BAmberger Thema
Hexenverfolgung in Bamberg – Thema für eine Schlussstrichdebatte? |
16.07.2012
Aktuelles, Kultur, Andreas Reuß, BA-Thema
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Mit einer Veranstaltungsreihe will sich die
Stadt Bamberg der lokalen Geschichte der Hexenverfolgung nähern. Ein guter Auftakt, meint GAL-Stadtrat Andreas Reuß und umreißt die historische Einordnung. Endlich wurde das Thema Hexenverfolgung in Bamberg und Umgebung einmal im Stadtrat (Kultursenat) angesprochen, und zwar differenziert und auf gutem wissenschaftlichen Niveau; herrschen doch sehr viele Vorurteile auf diesem Gebiet. Das erste Vorurteil besteht darin zu behaupten, das Thema sei grundsätzlich totgeschwiegen worden. In Wirklichkeit haben sich schon seit vielen Jahren die Bamberger Bildungseinrichtungen mit den verschiedensten Aspekten dieser schlimmen Zeit auseinandergesetzt, auch Schriften aller Art sind dazu erschienen. Sogar die katholische Kirche hat im Jahr 2000 im Vatikan immerhin ein offizielles, freilich etwas allgemein gehaltenes Schuldbekenntnis abgelegt, in dem insbesondere die Schuld gegenüber Frauen, „die allzu oft erniedrigt und ausgegrenzt werden“, bekannt wurde. Freilich waren auch Männer Opfer der Hexenverfolgungen. Der Brief des gefolterten Bamberger Bürgermeisters Johannes Junius soll vielleicht in die Liste des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommen werden (in dem sich übrigens schon zwei andere Bamberger Handschriften befinden). In diesem Zusammenhang pflegt man ein weiteres Vorurteil, wenn man pauschal sagt, „die Kirche“ sei für die Hexenverfolgungen verantwortlich; denn in Wirklichkeit wurden die grausamen Taten von der „staatlichen“ Instanz durchgeführt – die damals freilich ganz anders zu verstehen war als heute –, wobei Theologen und bestimmte Agitatoren immerhin den ideologischen Hintergrund lieferten. Zur staatlichen Instanz am Bamberger Hof des Fürstbischofs heißt es im Historischen Lexikon Bayerns: „[...] im 15. und 16. Jahrhundert [entstanden] feste Zentralbehörden (Kanzlei, Hofrat, Hofgericht, Hofkammer, Obereinnahme). Hochstifts- und Bistumsverwaltung wurden nun organisatorisch getrennt. Im 17. Jahrhundert ergänzten noch Hofkriegsrat und Geheimer Rat die ‚Weltliche Regierung’ des Hochstifts.“ Dieses war die staatliche und gerichtliche Gewalt. Andererseits war die kirchliche und die staatliche Instanz in der Person des Fürstbischofs in gewisser Weise vereinigt, um es vorsichtig auszudrücken. „Damals“ bezieht sich übrigens in Bamberg hauptsächlich auf die beginnende Neuzeit, insbesondere im 16. bzw. 17. Jahrhundert. Es wäre also ein weiteres vergröberndes Vorurteil zu behaupten, die Hexenverfolgungen hätten im Mittelalter stattgefunden. Die Hexenprozesse häuften sich in Europa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts und dauerten sogar bis 1750 an (Winkler, H. A.: Geschichte des Westens. Von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert, München 2009, S. 108 f.). Einen letzten Hexen-„Vorfall“ soll es im Aischgrund Ende der 1950er Jahre gegeben haben. Es stellt sich freilich trotz allem für den Stadtrat die Frage, wie die Institution Stadt zu diesen oft unsagbar schlimmen Verbrechen heute Position beziehen soll. Haben nicht viele Stadtbürger, die freilich hauptsächlich Opfer waren, auch bei den Verfolgungen in verschiedenster Weise mitgewirkt? Hätten sie sich nicht als Bürger mehr (manche taten es sogar) dagegen auflehnen können und sollen, so wie sie sich im 15. Jahrhundert gegen Domkapitel, Bischof und die umfangreichen Immunitäten des Domkapitels und der mit dem Domkapitel verbundenen Kollegiatstifte im Immunitätenstreit aufgelehnt haben? Apropos Immunitätenstreit: Ein weiteres Vorurteil bestünde darin, die Hexenverfolgungen aus dem historischen Kontext herauslösen zu wollen: Es gab schon vorher und auch später ähnliche wahnhafte Bewegungen, denen gerade in unserem Gebiet viele Menschen grausam zum Opfer gefallen sind, unter anderem die Hussitenkriege und der Dreißigjährige Krieg. Insgesamt war um 1500 (und danach) bekanntlich eine Zeit der Umbrüche. Der Titel des Werkes von Kopernikus „De Revolutionibus...“ spricht hier Bände (auch wenn es auf das Weltall bezogen war; vgl. auch Christophorus Clavius, päpstlicher Hofastronom aus Bamberg, gest. 1612). Es war das Zeitalter der Reformation (Jubiläum 2017; auch für das Bistum Bamberg wichtig, insbesondere die nachfolgende Gegenreformation), der Bauernkriege (im Hochstift Bamberg zentral), des Humanismus (Johann von Schwarzenberg) sowie der Entdeckungsfahrten und der Entdeckungen (früher Buchdruck in Bamberg). Eine Art „Auftakt“ zu den Hexenverfolgungen waren die Judenverfolgungen, insbesondere in der Zeit um 1350, insbesondere in den Städten, zum Beispiel in Nürnberg, aber auch in Bamberg (spätestens 1470). Schon in diesem Jahrhundert suchte man nach einem „Sündenbock“ in einer „Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs“ (H. A. Winkler, wie oben, S. 105). Es wäre also einmal nötig, das Phänomen der Hexenverfolgungen – am Beispiel der Situation in Bamberg – in einem größeren historischen Zusammenhang darzustellen und aufzuarbeiten. Die geplante Veranstaltungsreihe im Herbst 2012 wäre hierfür ein geeigneter Auftakt, eine Ausstellung wäre eine mögliche Fortsetzung und ein Raum (oder ein Haus), der diesem Thema dauerhaft gewidmet wäre, müsste eine angemessene Auseinandersetzung ohne Schlussstrich ermöglichen. Neben der Stadt sollten die Kirchen, die Universität und – als Rechtsnachfolger der staatlichen Instanz von damals – der bayerische Ministerpräsident, so der Bamberger Archivdirektor Dr. Zink, seinen Beitrag zu dieser Art von Wiedergutmachung leisten. Andreas Reuß |
Das Hexengefängnis lag im heutigen Bereich von Franz-Ludwig-Straße / Promenade. Kupferstich von 1627. |
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