BAmberger Thema

Mauern im Kopf statt Jugend 2.12.2015
Soziales, Aktuelles, BA-Thema, Tobias Rausch
Die Wolfsschlucht soll "Erlebnispädagogisches
Kompetenzzentrum" werden. Was das genau
sein soll, wissen noch nicht einmal die
Erfinder des Projekts so genau. Denn vor
allem geht es darum, in dem Gebäude irgendwas
mit Jugend zu machen.

Bei der möglichen Einrichtung eines „Erlebnispädagogischen Kompetenzzentrums“ in der ehemaligen Jugendherberge Wolfsschlucht fehlt jegliche jugendpolitische Debatte. Schlagworte und leere Worthülsen in fünf mal 2500 Zeichen (inkl. Leerzeichen) – so liest sich der Antrag, den die Stadt Bamberg vor kurzem nach Berlin geschickt hat, um sich für Fördermittel in Höhe von 3,6 Mio Euro zu bewerben. Wenn das klappt, dann hat man das Geld echt nachgeschmissen bekommen.

Es geht um die ehemalige Jugendherberge Wolfsschlucht, die mit dem Geld umgebaut werden soll. Darin will man dann 24 Jugendliche unterbringen: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) und andere Jugendliche mit Jugendhilfebedarf. Hört sich eigentlich gar nicht schlecht an, aber wenn man sich einmal genauer ansieht, wie diese Projektidee zustande gekommen ist und mit welch heißer Nadel sie gestrickt wurde, dann wird schnell klar: Am allerwenigsten ging es dabei um Jugendpolitik.

Der einzige Anlass für das Projekt ist die Tatsache, dass seit Jahren eine zugesicherte Nutzung des Gebäudes am Rand von Bug zugunsten von Jugendlichen aussteht. BBB-Stadtrat Tscherner hatte ein Bürgerbegehren initiiert, und nur wegen einer schriftlich fixierten Zusage des OB und des Stadtrats verzichtete Tscherner auf Durchführung eines Bürgerentscheids. Doch bislang gab es keine finanzierbare Lösung. Mit dem „Bundesprogramm Sanierung Sport-, Jugend und Kultureinrichtungen“ sah man nun einen willkommenen Ausweg.

Man hat ein Haus mit Bäumen drum rum und will was mit Jugendlichen machen. Da war ein klangvoller Name offenbar schnell gefunden: „Erlebnispädagogisches Kompetenzzentrum mit Integrationsschwerpunkt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“. Die Erlebnispädagogik besteht
aus vielfachen Sportaktivitäten und Naturabenteuer im Hain. Fertig ist das „bundesweite Vorzeigeprojekt“. Mehr als blumige Beschreibungen werden vom Bund bei der Antragstellung nicht verlangt, na dann… nix wie raus mit der Bewerbung. Ein tatsächliches Konzept mit konkreten
Umsetzungspunkten wird einem dann schon noch einfallen.

Eine Fachdebatte zu dem Projekt gab es überhaupt nicht. Der Jugendhilfeausschuss wurde nicht befasst. Auf den Weg brachte den Antrag ein Bausenatsbeschluss, obwohl dem noch nicht einmal der dürftige Antragstext vorlag. Der am Tag darauf tagende Familiensenat hätte das Thema durchaus fachlich diskutieren können – er durfte aber nur großzügigerweise in einem Nachtrags-Tagesordnungspunkt zur Kenntnis nehmen, dass der Antrag zu diesem Zeitpunkt bereits nach Berlin abgeschickt war.

 

Dabei wären für Fachleute einige wichtige Punkte zu diskutieren gewesen:

  • Wie soll gerade an einer der abgelegensten Stellen in Bamberg, nämlich in der Wolfsschlucht, Integration gestaltet werden? Berührung und Austausch mit der Bevölkerung und anderen Jugendlichen wird hier gerade nicht stattfinden. Die betreuten jungen Menschen werden an den Stadtrand geschoben und dort abgeschottet, wenn auch in schöner Naturidylle.
  • Ist die Unterbringung in einem Heim überhaupt die richtige Maßnahme für diese Jugendlichen? Wurden denn Alternativen geprüft, z. B. Pflegeeltern?
  • Letzteres wirft auch die Frage nach den Kosten auf, denn gerade eine Heimunterbringung ist ausgesprochen teuer: 4000 Euro pro Person und Monat zahlt die öffentliche Hand an den Träger dafür. Wird also möglicherweise aus der Wolfsschlucht einfach ein gutes Geschäft gemacht, mit Jugendlichen als Geschäftsmaterial?

All diese Fragen hätte man diskutieren können, wenn, ja wenn es um die Jugendlichen gegangen wäre und nicht nur um ein Gebäude, das unbedingt einer bestimmten Nutzung („irgendwas mit Jugend“) zugeführt werden muss…

Tobias Rausch / sys


Die ehemalige Jugendherberg Wolfsschlucht in Bug


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