Hier leere Wohnhäuser auf dem Konversionsgelände, die zu verrotten drohen – dort Wohnungsmangel, der sich in der Flüchtlingsnot am krassesten zeigt. Ein Irrsinn, der dringend beendet werden muss. Denn es ist Platz genug für alle da. Am 12. September hat die US-Army ihr Gelände in Bamberg endgültig verlassen. Nach einer Übergangszeit, in der letzte Instandsetzungs- und Übergabearbeiten vonstatten gehen, wird im Dezember das Eigentum an allen Flächen und Gebäuden samt Inventar an den Bund übergehen, genauer an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA. Neben den nahezu unbebauten Flächen Schießplatz, MUNA (siehe dazu Seite 3) und Sonderlandebahn umfasst das bebaute Areal insgesamt 2500 Wohneinheiten, bis vor kurzem genutzt, teilweise frisch saniert. Einst haben bis zu 8000 Menschen hier gewohnt. Am Rande dieses Konversionsgebiets sind Asylsuchende in einem Mehrfamilienwohnhaus an der Geisfelderstraße in drängender Enge untergebracht. Es war einmal von Army-Angehörigen mit ihren Familien bewohnt und liegt verlassen und abseits. US-Wohnhäuser warten auf Bewohner Ein Besuch auf dem noch abgeriegelten US-Gelände in den letzten Septembertagen gestaltete sich wie ein Ausflug in eine außerirdische Welt. Die Mannschaftsgebäude sind menschenleer, nicht möbelleer: Soldatenzimmer mit Bett, Stuhl, Schreibtisch, Sofa; komplett eingerichtete Gemeinschaftsküchen samt Mikrowelle, Tischen und Stühlen. Gleich nebenan in der „Flynn family housing area“ scheinen sich die Wohnblocks nach Neubezug regelrecht zu sehnen. Die Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen sind besenrein verlassen worden, sie haben Balkon und eine Einbauküche, in nahezu jedem Zimmer sind Einbauschränke. Die Briefkästen vor der Türe warten nur auf neue Namensschilder. Doch genau das Gegenteil ist geplant: Wenn die BImA das Gelände übernimmt, werden alle Vorsorgungsleitungen gekappt: kein Strom, kein Wasser, keine Heizung (mit wenigen Ausnahmen). So etwas hält ein Gebäude nicht lange aus: ungeheizt werden die Hauswände im Winter Schaden nehmen, Wasserleitungen werden verkeimen und sind dann unbrauchbar. Schon jetzt verwildern die Grünflächen mit ihren ideenreichen Spielplätzen, wachsen Wege und Straßen zu. Keine 7 qm pro Flüchtling Szenewechsel: In der Geisfelderstraße drängen sich in einer Wohnung von 60 bis 70 Quadratmetern zehn Menschen. Zehn junge syrische Männer teilen sich eineinhalb Zimmer mit Stockbetten als Schlafraum, die Küche mit angegliedertem Essbereich haben sie zu ihrem Aufenthaltsraum erkoren. Nebenan ist es schwieriger: Auch hier zehn Menschen auf engstem Raum. Aber es handelt sich um eine syrische Familie, ein armenisches Ehepaar und eine tschetschenische Familie. Drei Nationalitäten, drei Muttersprachen, zwei Religionen. Sie müssen in Zimmern leben, die nicht durch Türen von den anderen Räumen abgetrennt sind. Die syrische Mutter mit Sohn und zwei Töchtern hat deshalb notdürftig ihre Schränke so gestellt, dass sie die fehlende vierte Wand zur Küche ersetzen, die Schranktüren werden zur Ersatz-Zimmertür, sämtliche Küchengerüche bekommt die Familie dennoch ungemildert ab. Die individuelle Mindestwohnfläche von sieben Quadratmetern, die einem Flüchtling in Bayern zusteht (gerechnet ohne Bad, Küche, Flur), ist hier längst nicht gewährleistet. Dabei geht es den Flüchtlingen in der Geisfelderstraße vergleichsweise gut. Anderswo sind die Notunterkünfte abgeranzte Buden, Garagen, Zelte – und der Winter steht vor der Tür. Angesichts solcher Zustände haben im August 36 prominente BambergerInnen und Organisationen an die Verantwortlichen appelliert, Flüchtlinge nicht in Zelten und auf Betonboden hausen zu lassen, während in Bamberg sofort bezugsfertiger Wohnraum zur Verfügung steht. Fast 1800 Menschen haben den „Bamberger Asyl-Appell“ mit ihrer Unterschrift bekräftigt. Und inzwischen hat sich tatsächlich etwas getan. Demnächst sollen mehrere hundert geflohene Menschen in ehemaligen Häusern der US-Army unterkommen. Erst mal vorübergehend, wo genau und wie genau ist noch unklar. Stadtrat und Oberbürgermeister unterstützen diese Maßnahme – zum Glück. Auch stellten sich alle demokratischen Kräfte und gesellschaftlich relevanten Gruppen Ende Oktober gegen die Anti-Asyl-Demo, zu der neonazistische Kräfte außerhalb Bambergs aufgerufen hatten. Ein beeindruckendes mehrtausendköpfiges Bündnis der Bamberger Bürgerschaft hielt den rechtsextremen Stimmungsmachern entgegen: „Bamberg schützt Flüchtlinge“. Gemeinsame Interessen erkennen! Doch darf man sich nichts vormachen: Misstrauen gegen Flüchtlinge gibt es auch hier, das Gespenst vom Asylmissbrauch geistert auch in Bamberg durch die Köpfe, und es gibt das Gefühl: „Die nehmen uns was weg.“ Was das Konversionsgelände angeht, so stehen der Wohnraumbedarf der Asylsuchenden und der BambergerInnen nicht in Konkurrenz zueinander. Mit 2500 vorhandenen Wohnungen ist Platz genug für alle da. Vorübergehende Nutzungen (sowohl durch die einen als auch durch die anderen) machen noch keine langfristige Stadtplanung unmöglich, im Gegenteil. Sie würden den angespannten Mietmarkt in Bamberg entschärfen und die Bevölkerung durchatmen lassen, und sie würden dafür sorgen, dass die Gebäude nicht durch Leerstand Schaden nehmen. Es kann also gar nicht genug (gemeinsamen!) Druck auf das Konversionsgelände und die BImA geben! Flüchtlinge und Einheimische stehen in diesem Kampf auf derselben Seite! sys
|