheilig an, wie lax Stadt und Stadtratsmehrheit an anderer Stelle mit genau demselben Wald umgehen. Sobald die Stadt das ehemalige MUNA-Gelände und den Schießplatz aus dem Eigentum des Bundes erwerben kann, will sie dort ein riesiges Industrie- und Gewerbegebiet einrichten, ergänzt um weitere angrenzende Staatswaldflächen. Dafür sollen mehr als 85 Hektar Wald abgeholzt werden – ja genau, Waldfläche aus demselben Hauptsmoorwald im Osten der Stadt, mit starken Eichen und Kieferbeständen. Plötzlich sind diese Bäume gar nicht mehr so viel wert, der Erholungsfaktor kaum relevant und ökologische Verluste sollen halt irgendwie ausgeglichen werden (obwohl im Bebauungsplan-Entwurf dafür keine konkreten Flächen genannt werden). Das MUNA-Gelände wird seit Beginn der 90er Jahre vom Bundesforst als naturnaher Wald genutzt. Die noch erhaltenen 63 Bunkerbauten, zu Zeiten der Weltkriege als Munitionslager genutzt, sind heute komplett mit Bäumen überwachsen und gelten ebenfalls als Waldflächen im Sinne des Waldgesetzes. Sie machen ohnehin weit weniger als 1% der abzuholzenden Waldfläche aus. Das Landschaftsentwicklungskonzept für die Region „Oberfranken-West“ (LEK) weist dem Gebiet eine hohe Bedeutung für den Naturhaushalt zu, aber auch für das angrenzende Siedlungsgebiet von Bamberg, und zwar in klimatischer und lufthygienischer Hinsicht. Das LEK empfiehlt, den bestehenden Ortsrand entlang der Armeestraße und nördlich der Geisfelder Straße nicht zu überschreiten. Stadt und Stadtrat müssen seriös entscheiden. Die Vorteile eines jeden Projekts müssen gegen dessen Nachteile abgewogen werden, Schaden gegen Nutzen, Gewinn gegen Verlust. Aber dabei muss das Maß verlässlich sein und der Abwägungsprozess transparent. Ein Baum kann nicht einmal ganz viel und einmal ganz wenig wert sein. So wird die Politik doppelzüngig und unglaubwürdig. sys |