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Zwischen Überlebensstrategien und sozialem Rückzug | 23.05.2011
Soziales, Aktuelles, BA-Thema, Presse-Mitteilung
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GAL diskutierte mit Experten über Armut in Bamberg und kommunale Verantwortung
Ob wohl einige der Menschen im Publikum saßen, um die es an dem Abend ging? Es hat sich jedenfalls niemand „geoutet“. Dass Scham und Zurückhaltung aber ganz typisch ist für Menschen, die in Armut geraten, bestätigten alle anderen Podiumsteilnehmer beim GAL-Diskussionsabend „Armut in Bamberg – Was tun?“. Dass das Thema aber dennoch viele Bürger und Bürgerinnen bewegt und die Frage nach sozialer Gerechtigkeit in Deutschland für viele auch heute oben auf der politischen Tagesordnung steht, zeigte das rege Interesse an der von Wolfgang Budde, Lehrer an der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Coburg, moderierten Veranstaltung im voll besetzten Haas-Saal. Schon beim Bemühen der Grünen, einen „von Armut Betroffenen“ für das Podium zu gewinnen, bewies sich, wie schwierig es ist, das Thema am persönlichen Beispiel in die Öffentlichkeit zu bringen. Jörn Haack schließlich zeigte den Mut. Der gelernte Dachdecker lebt teilweise von staatlicher Unterstützung, teilweise von Gelegenheitsjobs. Aber als „bemitleidenswerten Armen“ wollte er sich nicht gesehen wissen. Er hat seine Kniffe und Tricks, wie er durchkommt, besorgt sich Gutscheine, kennt Adressen – und gehört so wohl zu den findigen Lebenskünstlern unter den Armen. „Man muss halt den Arsch bewegen“, bringt er seine Lebensphilosopie auf den Punkt, auch wenn er betont, dass sonst die soziale Stütze nicht ausreichen würde. Dass nicht jeder in der Lage ist, ideen- und kraftvoll auf Geldmangel zu reagieren, bekräftigte Klaus Will von der Caritas-Sozialberatung: „Viele Menschen ziehen sich vielmehr aus sozialen Beziehungen zurück, zum einen weil sie sich schämen, aber auch weil sie dadurch Geld sparen können.“ Dass sich Armut auch nicht nur in Geldmangel ausdrückt, betonte Gisela Bauernschmitt vom Staatlichen Schulamt. „Schüler, die nicht mitreden können über In-Produkte, die sich das Schulmittagessen oder den Schulausflug nicht leisten können, sind ausgegrenzt und fühlen sich in ihrem Stolz verletzt.“ Dass der Sozialstaat in den letzten Jahren immer mehr auf dem Rückzug ist, stellte Peter Klein fest, der den Treffpunkt „Menschen in Not“ in der Siechenstraße leitet: „Immer mehr müssen Wohlfahrtsverbände einspringen, weil der Staat nicht ausreichend hilft.“ Staatliche Hilfe reiche nur für das Nötigste – „Verhungern muss keiner“ -, aber Reserven für Notlagen könne damit keiner bilden. Ähnliches berichtete auch Dr. Winfried Strauch vom Gesundheitsamt: „Unser Gesundheitssystem funktioniert nur im konkreten Notfall sozial: Da wird jedem geholfen, ohne Ansehen der Person und des Geldbeutels. Aber sonst belegen Statistiken eindeutig: Krankheit hängt mit sozialem Status zusammen.“ Was konkret in Bamberg zu tun sei, war selbstredend ein zentrales Anliegen der Veranstalter und des Moderators Wolfgang Budde, der die Kommunalpolitik in der Verantwortung für soziale Fragen sieht. Auch StadtratskollegInnen aus anderen Fraktionen zeigten sich an konkreten Handlungsempfehlungen der ExpertInnen interessiert. Klaus Will hielt es für wichtig, dass Bedürftige überhaupt in die Lage versetzt werden, ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen, es brauche daher mehr Beratung – und: Verhandlungen mit dem Jobcenter (früher Arbeitsamt) sollten flexibler und besser werden. Dr. Winfried Strauch forderte „viel mehr aufsuchende Sozialarbeit“, die auf die Menschen zugeht und schon präventiv wirkt. Peter Klein sah großen Bedarf an bezahlbaren Wohnraum und Gisela Bauernschmitt schlug ein Budget vor, das es Schulen unbürokratisch ermöglicht, Formen der sozialen Ausgrenzung im Schulbetrieb zu verhindern. Aus dem Publikum kam die Forderung nach aktiver und stadtteilorientierter Sozialarbeit sowie nach Mindestlöhnen in städtischen Betrieben und Unternehmen. Jörn Haack schließlich wünschte sich „weniger Besucher bei der Bamberger Tafel“, wo er gegenwärtig für 1,50 Euro die Stunde arbeitet – „weil das zeigen würde, dass die Leute sich selbst versorgen können“. sys |
Auf dem Podium von links: Gisela Bauernschmitt, Wolfgang Budde, Jörn Haack, Peter Klein, Klaus Will, hier nicht im Bild: Dr. Winfried Strauch Publikum im kleinen Haas-Saal Moderator Wolfgang Budde sammelt Handlungsempfehlungen an den Stadtrat. |
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