Flüchtinge werden mit illegalen Jobs und billigem Lohn abgespeist. Die gesetzlichen Regelungen fördern das geradezu. Sergey F. aus Armenien hat einige Erfahrung mit derlei Ausbeutung gemacht und freut sich jetzt endlich über eine ordentliche Arbeitsstelle. Die hat ihn dort getroffen. Sergey F. bei der Arbeit. Foto: Erich Weiß Ein Altbau mitten in der Bamberger Innenstadt. Unverputzte Wände, Ziegelstein, Sandstein, frei liegende Decken- und Bodenbalken aus altem knorrigem Holz. Das denkmalgeschützte Haus ist Jahrhunderte alt, hat eine lebhafte Baugeschichte auf dem Buckel, mit zahlreichen An- und Umbauten. Jetzt wird es von Grund auf renoviert. Es staubt heftig. Im Radio macht eine quiekende Stimme Werbung für irgendeinen Schokoriegel. Aber man kann das kaum hören, die Arbeiten sind laut hier. Sergey F.* kratzt mit seiner Schaufel geräuschvoll Sand vom Boden und befördert ihn in einen Plastikeimer. Vor dem Gesicht eine Atemmaske, auf dem Kopf einen kleinen Schlapphut. Das hier ist Drecksarbeit im wahrsten Sinne des Wortes. Heute Nachmittag, wenn er mit der Arbeit fertig ist, wird er eine ganze Zeit brauchen, um sich den Schmutz abzuwaschen. Aber er wird zufrieden sein, denn für ihn ist diese „Drecksarbeit“ die erste ordentliche Arbeitsstelle, nach der er sich seit langem sehnt. Traum vom richtigen Arbeitsvertrag Sergey kommt aus Armenien. Zusammen mit seiner Frau Elina* hat er in Deutschland Asyl beantragt, das war vor vier Jahren. Seine Erfahrungen am deutschen Arbeitsmarkt in dieser Zeit sind weit entfernt von dem, was er jetzt ergattern konnte. Sergey wird in den nächsten Monaten auf der Baustelle Abbrucharbeiten erledigen und Auftragsfirmen zuarbeiten, er ist seit zwei Wochen als einer von drei Bauhelfern für 50 Stunden im Monat angestellt und wird bei Bedarf eingesetzt. Er hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit offizieller Beschäftigungserlaubnis von der Ausländerbehörde, und er verdient mehr als doppelt so viel wie bei allen Jobs, die er bisher hatte. Und das waren schon einige. Wenn Sergey und Elina, die sich als ausgebildete Deutschlehrerin besser als ihr Mann verständlich machen kann und unser Gespräch dolmetscht, davon berichten, sind beide zugleich enttäuscht, empört und im Innersten verletzt. Denn sie kennen beide den Arbeitsmarkt als „Markt der leeren Versprechungen“. Auf Baustellen hat Sergey schon mehrfach gearbeitet, für 8 Euro die Stunde, eine Woche oder ein paar Tage lang. Immer wurde ihm zugesagt, dass er bei guter Leistung eine Festanstellung mit richtiger Erlaubnis bekommen würde. Aber Fehlanzeige. Jedes Mal hieß es nach kurzer Zeit, er würde nicht mehr gebraucht. Schwarzarbeit beschämt Dass Sergey dabei schwarz gearbeitet hat, ist der Grund, warum das Ehepaar anonym bleiben möchte. „Mein Mann ist immer mit Angst zur Arbeit gegangen. Wir wussten ja, dass das nicht legal ist. Aber wir hatten immer Hoffnung. Mein Mann will von ganzem Herzen arbeiten“, sagt Elina. Und dabei kommen ihr die Tränen. Sie schämt sich, sagt sie. Dass die Situation so ist, wie sie ist. Obwohl sie dafür gar nichts kann. Auch über die illegalen Arbeitsgelegenheiten waren sie letztendlich froh, und andere Flüchtlinge sind es auch. Doch eine Perspektive ist das nicht. Asylsuchenden wird es auf dem Arbeitsmarkt enorm schwer gemacht. Und das System öffnet der individuellen Ausbeutung Tür und Tor. Dass Sergey jetzt einen würdigen und legalen Arbeitsplatz gefunden hat, ist ein Glücksfall für den Mittfünfziger: „Gute Chefin“ sagt er über seine Arbeitgeberin, und sogleich wird er von dieser ermahnt, auch ja seinen Mundschutz zu tragen. Für Baustellenleiter kann die Beschäftigung von Flüchtlingen als Schwarzarbeiter ziemlich lukrativ sein, erklärt sie uns. Sie stellen dem Auftraggeber einen doppelt oder dreimal so hohen Stundenlohn in Rechnung wie sie an die illegal Beschäftigten auszahlen, den Differenzbetrag stecken sie in die eigene Tasche. Erst Probearbeit, dann „Tschüss“ Während bei Sergey die mangelnden Sprachkenntnisse ein immerhin nachvollziehbares Problem bei der Arbeitssuche darstellen, geht es der gut Deutsch sprechenden Elina damit aber auch nicht viel besser. Im Moment hat sie einen Küchenjob mit Mindestlohn in einem Bamberger Imbiss. Ehrenamtlich (also ohne Bezahlung) ist sie außerdem in einem Seniorenheim tätig und macht für eine Sozialberatungsstelle anfallende Übersetzungsarbeiten für Armenier. Sie ist fleißig, will etwas tun, etwas Sinnvolles. Aktuell hofft sie auf eine Ausbildung als Altenpflegerin, die ihr ab September angeboten wurde und wofür sie nun auf Genehmigung wartet. Doch auch Elina kann schon zurückblicken auf tagelanges Probearbeiten ohne Bezahlung und dann ein lapidares „Tut uns leid, wir können Sie doch nicht mehr gebrauchen“. Gesucht haben Sergey und Elina sich bisher alle Tätigkeiten selbst, geholfen hat ihnen dabei keine staatliche Stelle, allenfalls persönliche Kontakte haben etwas gebracht, und Hanna J.*, ihre ehrenamtliche Patin vom Verein „Freund statt fremd“ konnte unterstützen. Sie weiß, wie wichtig eine ordentliche Arbeit auch für das Selbstgefühl ihrer beiden Schützlinge ist und wie niederschmetternd die wiederholten Erlebnisse der Ausbeutung sich auf ihr ganzes Leben auswirkten. Hohe Arbeitsmotivation bei Flüchtlingen „Dabei ist die Motivation bei Asylsuchenden oft besonders hoch“, weiß sie. Dass ihre Bereitschaft – gerade auch für Tätigkeiten, die bei Einheimischen eher unbeliebt sind – nicht besser genutzt, geschätzt und entsprechend gefördert wird, verstehen Hanna J., Sergey, Elina und die Managerin der Baustelle nicht. Auch das Sprachproblem sehen sie nicht als so groß an. „Mit der Arbeit deutsch lernen, gerade das ist effektiv“, meint Hanna J. Und unüberwindliche Verständigungsschwierigkeiten hat es auf der Baustelle offenbar noch nicht gegeben. „Mein Mann arbeitet immer wie ein Wilder“, sagt Elina stolz und dankbar, und die Chefin des so Gelobten lächelt zustimmend. Sergey selbst ist glücklich. Für ihn scheint es tatsächlich der erste Job zu sein, bei dem er anständig behandelt und bezahlt wird. Deshalb kommt er auch morgen wieder pünktlich zum Arbeitseinsatz. Dann wird er in aller Früh aufstehen, so erzählt uns seine Frau schmunzelnd, und mindestens eine Stunde lang unruhig auf die Uhr sehen, bis er endlich losziehen kann, zu „seiner Arbeitsstelle“, zu Schlapphut, Schaufel, Staub – und den unausweichlichen „bitteschön Mundschutz“-Ermahnungen der Baustellenleiterin. * Alle Namen von der Redaktion geändert. sys |