Die Nigerianerin Precious lebt im Asylheim an der Breitenau. Sie hat einen Traum: In Bamberg bleiben und einen sozialen Beruf erlernen. Vorerst besteht ihr kleines Glück in einer eigenen Nähmaschine und einem Nähkurs, wozu sie über die Initiative „Freund statt fremd“ kam. Als wir mit dem Auto auf den Hof fahren, erwartet uns Precious schon. Mit einem strahlenden Lachen kommt die Nigerianerin uns entgegen. Wir laden die Nähmaschine aus dem Kofferraum und ihre Augen glänzen noch mehr: „Oh, Singer – Singer ist gut“. Von Nähmaschinen-Marken scheint sie schon eine Ahnung zu haben. Während wir gemeinsam das gute Stück, das zwanzig Jahre lang ein unbeachtetes Dasein in einem Bamberger Abstellraum fristete, ins Asylbewerberheim tragen, betont Precious immer wieder: „Oh, eine eigene Nähmaschine, geschenkt – wie schön“. Ihr kleines Glück mit der Nähmaschine verdankt die 39-jährige Schwarz-Afrikanerin mit den kurzen krausen Haaren und dem immer so offenherzigen und fröhlichen Lachen auf den Lippen der Bamberger Initiative „Freund statt fremd“ (siehe Kasten). Als vor kurzem bekannt wurde, dass aufgrund eines größeren Zustroms an neuen Flüchtlingen demnächst bald mehr Asylsuchende in Bamberg unterzubringen sind, rief die GAL dazu auf, dass sich mehr BambergerInnen engagieren, um ihnen in ihrem Alltag und bei ihrem Zurechtfinden in der für sie fremden Stadt und Gesellschaft zu helfen. Auf diese Weise wurde die bestehende Inititiative „Freund statt fremd“ erweitert und bekam neuen Schub. Dass Precious nun dabei ist, nähen zu lernen, ist eine Folge davon. Nicht verlegen, ihre Wünsche zu äußern, brachte sie ihr Anliegen vor und kam damit in eine Rundmail der GAL. Kurz darauf erklärte sich ein Bürger bereit, ihr einen Nähkurs beim Mütterzentrum Känguru zu spendieren, und dann meldete sich die Besitzerin der Nähmaschine, die sich freute, mit dem so lange ungenutzten Gerät eine so große Begeisterung entfachen zu können. Ruhelos, depressiv Für Precious bedeutet dieses Nähen mehr als nur Nadel und Faden durch ein Stück Stoff zu jagen. Es ist eine Perspektive, ein Lebensziel. 2003 kam sie von Nigeria nach Bamberg, war eine Zeit lang in Irland, musste dann aber wieder nach Deutschland zurück, weil sie hier ihren ersten Asylantrag stellte. Im Asylbewerberheim hielt sie es nur schwer aus, war ruhelos und depressiv, verschwand immer wieder, schlug sich auf eigene Faust durch und kroch irgendwo unter. Seit Mai dieses Jahres wohnt sie wieder fest in der Unterkunft an der Breitenau in Bamberg und wirkt quirlig, aber nicht mehr wie ein getriebener Mensch. Ihr kleines Zimmer duftet nach einem künstlichen Raumaroma, hat eine kleine ganz einfache Küchenzeile, Klo und Dusche. Ein Bett und ein Schrank stehen darin, ein altmodischer Sessel und ein Fernseher. „Geschenke oder vom Sperrmüll“, sagt Precious. Und ein kleines Tischchen, das für die Nähmaschine vorgesehen ist. Flucht wegen Angst vor alltäglicher Gewalt Nach Nigeria will sie „nie wieder zurück“, sagt Precious. Sie schildert die große Kriminalität in ihrem Heimatort, der kleiner als Bamberg ist. Kidnapping, Diebstahl und Gewalt jeden Tag. Viele Mordopfer. Bandenkriege. Hohe Arbeitslosigkeit. „Am Tag werden Menschen auf der Straße einfach getötet. Wir hatten immer Angst.“ Mit ihren Geschwistern hat sie dort gelebt, eine arme Familie, ihre Eltern sind beide schon gestorben. Von ihrer Kindheit weiß Precious offenbar keine glücklichen Geschichten zu erzählen, ihr sonst so zuverlässig sonniger Gesichtsausdruck verdüstert sich. An dem Nachmittag der Nähmaschinen-Lieferung erklärt sie mit Bestimmtheit, in Bamberg bleiben zu wollen, wo es ihr jetzt gut geht. Wo sie viele Bekannte hat, die ihr weiterhelfen, etwa wenn sie zum Arzt muss, mal ein Deo braucht (das zur staatlichen Versorgung für Asylsuchende nicht gehört) oder ihr auch mal jemand eine Packung Basmati-Reis schenkt (denn das ist ihr absolutes Lieblingsessen). Nähen – das ist für Precious eine sinnvolle Beschäftigung. Denn als Asylbewerberin darf sie nicht arbeiten, vom Staat ist ihre Integration nicht erwünscht. „Warum ist das so?“, fragt sie mich bei unserem Gespräch. Sie würde sich gerne um andere Menschen kümmern, einen sozialen Beruf erlernen, und mit ihrem sympathischen fröhlichen Wesen kann man sich das auch gut vorstellen. Ich denke an den Pflegenotstand in deutschen Altenheimen, wo Menschen wie sie ein Segen wären – und ich kann ihre Frage beim besten Willen nicht beantworten. Staat erlaubt weder Arbeit noch Deutschkurs Obwohl sie sich nach all den Jahren schon ziemlich gut auf Deutsch verständigen kann, besucht Precious den neu initiierten Sprachkurs von „Freund statt fremd“. Pfarrer Buchstädt von der evangelischen Auferstehungskirche stellt dafür unkompliziert einen Raum im Gemeindezentrum zur Verfügung. Zusammen mit anderen MitbewohnerInnen aus der Breitenau kann Precious dort an zwei Nachmittagen in der Woche Deutsch lernen – ehrenamtlich organisiert von „Freund statt fremd“. Die einzige Chance für die Breitenau-BewohnerInnen, denn der Staat finanziert für AsylbewerberInnen keine professionellen Sprachkurse und von 40 Euro Taschengeld im Monat lässt sich das auch nicht aus eigener Tasche bezahlen. Aber Precious will hier Fuß fassen, sie will hier bleiben, sie will sich hier nützlich machen. Ob Deutschland ihr die Chance dafür geben wird, ist offen. Asylsuchende aus Nigeria bekommen nicht leicht Asyl gewährt. „Die Deutschen verstehen nicht, wie es dort ist“, klagt Precious und erneut schildert sie die Angst und die Hoffnungslosigkeit, die sie dazu brachten, ihre ganze Familie zu verlassen, zu der sie seit Jahren nur noch telefonischen Kontakt hat. Als ich nach unserem Gespräch gehe, nimmt sie mich in ihrer herzlichen Art in den Arm und bedankt sich noch einmal mit einem strahlenden Lachen. Die jahrzehntealte Nähmaschine steht indes auf ihrem Sperrmüll-Tischchen und wartet auf ihren ersten Einsatz – eine Nähmaschine, die Halt gibt und Lebensmut. sys
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