Gestern und heute - 30 Jahre GAL im Stadtrat

Die GAL steht nun seit 30 Jahren für grün-alternative Politik im Bamberger Stadtrat. Unser jüngstes Fraktionsmitglied Tobias Rausch ist genauso alt. Grund genug für ihn, nach den Ursprüngen der GAL zu fragen, dem damaligen Geist nachzuspüren und zu schauen, was sich im Laufe der Zeit verändert hat.

 

Im Fraktionsarchiv bin ich fündig geworden. So sah das damals also aus, als das bunte Sammelsurium aus Grünen und Alternativen 1984 seinen ersten Stadtratswahlkampf bestritt: Als Wahlplakat eine Karikatur der etablierten Lokalpolitiker mit der Botschaft, die GAL müsse den Einzug in den Stadtrat schaffen, „damit man draußen weiß, was drinnen los ist“.

Beim Lesen des dazugehörigen in Rot (!) eingebundenen Wahlprogramms merkt man allerdings, dass damals vor allem bundes- und weltpolitische Themen die GALlierInnen bewegt haben. „Es diente der Selbstverständigung der unterschiedlichen Gruppen, die sich unter der Bamberger Alternative zusammengefunden haben“, erinnert sich Gerd Rudel, GALlisches Urgestein, mit dem ich Rückschau halte. Das Kommunalwahlprogramm sei aber auch ein Signal an die Wählerinnen und Wähler gewesen: „So sehen wir uns, das ist unsere Einstellung – und wenn ihr das gut findet, dann gebt uns eure Stimmen.“

Beschimpfung als „Dogmatische Fundamentalisten“

Die Mission „GAL in den Stadtrat“ scheint erfolgreich gewesen zu sein: Rudi Sopper, Peter Gack und Gottfried Karl bildeten die erste grün-alternative Fraktion in Bamberg. 30 Jahre und 5 Legislaturperioden später ist die GAL mit acht Fraktionsmitgliedern die drittstärkste kommunalpolitische Kraft in Bamberg – und in Stadtrat und Bevölkerung lang nicht mehr so umstritten wie die von einem heute noch amtierenden Stadtrat 1985 überzogen als „dogmatische Fundamentalisten“ bezeichnete erste Fraktion.

Fundamentalopposition – das stimmte schon damals nicht so wirklich und heute umso weniger. Geblieben ist aber das kritische Nachfragen, wenn Dinge unklar erscheinen oder wenn Informationen zum Entscheiden nicht ausreichen. Die Finger in Wunden legen und immer wieder nachbohren – auch wenn in der Sitzung in den Bänken der anderen Fraktionen auch mal mit den Augen gerollt wird. Böse Zungen behaupten, die Sitzungen wären kürzer, gäbe es uns nicht im Stadtrat – diese These hat sich über Jahrzehnte gehalten.

„Das kannte der Stadtrat vorher gar nicht – dass plötzlich unbequeme Fragen und Anträge gestellt wurden“, verrät mir Gerd, der zu dieser Zeit Fraktionsgeschäftsführer war. Er erzählt von den ersten Haushaltsberatungen mit GAL-Beteiligung, bei denen von der GAL 50 Anträge gestellt wurden um zu zeigen, dass andere Haushaltsansätze nötig und möglich wären. Sehr zum Missfallen der etablierten Räte, die die Beratungen gerne einfach möglichst kurz und schmerzfrei hinter sich gebracht hätten, so wie das halt schon immer war. Deswegen ging das damals wohl auch ‚mit allen Stimmen gegen die GAL‘ aus. Passiert heute auch und ist meist auch abzusehen.

GAL-Pinnwand vergisst keinen Antrag

Das hält uns aber natürlich nicht davon ab, unsere Vorstellungen von Stadtpolitik in Anträge zu packen und dafür zu sorgen, dass sie ihren Weg durch die Verwaltung in den Stadtrat finden. Das erfordert manchmal Nachdruck – und ständiges Mahnen, wenn‘s uns zu lange dauert. Es macht ja sonst keiner. Aktuell hängen zehn Zettel an unserer Pinnwand mit von uns gestellten, aber noch nicht behandelten Anträgen. Und bevor die grünen Zettel dort zu sehr vergilben, trauen wir uns auch vor Gericht zu ziehen, damit ein Antrag endlich behandelt wird – so 2014, als es um einen Antrag zum öko-sozial fairen Beschaffungswesen der Stadt ging.
Apropos trauen: Auch das gehört für mich schon immer zur GAL. 1991 erschien eine GAL-Zeitung unter dem Titel Warum Paul Röhner gehen sollte. Darin wurde der Rücktritt des damaligen Oberbürgermeisters gefordert, der aufgrund seines Gesundheitszustands zunehmend unfähig war, sein Amt ordnungsgemäß zu führen. Die GAL hat sich als einzige getraut, offen und ehrlich ein Tabu anzusprechen, das von Medien und Stadtrat vorher jahrelang mit Schweigen begleitet wurde. Trotz großem Wirbel, der damit ausgelöst wurde, war es letztlich zwar nicht erfolgreich. „Die Art und Weise, wie wir mit dem Thema umgegangen sind, hat uns in der gesamten Bevölkerung auch Sympathiepunkte eingebracht“, ist sich Gerd sicher.

Frösche und Damenwahl – kreativ und wortspielerisch

Beim weiteren Wühlen im Archiv fällt mir noch Material aus Ursula Sowas „Damenwahl“-Kampagne zur OB-Wahl im Jahr 2000 in die Hände. Kreative Wortspiele scheinen beliebt zu sein in grünen Wahlkampf-Gruppen und die forschen Frösche in diesem Jahr standen in dieser Hinsicht quasi in einer bewährten Tradition. Genauso wie der Frosch, der die im Wahlkampf allgegenwärtigen „Starken“ Wortspielereien frech aufs Korn nahm.

Spannend war für mich auch der Fund der Frauenwahlprogramme zu den Stadtratswahlen 1984 und 1990 unter dem Motto Frauen wählen. GAL (schon wieder ein Wortspiel…). Der (abgewendete) Vorstoß von SPD und CSU zu Beginn der aktuellen Stadtratsperiode, man könne die Frauenkommission ja abschaffen, da diese bereits so viel bewirkt hätte und man gar nicht wisse, was man da noch bearbeiten könnte, zeigt, dass mit einer GALlisch-starken und beharrlichen Betonung von Frauenfragen in der städtischen Politik einiges bewirkt wurde. Der Einsatz dafür, die Frauenkommission doch nicht abzuschaffen, zeigt’s vielleicht noch mehr.

Über die Rückschau fällt mir das Gleichnis von den Zwergen auf den Schultern von Riesen ein. Diejenigen, die Anfang der 80er Jahre nach den jahrzehntelang geführten Theoriediskursen auch praktisch was bewegen wollten, haben den Grundstein dafür gelegt, dass auch ich heute immer noch was bewegen kann. Auch wenn das heute etwas anders aussieht als vor 30 Jahren.

Öffnet internen Link im aktuellen FensterTobias Rausch

   

Wahlplakat der neu gegründeten GAL zur Kommunalwahl 1984. Ergebnis: Drei neue grüne Stadträte
OB-Wahl 2000: Die GAL wirbt für Damenwahl
Kommunalwahl 2014: GAL-Banner und grüne Fröschlinge auf der Luitpoldbrücke