„Autostadt ? Bamberg"- Darf’s ein bisschen mehr sein? Der Wandel in der Automobilindustrie macht es nötig, dass sich die Stadt nicht auf dem Prädikat „Autostadt“ ausruht. Das sieht auch Christian Lange (CSU) in einem Interview mit dem Fränkischen Tag ähnlich – um allerdings gleich ein paar Sätze später explizit die Ansiedlung des Autohauses Sperber am Berliner Ring zu begrüßen. Aus unserer Sicht ist aber gerade diese Ansiedlung ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte. Zukunftsthemen und Innovation aktiv fördern Tatsächlich ist die Lage in Bamberg wie folgt: Nach Informationen der Stadt gibt es derzeit Unternehmen, die expandieren wollen, aber nicht können, und zahlreiche Ansiedlungswünsche. Eine strategische Ansiedlungspolitik und die gezielte Förderung von Innovationstreibern würde deshalb mehr Sinn machen als übereilte Flächenvergaben ohne erkennbare Strategie. So könnten wertvolle und knappe Flächen für gute Konzepte ausgeschrieben werden. Mit der Bewerbung guter Standortbedingungen im Raum Bamberg könnten Unternehmen aus den Zukunftsbranchen Gesundheit, Digitales, Energie oder Cleantech die Wirtschaftsstruktur bereichern. So wäre dem vorhersehbaren Strukturwandel und Bedeutungsverlust der Automobilindustrie entgegenzutreten, bevor er da ist. Tourismus muss sich für die Stadtfinanzen lohnen Die Übernachtungszahlen in Bamberg steigen kontinuierlich. Die Einzelhandelsstruktur ganzer Bereiche der Altstadt ist auf auswärtige Gäste fokussiert, das Markenzeichen der „Tourismusstadt“ ist noch offensichtlicher als das der „Autostadt“. Ein Wirtschaftsmodell, von dem der städtische Haushalt derzeit jedoch nicht ausreichend profitiert. Im Gegenteil: Es entstehen Kosten bei der Müllentsorgung und Gebäudeerhaltung, bei subventionierten Kulturangeboten und bei der Tourismusförderung über den von der Stadt jährlich mit 1 Mio Euro bezuschussten TKS (Tourismus&Kongress-Service). Eine Bettensteuer, ein relativ unbürokratisches Verfahren, würde geringe Pauschalen auf Übernachtungen erheben, die den Gästen bei den derzeitigen Hotelpreisen wahrscheinlich gar nicht auffallen. In Bayern ist diese Art der Besteuerung derzeit nicht möglich/gewollt, in über 30 Städten in Deutschland, viele davon Grün regiert, gibt es sie. Alternative Wege für Bamberg über eine Kulturförderabgabe oder einen Fremdenverkehrsbeitrag müssen deshalb dringend wieder stärker in den Fokus rücken und möglich gemacht werden. Verdichtung, Um- und Neunutzung – statt Neuerschließung Über 80% der deutschen Bevölkerung lehnen ein Wirtschaftswachstum auf Kosten der Natur und der kommenden Generationen ab. Der Flächenverbrauch in Bamberg und Bayern ist in den letzten Jahrzehnten massiv angestiegen. Zwischen dieser Einsicht der Menschen und der Abhängigkeit von eingetretenen Pfaden der Wirtschaftspolitik besteht eine gewisse Ambivalenz. Eine zukunftsfähige Wirtschaftsstruktur bedingt in der Wissensgesellschaft aber eben nicht mehr zwingend die ständige Neuausweisung von Flächen. Deshalb muss auf der MUNA über die intelligente und schonende Nutzung von Teilflächen für Bildung, Forschung, Entwicklung und Innovation nachgedacht werden, statt über eine großflächige Ausweisung und massive Naturzerstörung nach „Schema F“. Ein ambitioniertes, aber machbares Unterfangen. Bei der Weiterentwicklung des Standortes sollte ein Schwerpunkt auf Verdichtung, Umnutzung und Neunutzung bereits versiegelter Flächen gesetzt werden. Und auch die Stadt Bamberg muss sich selbst die grundsätzliche Frage nach den Grenzen des Wachstums stellen: Wohin, wie und in welchen Bereichen kann und will die Stadt überhaupt noch wachsen? Wirtschaftsbeirat als Chance statt als Politikum In den letzten Jahren wurde die Einrichtung eines Wirtschaftsbeirates, der den Wirtschaftsraum Bamberg durch einen Blick über den Tellerrand und externe Expertise stärkt, aus rein politischen Gründen von der Bamberger GroKo verhindert. Die CSU wollte den damaligen IHK-Präsidenten und Parteikollegen Trunk an der Spitze des Gremiums, die SPD wollte ihn nicht. Die GAL hingegen wollte und will vor allem, dass der Wirtschaftsbeirat als „Zukunftsrat“ und Instrument der Stadtentwicklung endlich an den Start geht. Wir wollen in der Stadt offen darüber diskutieren, wie wir leben und wirtschaften, und wir wünschen uns für die Stadtentwicklung Ideen und Inspiration von Expert*innen. Der „Wirtschaftsraum Bamberg“ ist größer als die Stadt Was für den ÖPNV, die Gesundheitsversorgung, Kultur und dezentrale Energie gilt, gilt für die Wirtschaftsentwicklung ebenso: Eine Kooperation in der Vermarktung der Wirtschaftsregion und eine Abstimmung und Zieldefinierung mit unseren Nachbarn im Landkreis ist geboten. Da sind Konkurrenzdenken, Ansiedlungsneid und gegenseitiges Gerangel um die Gunst von Investoren, Gewerbesteuer und Arbeitsplätze alles andere als förderlich. Regional denken hieße Gewerbeflächen gemeinsam zu planen, Belastungen und Kosten, aber auch Gewinne und Vorteile gerecht und miteinander zu teilen. Eine von der GAL seit langem geforderte Kooperation in dieser Hinsicht wäre endlich ein Meilenstein auf diesem Weg. Stärkung der Innenstadt Die Kraft des Handels, ganz allein für die Belebung und Rettung der Innenstadt zu sorgen, muss realistisch eingeschätzt werden. Umfragen zeigen: Innenstädte, die für Besucher*innen attraktiv sind, vereinen viele Funktionen: Wohnen, Kultur, Begegnungsräume und Handel sind gleichermaßen von Bedeutung. Nur bei einer guten Mischung profitiert auch der Einzelhandel. Viele Immobilienentwickler*innen scheuen gemischte Nutzungen und neue Konzepte, deshalb braucht es hier, wo immer möglich, städtische Impulse und Vorgaben. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels sind Barrierefreiheit und Erreichbarkeit für Ältere relevante Themen. Und es ist immer noch nicht in allen Köpfen: Radfahrer*innen und Fußgänger*innen kaufen statistisch mehr in der Innenstadt als Autobesitzer*innen, welche häufig in die entfernteren Shoppingtempel außerhalb ausweichen. Für Bamberg heißt das: Gemischte Nutzung der Innenstadt ermöglichen, Aufwertung des Maxplatzes jenseits von Großveranstaltungen, mehr Raum für Aufenthalt in der Innenstadt, mehr Radstellplätze und gute ÖPNV-Anbindung, bspw. eine E-Bus-Ringlinie auf dem innerstädtischen Ring und mehr Vernetzung von Verkehrsträgern. Zeit für deutlich mehr! Zusammenfassend: Vielleicht mag das Prädikat „Autostadt Bamberg“ zum heutigen Zeitpunkt vor dem Hintergrund der Arbeitsplätze und Wirtschaftsleistung in dieser Branche für unsere Stadt zutreffend sein. Gleichzeitig zeigt es vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen aber auch auf: Neue Ideen sind gefordert, um den Standort weiterzuentwickeln. Die GAL wird diesen Ideenprozess gerne weiter vorantreiben. Jonas Glüsenkamp |