„Der Kitt dieser Gruppe ist action. Man macht überall mit. Hauptsache Rabatz.“ Im vergangenen Oktober hob die Polizei ein Waffen- und Sprengstofflager des Bamberger Kreisverbands der Partei „Die Rechte“ aus. Die ? befragte dazu Martin Becher, den Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus, und gewann überraschende Einblicke in den recht sonderbaren Charakter der örtlichen Szene. : Haben Sie mit solchen Funden gerechnet oder waren Sie überrascht? Becher: Dass der Bamberger Kreisverband von „Die Rechte“ gewaltbereit ist, wusste ich natürlich. Denn Angriffe auf das Balthasar und Schlägereien auf der Straße mit Antifaschisten waren ja bekannt. Das Ausmaß dieser Funde hat mich aber dann doch schockiert. Damit hätte Schlimmes passieren können. : Die Polizei konnte das also gerade noch rechtzeitig verhindern? Becher: Die Polizei hat genau zum richtigen Zeitpunkt gezielt zugeschlagen, ja. Und das wiederum war von langer Hand vorbereitet, was übrigens nicht selbstverständlich ist. Die Bamberger Polizei hat die teilweise gewalttätigen Aktionen der Rechten in Bamberg nie als Dumme-Jungen-Streiche abgetan, sondern hat die Szene immer genau beobachtet. Deshalb war sie über die Beschaffung des Sprengstoffs informiert und griff nun ein. Eine sehr professionelle Arbeit. Mitte November 2015, Demonstationszug zum Heldengedenken in Wunsiedel, mit ca. 230 Neonazis, darunter der Bamberger Kreisverband von "Die Rechte". Mit dem Text des Banners nehmen die Bamberger Neonazis eindeutig Bezug auf die kurz zuvor aufgrund der Sprengstofffunde verhafteten "Helden" aus den eigenen Reihen. Foto: Thomas Witzgall : Der Kreisverband Bamberg der Partei „Die Rechte“ wurde im März 2015 gegründet. Was sind das für Leute, und wie viele sind es überhaupt? Becher: Wie viele aktuelle Parteimitgliedschaften es hier gibt, darüber habe ich keine Informationen. Ich würde sagen, es sind so 15 bis 20 Aktive, darunter ein ideologischer Kern von ca. fünf Personen. Sie kommen vor allem aus Bamberg-Ost und dem Landkreis. Sie haben keinen akademischen Hintergrund. Und es sind nicht nur ganz junge Leute, es sind darunter Väter und Mütter von Familien. : Was meinen Sie mit: ideologischer Kern? Becher: Damit meine ich die Führungskräfte innerhalb der Gruppe. Es sind die, die Parteiämter übernehmen, auch überregional, die Kundgebungen anmelden, die für Strategie und Planung zuständig sind. Sie sind die ideologisch überzeugten und gefestigten Neonazis. Die anderen sind eher Mitläufer, aber ausgesprochen gewaltbereit. Um das zu verstehen, muss man wissen, wie die Bamberger Szene entstanden ist. : Wie ist also die Entstehungsgeschichte? Aus welchem Milieu kommt „Die Rechte“ in Bamberg? Becher: Interessanterweise – und das ist in Bamberg besonders – ist „Die Rechte“ nicht aus neonazistischen Tendenzen entstanden. Sie kommen aus der Hooligan- und Rockerszene, nicht wenige sind schon seit Jahren als gewalttätig in der Fanszene des FC Eintracht bekannt, erhielten dort auch Stadionverbot. Das heißt, die Leute kommen aus einem Milieu, in dem es vor allem um Gewaltaktionen ging, zweitrangig ist bzw. war, gegen wen. Politisiert wurde diese Szene erst vor ca. eineinhalb bis zwei Jahren, als zunehmend mehr Geflüchtete nach Deutschland kamen. Dann gab es erst eine Facebook-Seite gegen Asylsuchende in Hirschaid, dann eine in Bamberg, dann wurden politische Kundgebungen angemeldet usw. Festzuhalten bleibt aber die ungewöhnliche Reihenfolge. Üblicherweise schnappen Leute rechtes Gedankengut auf, klopfen dann erste fremdenfeindliche Sprüche, schmieren mal ein Hakenkreuz wohin und rutschen so langsam nach rechts und in Richtung Gewalt ab. Die Bamberger Rechten waren zuerst gewalttätig – polizeibekannt und mit etlichen Vorstrafen – und haben dann dazu eine rechte Gesinnung adaptiert. : Wie stark ist „Die Rechte“ in Deutschland bzw. Bayern? Becher: Wie gesagt, veröffentlichte Mitgliederzahlen gibt es nicht. „Die Rechte“ hat in Bayern mittlerweile vier Kreisverbände, in Nürnberg, München, Rosenheim und eben Bamberg. Dabei hatte man in Bayern eigentlich gar nicht mit einer solchen Parteigründung gerechnet. : Warum nicht? Becher: Ein wesentliches Gründungsmoment für diese Partei war eigentlich das Verbot der neonazistischen Kameradschaften in NRW und das Schwächeln der NPD, bei der mit einem Verbotsverfahren zu rechnen ist. Man wollte Alternativen schaffen. In Bayern hingegen war vor allem das Freie Netz Süd als Kameradschaft aktiv, als dessen politischer Nachfolger die neu gegründete Partei „Der Dritte Weg“ gilt. Eigentlich ging man also davon aus, dass die Claims zwischen Drittem Weg und der Rechten abgesteckt sind, Dritter Weg vor allem im Süden und Osten Deutschlands, die Rechten im Norden und Westen. : Das heißt, es ist hierzulande zu einer Konkurrenz der beiden neonazistischen Parteien gekommen? Becher: Ja, obwohl Bayern eigentlich als ein Kernland des Dritten Wegs gilt. Die Führungskader der Rechten setzen sich vorwiegend aus Leuten zusammen, die sich mit dem Dritten Weg oder der NPD zerstritten haben. Die sind sich spinnefeind. Es ist auch schon zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden rechten Lagern gekommen. Aber auch hier fallen die Bamberger wieder raus. : Inwiefern? Becher: Die Leute vom Bamberger Rechte-Kreisverband gehen auch zu Aktionen, die vom Dritten Weg organisiert werden – nach dem Motto: Hauptsache Rabbatz. Sie waren zum Beispiel als Bamberger Gruppe 2015 und 2014 in Wunsiedel beim „Heldengedenken“ dabei oder bei der 1. Mai-Demo in Saalfeld. Sie sind vor allem gewalt- und aktionsorientiert. Wo was los ist, wollen sie nicht fehlen, egal wer oder was dahinter steht. Der Kitt dieser Gruppe ist nicht in erster Linie Neonazismus, sondern schlicht „action“. : Besonders anschlussfähig für die Bevölkerung ist das aber nicht, oder? Becher: Genau. Deswegen ist die Bamberger „Rechte“ auch schon vielfach gescheitert. Sie haben es bislang – zum Glück – nicht geschafft, in merkbarem Ausmaß Sympathien bei der Bevölkerung zu erringen, was sich auch in der äußerst geringen Beteiligung an ihren bisherigen Demonstrationsaufrufen gezeigt hat. : Mangelt es also an Strategiefähigkeit? Becher: Eindeutig. Wie taktisch ungeschickt sich der Bamberger Kreisverband verhält, war jüngst auch in Stammheim in Unterfranken zu beobachten, wo die Landeszentrale der Partei mit dem Titel „patriotisches Zentrum“ eingerichtet werden sollte. Hier waren vor allem die Bamberger federführend und gingen ziemlich aggressiv gegen die örtlichen Nachbarn vor. Als es Gegenproteste unter dem Motto „Stammheim ist bunt“ gab, postete die Bamberger Rechte freudig auf Facebook ein Bild, auf dem brennende Banner mit diesem Motto zu sehen waren. Sie haben also alles getan, um die Leute vor Ort gegen sich aufzubringen. Da gehen andere Rechtsextreme intelligenter vor, z.B. als sie in Oberprex im Landkreis Hof einen Treff etablierten: Dort fragen die Neonazis die Nachbarn, ob sie auch nicht zu laut sind, oder ob parkende Autos stören, und kehren ordentlich die Straße, machen also auf brave biedere Mitbürger und sind um Akzeptanz in der Bevölkerung bemüht. Das haben die Bamberger offensichtlich nicht drauf. : Wie sehen Sie die Zukunft der „Rechten“ in Bamberg, besteht eine Bedrohung weiter? Becher: Für „Die Rechte“ in Bamberg ist nach den Bombenfunden nun mit mehreren Strafverfahren zu rechnen. Dass die Bamberger so leicht aufgeflogen sind, weil sie sich den Sprengstoff ins Haus haben liefern lassen, ist natürlich kein Ruhmesblatt und hebt auch nicht ihr Ansehen in der Szene. Der Ruf dürfte ruiniert sein. Auf der Homepage von „Die Rechte“ distanziert sich die „Schriftleitung“ bereits von den Vorkommnissen. Insofern ist die Frage, ob sie weitermachen und cleverer werden oder es künftig lieber sein lassen. : Und wie ist es mit anderen rechtsextremen Gruppierungen in Bamberg? Becher: Noch wenig wissen wir über „Die Identitären“. Sie kommen eher aus einem akademischen Milieu und sind auch an der Bamberger Uni aktiv. Dort hat man schon einige Aufkleber gefunden. Sie geben sich intellektueller, sie gilt es zu beobachten. Und dann gibt es natürlich noch die NPD mit ihrem Bezirksvorsitzenden und Landesgeschäftsführer aus Wachenroth. Diese Leute sind old school, haben z.B. in Aschbach zu einer Kundgebung gegen Asylsuchende gerade mal acht Leute auf die Beine gebracht. Hingegen kamen zu einem Konzert in Scheinfeld, zwar Mittelfranken, aber nahe Aschbach, das vom Umfeld der NPD organisiert wurde, immerhin ca. 1000 Personen. : Sehen Sie für eine Pegida-Bewegung in Bamberg oder in Bayern eine Chance? Becher: Bis jetzt hat es Pegida nirgends in Bayern geschafft, eine kritische Masse „besorgter Bürger“ zu erreichen, so dass dort Nazis hätten unauffällig mitlaufen können. Die Kundgebungen und Demonstrationen, die mit dieser Zielrichtung stattfanden, waren von vorneherein klar von Nazis dominiert und wirkten so auf die Bevölkerung abschreckend. Außerdem gab es in München, Nürnberg und Würzburg sehr engagierte Gegenproteste. Das alles gilt auch für Bamberg. Hier gibt es eine sehr aktive Szene gegen Rechts, voran das „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus“, das ein ganz breites Spektrum von Akteuren hat. Die Kultur- und Jugendszene ist hier ebenfalls sehr aktiv. Und Polizei und Stadtverwaltung sind sehr kooperativ. Ich sehe Bamberg in ganz Oberfranken am besten gegen Rechts aufgestellt. Interview: sys Banner als Gegenaktion in Wunsiedel, November 2015. Foto: Thomas Witzgall |