Was haben Uni-Proteste, Bildungsstreik und Hörsaalbesetzungen gebracht? Die fragte zwei Studierende der Uni Bamberg Die Uni brennt! Am 17. November vergangenen Jahres wurde auch die Uni Bamberg von der bundesweiten „Besetzungswelle“ erfasst. Im Anschluss an eine Vollversammlung der geistes- und kulturwissenschaftlichen Fakultät besetzten ca. 250 Studierende spontan einen Hörsaal der Uni Bamberg und schlossen sich damit dem Bildungsstreik an. In den darauffolgenden Wochen wurde in verschiedenen Arbeitskreisen ein Forderungskatalog erstellt, welcher der Universitätsleitung überreicht werden sollte. Zu den Hauptforderungen zählten ein Absenken und darauffolgendes Abschaffen der Studiengebühren, mehr demokratische Teilhabe der Studierenden an der Universität, sowie ein vom Studienverlauf unabhängiges Bafög. Der Katalog wurde zu großen Teilen von der Hochschulleitung mit der Begründung abgewiesen, jene Forderungen fielen nicht in ihren Zuständigkeitsbereich. Die Kritik an der deutschen Umsetzung der Bologna-Reform fand zwar weitgehend Zustimmung, stieß jedoch ebenfalls auf das Totschlagargument des begrenzten Handlungsspielraums. Ende Dezember wurde die Besetzung aufgegeben. Und das Ergebnis? Die Studiengebühren wurden auf 400 Euro gesenkt, die Unileitung hat den Besetzenden ein Büro zur Verfügung gestellt – ein Anfang ist gemacht. Und nun? Ein -Interview zu zwei Standpunkten, die kontroverser kaum sein könnten.
: Agatha und Tilman, in welcher Form habt ihr euch am Bildungsstreik und der Besetzung beteiligt? Warum? Agatha: Ich habe an den Demos teilgenommen und auch die ersten Wochen die Besetzung unterstützt. Zusammen mit den anderen – auch bundesweit – streikenden Studierenden und Schülern hielt ich dies für einen geeigneten Weg, um auf die Missstände im Bildungssystem aufmerksam zu machen und Druck auf die Regierung auszuüben. Tilman: Ich habe die Uni nicht besetzt. Ich habe aber auch nichts dagegen unternommen. Ich bin seit 4 Jahren in der „Studierendenvertretung“, seit einem Jahr im Senat der Uni. Im Gegensatz zu den BesetzerInnen, hielt ich das Studium bisher nicht für eine Berufsausbildung und forderte nicht mehr Praxisbezug, ich war nicht der Ansicht, dass Studiengebühren „richtiger“ ausgegeben werden könnten, und auch nicht, dass sich aus dem Zahlen von Studiengebühren Mitspracherechte ableiten ließen – vielmehr hielt ich eine KonsumentInnenlogik hier für schädlich.
: Haltet ihr Form und Inhalte der Proteste für angemessen? Agatha: Die geäußerte Kritik an der Umsetzung des Bologna-Prozesses und an der Unterfinanzierung der Hochschulen halte ich für richtig, und es war höchste Zeit, dass dies durch die mediale Aufmerksamkeit endlich auch in der breiten Öffentlichkeit thematisiert wurde. Auch wenn ich selbst mit besetzt habe, denke ich, dass das Besetzen von Hörsälen eine ungeeignete Protestform ist, um unsere Forderungen durchzusetzen. Tilman: Dass Bologna bei gänzlicher Überlastung und Unterfinanzierung kostenneutral und reibungslos umsetzbar wäre, ist nicht realistisch. Dass Studierende deswegen protestieren, ist konsequent und richtig. Ob es dazu sinnvoll ist, einen Hörsaal zu besetzen, Hinweisschilder auf Ausweichorte zu dulden und den Raum freizugeben, wenn der Präsident darum bittet, weiß ich nicht.
: Was hättet ihr anders machen wollen? Agatha: Während viele Studierende nur einige Veränderungen in ihrer Prüfungsordnung forderten, wollten andere das komplette Bildungssystem reformieren. Durch diese Uneinigkeit in der Reichweite der Ziele hat der Protest viel an Kraft eingebüßt. Ich hätte mir gewünscht, dass die Frage, welche Bedeutung Bildung für uns persönlich und für die Gesellschaft hat, in unseren Diskussionen mehr im Mittelpunkt gestanden hätte. Tilman: Angesichts der Aussichtslosigkeit der Situation hätte ich mir etwas mehr Entschlossenheit – vor allem in den Forderungen gewünscht.
: Welche positiven Resultate könnt ihr aus dem Streik ziehen? Agatha: Viele Studenten wurden durch den Streik politisiert. Und auch wenn nur wenige Forderungen der Studenten in Bamberg tatsächlich von der Hochschulleitung umgesetzt wurden, hatten wir doch zumindest kleine Erfolge. Tilman: Ich denke schon, dass der Streik zur Senkung der Studiengebühren beigetragen hat. Es ist auch nicht zu gering zu schätzen, dass sich vor allem viele Bachelor-Studierende konkret zu ihren Studienordnungen geäußert haben und diese auch angehört wurden. Außerdem hat die Auseinandersetzung mit der eigenen Situation bei einigen Studierenden zu einer Politisierung geführt, die ich nicht zu gering schätzen möchte.
: Wie muss es nun weitergehen? Agatha: Der lange Weg durch die Hochschulgremien ist sicherlich eine Möglichkeit, um unsere Ziele bezogen auf unsere Uni umzusetzen. Aber für die wirklich wichtigen Forderungen, und zwar die, die am gesamten Bildungssystem ansetzen und auf Landes- und Bundesebene entschieden werden, müssen wir weiter andere Wege gehen. Tilman: Gar nicht. Vielleicht wäre es sinnvoll, die Debatten in der Studierendenschaft und dem Rest der Uni fortzusetzen.
Interview: dsch
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