Weniger Arbeit versprechen sich Hausbesitzer, wenn sie ihren Garten mit einer Steinschicht abdecken. Auch die Stadt umgibt viele Stadtbäume mit Vulkanschotter, um Pflegekosten zu sparen. Damit werden aber wichtige urbane Lebensräume für Pflanzen und Tiere zerstört und auch das Stadtklima negativ beeinflusst. Der Vorgarten ist sauber, Kinderfaustgroße Kieselsteine liegen ordentlich nebeneinander, womöglich in farblichem Muster angeordnet, keine Erde zu sehen. Säuberlich eingepasst zwei, drei immergrüne Pflanzen oder Gräser. Keine Chance für Wildkräuter, heimische Pflanzen, Käfer, Bienen oder Vögel. Der Trend zu sterilen (Vor-)Gärten und versteinerten „Grün“-Anlagen nimmt zu und jagt Naturschützern einen Schauer über den Rücken. „So ein Garten hat Null Komma Null ökologischen Wert“, weiß Barbara Stark vom bundesweit aktiven Naturgarten e.V. „Auch wenn die Gartenbesitzer das gar nicht böse meinen, sie schaden der Natur in der Stadt dramatisch.“ Denn auch kleine Gärten und Vorgärten, sogar Verkehrsinseln und Baumscheiben bilden „grüne Punkte“ in der Stadt, wie Dr. Katharina Schmidt von der Nabu-Geschäftsstelle Hamburg formuliert. Sie können so genannte ökologische Trittsteine sein und spontane Besiedelung von vielfältigen Pflanzen und Insekten ermöglichen, eben von Punkt zu Punkt. Auch für das Stadtklima haben solch kleine Flächen eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung, betont man beim Naturschutzbund Deutschland e.V. in Berlin: Sind sie mit Steinen zugeschüttet, heizen sie sich im Sommer auf, speichern die Hitze und strahlen sie wieder ab. Das forciert die Klimaveränderung in den Städten. „Lazy Gardening“ gefährdet Klima und Biodiversität Während also Städteplaner dazu aufrufen, Kaltluftschneisen zu erhalten, unnötige Bodenversiegelungen zu vermeiden, mehr Bäume, bewässerte Grünflächen und großräumige Parks zu planen und Baumaterialien zu verwenden, die wenig Energie speichern bzw. reflektieren, macht sich der kleine Gartenbesitzer gerade ans Gegenteil. Und während Naturschützer im Namen der Biodiversität dazu aufrufen, der Artenvielfalt von Pflanzen, Tieren und Ökosystem Lebensraum zu sichern, wird genau dies in unseren Gärten um der Sauberkeit willen zunichte gemacht. Wobei man differenzieren muss: Ein standortorientierter Steingarten mit Erde und Humus für heimische Pflanzen und dadurch auch mit Nahrung und Lebensraum für Tiere kann ökologisch höchst wertvoll sein, betont Barbara Stark. Das ist dann aber kein „abwischbarer“ Garten mehr, wie ihn viele Häuslebauer neuerdings offenbar wünschen. Doch geht die Rechnung der Kies- und Schotterliebhaber auf? „Lazy Gardening“ wird versprochen, wenn man seinen Garten mit Steinen abdeckt. Ein Vlies oder eine Folie unter der Steinschicht lässt kein Unkraut durch, so dass Unkrautjäten wegfällt. Rasenmähen kann man sich ebenso sparen wie Düngen und Blütenzupfen, und häufiges Gießen im Sommer auch. Andererseits fallen auch Blätter und Grünzeug von anderswo her auf die versteinerten Flächen, das muss abgesammelt oder per Laubbläser entfernt werden, sonst bildet sich Humus und zieht doch wieder Unkraut an. Moos kann entstehen. Und poliert schaut der Kies auch nicht jahrelang aus. Barbara Kraft plädiert deshalb für den naturnahen Garten, „weil der ebenfalls wenig Arbeit macht, auch wenn es ganz ohne beim Gärtnern halt nicht geht“. Denn: „Heimische Standortpflanzen brauchen kaum Pflege. Was viel Arbeit macht, sind die standortfremden, gezüchteten Pflanzen.“ Wer seinen Garten so plant, dass er zum Boden und zur Umgebung passt, spart sich Geld für Nachpflanzungen wegen Ausfällen, Gießwasser und Gießzeit, aufwändige Pflegearbeit – und hat dennoch ein Stück Natur geschaffen und zur Artenvielfalt beigetragen. Stein-Baumscheiben sind sauber, aber lebensfeindlich Genau das – Artenvielfalt – ist eigentlich auch das Ziel der Stadt Bamberg, die 2010 dem Bündnis „Kommunen für biologische Viefalt e.V.“ beigetreten ist und eine kommunale Biodiversitätsstrategie entwickelt hat. Doch leider handelt man auch hier teilweise diametral entgegen den eigenen Prinzipien und folgt dem steinigen Modetrend: 30% aller städtischen Baumscheiben (also die kleinen oder größeren Flächen rund um die Straßenbäume) wurden in den letzten Jahren mit einem Vlies versehen und mit Lavasteinen aufgeschüttet. Das Gartenamt ist überzeugt von seinem Tun: keine Bodenverschlämmung der Baumscheiben, kein Unkrautjäten, Hacken und Mähen mehr erforderlich, weniger Hundekot, besseres Bewässern der Bäume – und: die Bevölkerung wolle „saubere“ Flächen. Doch auch Baumscheiben sind wichtige innerstädtische Grüninseln und zählen für die Biodiversität und den Klimaausgleich ebenso wie kleine Gärten, betont Marion Ruppaner vom Bund Naturschutz Bayern. Dass man auch sie naturnah und wenig pflegeintensiv gestalten kann, weiß Barbara Kraft aus Erfahrung. Sie ist selbst Grünflächenplanerin und dabei durchaus pragmatisch eingestellt. Sie bevorzugt für Baumscheiben oder Verkehrsinseln eine spezielle Sand-Kies-Ton-Mischung als Baumsubstrat und die Pflanzung heimischer Wildkräuter. Als Pflege seien im ersten und zweiten Jahr vier Termine nötig, später weniger, und pro Quadratmeter ein paar Minuten. „Natürlich braucht man dafür Personal mit differenzierteren Kenntnissen“, so die Fachfrau, „bloß Mähen oder einfach alles rausrupfen ist einfacher.“ Doch ihr Konzept zeigt: Alternativen sind möglich. Und solche Miniflächen in der Stadt können ein ökologisches Netz bilden, das den Pflegeaufwand gering hält und doch die Artenvielfalt stützt, die sich Oberbürgermeister und Politik am Rednerpult so gerne ans Revers heften. sys
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