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Grüne fordern Neustart der Klimaallianz 20.09.2018
Umwelt+Klima, Aktuelles, BA-Thema, Presse-Mitteilung
Grüne aus Stadt und Land boykottieren Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen - Offener Brief an Landrat und OB beklagt mangelnden Willen zum Klimaschutz

Pressemitteilung

Demnächst wollen Stadt und Landkreis Bamberg das zehnjährige Jubiläum der Klimaallianz mit einem Festakt begehen – und sie werden dies ohne die Grünen tun müssen. Denn die haben aus Protest abgesagt und begründen dies in einem offenen Brief an Oberbürgermeister und Landrat: Nicht Jubel wäre angebracht, so meinen sie, sondern eine ehrliche Bilanz des Erreichten und des Versäumten. Und als Konsequenz daraus fordern sie, neu durchzustarten.

Unterschrieben von Mitgliedern der Stadtratsfraktion, Kreistagsfraktion und der Parteivorstände anerkennt der offene Brief etwa die positiven Leistungen bei der Stromerzeugung mit einem aktuellen Anteil von fast 50% erneuerbarer Energien. „Doch im Bereich Wärme und Verkehr gibt es kaum Anstrengungen zur CO2-Reduzierung“, stellt Peter Gack vom GAL-Vorstand fest, „unglaublicherweise liegen noch nicht einmal Zahlen und Bilanzen vor.“ Aktivitäten für eine E-Mobilität seien bislang marginal, eine Verkehrswende mit gutem ÖPNV-Angebot vor allem im Landkreis ist nicht in Sicht. Die Regionalwerke seien gescheitert. Und wie das Klimaziel von 100% erneuerbarer Energien im Jahr 2035 erreicht werden soll, sei nicht abzusehen.

Entsprechend formulieren die Grünen auch dringend umzusetzende Ziele. Zusätzliches qualifiziertes Personal, vor allem im Landratsamt, hält Bernd Fricke (Vorsitzender der Kreistagsfraktion aus Stegaurach) für dringend nötig. „Stattdessen hat es in den letzten vier Jahren hier sogar Einsparungen gegeben“, kritisiert er. Gerhard Schmid vom Kreisvorstand-Land sieht in einem Regionalen Omnibusbahnhof (ROB) am Bahnhof eine wichtige Maßnahme, die seit Jahren verschleppt wird. Außerdem fordert er einen Masterplan für den Radverkehr in Stadt und Landkreis.
Die Vorsitzende der Stadtratsfraktion, Ursula Sowa, und ihre Kollegin Gertrud Leumer wollen, dass bei Neubau bzw. Sanierung kommunaler Gebäude künftig Passivhausstandard einzuhalten ist. Hohe Priorität hat für sie auch der Ausbau des Nah- und Fernwärmenetzes.

Um all dies voranzubringen, wollen die Grünen ein neues Arbeitsgremium einrichten, weil sich aus ihrer Sicht der Klimabeirat als untauglich erwiesen hat. „Wir brauchen keinen Beirat für Kenntnisnahme und Abnicken, sondern einen Ort, wo gute Visionen in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, wo man ernsthaft diskutiert und Beschlüsse fasst“, so Fricke und Leumer. Sie unterstreichen mit dieser Forderung, dass der Grünen-Protest gegen den Festakt gerade nicht eine Abkehr von der Klimaallianz ausdrücken soll. „Vielmehr wollen wir, dass jetzt neu durchgestartet wird“, so die Grünen in dem offenen Brief, „damit wir bei einer 20-Jahr-Feier dann auch guten Gewissens mitfeiern können.“

sys

 

Hier der Brief im Wortlaut:

 

Bamberg, September 2018

Zehnjähriges Jubiläum der Klimaallianz Bamberg - Offener Brief

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Landrat!

 

Am 24.09.2018 feiert die Klimaallianz Bamberg in einem Festakt ihr zehnjähriges Bestehen. Zehn Jahre Klimaallianz Bamberg kann man als Anlass sehen sich in einem Festakt zu feiern. Herzlichen Dank für die Einladung. Zehn Jahre Klimaallianz Bamberg kann man aber auch nutzen, kritisch Bilanz zu ziehen und zu bewerten, wo man denn heute steht, insbesondere bezogen auf die ambitionierten Ziele, die man sich 2008 gesetzt hatte. Insbesondere ist hier das sehr ehrgeizige Ziel zu nennen, bis 2035 die Energie in der Region CO2-frei zu erzeugen.

Eine kritische Bilanz des Erreichten ist nach unserem Dafürhalten v.a. auch angesichts des rapide voran schreitenden Klimawandels unbedingt geboten. Ein weiterer Jahrhundertsommer wie in diesem Jahr unterstreicht dies deutlich.

Fraglos gibt es Erfolge zu verzeichnen: So war es wichtig, Grundlagen mit den verschiedenen Studien wie der Potentialanalyse oder zuletzt dem Energienutzungsplan zu erarbeiten, die vom Staat großzügig gefördert wurden. 48,5 % Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromgewinnung für 2017 ist sogar ein Aushängeschild für die Klimaallianz. Dies wurde möglich durch die vielen Solar- und Windkraftanlagen von Bürgern und Unternehmen. Und sicher gibt es auch Vorzeigeprojekte wie das Biomassewerk Scheßlitz und viele kommunale Bau- und Sanierungsprojekte in der Stadt und im Landkreis Bamberg. Auch im Bereich E-Mobilität wurde einiges angestoßen, was allerdings in Anbetracht der Größenordnung der CO2-Einsparung im Sektor Verkehr als marginal einzustufen ist.

 

Demgegenüber ist kritisch aufzulisten, was in der Klimaallianz bisher nicht geschafft wurde:

- Eine Verkehrswende im Landkreis, die eine deutliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes bewirkt, ist nicht in Sicht.

- Eine Strategie der Energieeinsparung gerade auch im Wärmemarkt und Umstieg auf regenerative Energien ist nicht erkennbar.

- Die Regionalwerke des Landkreises Bamberg sind gescheitert.

- Es werden zwar Ziele für die Erzeugung regenerativer Energien genannt, wie 60% bis 2020, 100% bis 2035, aber: Wie diese erreicht werden können: Fehlanzeige!

- Das Personal, das für die Klimawende verantwortlich ist, wurde zumindest in den letzten vier Jahren im Landkreis kontinuierlich reduziert.

 

Es reicht aus unserer Sicht nicht aus, hunderttausende von Euro für Studien auszugeben, wenn danach keine konsequente Umsetzung erfolgt. Die sehr ambitionierten Ziele der Klimaallianz, die wir voll unterstützen, können nicht erreicht werden, wenn für diese Umsetzung kein entsprechend qualifiziertes Personal eingestellt wird. Und es reicht erst recht nicht aus, sich mit Hochglanzbroschüren, in Brüssel oder vor Delegationen aus z.B. Osttimor, selbst zu feiern, wenn man augenblicklich doch sehr weit von den selbst gesteckten Zielen entfernt ist. Zugegeben, die politischen Rahmenbedingungen vom Bund und von Bayern (10h-Regelung) sind nicht förderlich. Umso größerer Anstrengungen der Stadt und des Landkreises Bamberg bedarf es. Leider ist das Gegenteil der Fall.

Sie laden uns jetzt zu einer weiteren Feierstunde ein: Zehn Jahre Klimaallianz. Für uns eben leider kein Grund zu feiern und stolz zu sein, deshalb bleiben wir Ihrer Einladung aus wohlüberlegtem Protest fern. Zu den zehn Jahren Klimaallianz stellen wir gerne unsere kritische Meinung zur Verfügung und nehmen gerne an der 20-Jahre-Feier teil, wenn es gelingt, zeitnah folgende Forderungen umzusetzen:

  • Zentraler Omnibusbahnhof am Bahnhof
  • Masterplan für die Region Bamberg „Fahrradfreundliche Kommune“
  • Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen
  • Umbau der Stadtwerke zu Regionalwerken für Stadt und Landkreis und zu einem konsequent klimaneutralen Dienstleister in Sachen Energie und Mobilität
  • Neubau oder Sanierung kommunaler Gebäude nur noch im Passivhausstandard und mit regenerativen Energien
  • Intensivierung der Energiesparberatung durch Auflage eines kommunalen Förderprogramms (Co-Finanzierung der Bundesförderung)
  • Professionalisierung der Klimaallianz durch Einstellung eines/r entsprechend qualifizierten Klimamanager/in

 

Zur Umsetzung der Ziele braucht es u.E. ein Arbeitsgremium, in dem Dinge effektiv vordiskutiert werden können. Der Klimabeirat, dem diese Funktion zugedacht war, funktioniert diesbezüglich nicht, da hier keine Arbeitsatmosphäre entsteht und nicht diskutiert wird. Man nimmt nur zur Kenntnis.
Hier braucht es ein anderes Instrument, in dem wir gerne unsere Mitarbeit anbieten.

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Landrat,

angesichts der schlechten Bilanzzahlen der Klimaallianz sehen wir keinen Grund zum Feiern. Angesichts der zunehmenden Erderwärmung liegt das, was wir bisher in Stadt und Landkreis Bamberg geleistet haben, mit Ausnahme bei der Stromerzeugung, weit hinter dem Zielhorizont zurück. Vielleicht ist das Jahr 2018 – aufgrund der spürbaren Anzeichen des Klimawandels – ein Anstoß für Sie, nun endlich durchzustarten, den Klimaschutz und die Ziele der Klimaallianz endlich ernst zu nehmen und den Worten auch Taten und Umsetzungsmaßnahmen folgen zu lassen. Wir helfen gerne mit und kommen dann, wenn es wirklich einen Grund zum Feiern von Erfolgen gibt zu einem Festakt zum zwanzigjährigen Bestehen der Klimaallianz.

 

Mit freundlichen klimapolitischen Grüßen

Ursula Sowa (Vorsitzende GAL-Stadtratsfraktion)

Gertrud Leumer (Umweltpolitische Sprecherin GAL-Stadtratsfraktion)

Peter Gack (Vorstand GAL/KV Bamberg-Stadt)

Bernd Fricke (Fraktionsvorsitzender Grüne Kreistagsfraktion)

Gerhard Schmid (Vorstand KV Bamberg-Land)

 



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