Mobilitätseingeschränkte Personen stoßen im Bamberger Straßenraum auf allerlei Hinderliches. Die begab sich auf einen „Stolper-Spaziergang“ mit zwei A.R.G.E.-Aktiven. Karola Kümmelmann zeigt mir die Stelle in der Nähe vom ZOB, wo sie kürzlich gestürzt ist. Der kleinteilig gepflasterte Weg schaut für mich eigentlich völlig unverdächtig aus, und schlecht zu Fuß wirkt Frau Kümmelmann auch nicht auf mich. Ich bin allerdings gut 25 Jahre jünger als meine Begleiterin, die Jahrgang 1940 zählt. „Wissen Sie“, erklärt sie mir, „wenn man älter wird, hebt man seine Füße beim Gehen halt nicht mehr so hoch, dann bleibt man an kleinen Unebenheiten leichter hängen – und fällt hin.“ Irgendeine unauffällige Kante hat sie wohl zu Fall gebracht. Der Dritte im Bunde unseres Stolper-Spaziergangs durch die Bamberger Innenstadt ist Wolfgang Budde, der Vorsitzende der A.R.G.E. (Arbeitsgemeinschaft Älterer Bürger Bambergs), bei der auch Karola Kümmelmann aktiv ist. Er bringt mir einen weiteren Aspekt näher: „Im fortgeschrittenen Alter kann man mit Überraschungen schlechter umgehen, man ist nicht mehr so geschickt und variantenreich im Ausweichen und Auffangen von Unwägbarkeiten. Ein Schritt zurück auf eine lose Gehplatte kann dann schon fatal sein.“ Es geht also gar nicht so sehr um fette Schlaglöcher, große Lücken im Pflaster oder drei Zentimeter hohe Absenkungen von Gehwegrissen. In solchen Fällen nämlich wird die Stadt tätig, wenn sie die Risikostellen entdeckt oder Hinweise erhält, und der Entsorgungs- und Baubetrieb repariert die Schäden. Andernfalls könnte die Kommune in Regress genommen werden, wenn sich jemand tatsächlich deswegen verletzt. Gefahren lauern aber auch viel unscheinbarer. Auf vielen Fußwegen in Bamberg geht Karola Kümmelmann „nur noch mit den Augen am Boden“, in der Friedrich- oder Kapuzinerstraße zum Beispiel. Dort sind immer wieder Pflastersteine locker und wackeln beim Auftreten. „Das fühlt sich instabil an und erschreckt mich jedesmal“, sagt die aktive Seniorin, die es sich aber keinesfalls nehmen lassen will, in der Stadt zu Fuß unterwegs zu sein. Auch Bodenwellen oder Baumwurzeln, die den Pflasterbelag anheben, bringen Unsicherheit und lassen den Blick am Boden kleben. Für Leute mit Rollator oder Rollstuhl gibt es noch mehr Hürden, schildern mir Budde und Kümmelmann. In der Fußgängerzone erschweren breite, unverfugte Rillen zwischen den Kopfsteinpflastersteinen das Vorwärtskommen. „Und wer hier einen Rollator schieben muss, dessen Arme sind von einem beständigen Holpern belastet, was auf Dauer schmerzhaft ist“, sagt Wolfgang Budde. Oder die Absenkungen an Gehwegen zur Straße hin – sie sollen Autos die Ein- und Ausfahrt zu einem Grundstück erleichtern, Passanten mit rollender Gehhilfe hingegen machen sie oft das Leben schwer, weil der Rollator abwärts in den Rinnstein driftet. Ach ja, Rinnsteine, auch die ein Paradebeispiel dafür, wie leicht man mit Rollstuhl & Co. mitten im Verkehr festhängt. Aber Karola Kümmelmann und Wolfgang Budde wollen nicht den Eindruck erwecken, nur zu nörgeln. Sie haben auch Positivbeispiele parat und wollen damit zeigen, dass es anders geht, wenn man will und gut plant. Den Streifen mit gesägten, also glatten Pflastersteinen, der sich durch die Fußgängerzone zieht und bald auch in der Keßlerstraße verlegt wird, finden sie sehr hilfreich. Und die Sanierung der Sandstraße halten sie aus der Sicht von Menschen mit eingeschränkter Mobilität für sehr gelungen. Das Alltagsgeschäft der A.R.G.E. hat aber oft genug mit genau den Stolperfallen zu tun, die Leuten wie mir nicht einmal auffallen. Immer wieder gibt es Bürgerhinweise auf Gefahrenstellen (siehe Kasten), die schnell repariert werden können. „Da hatten wir eigentlich ein gutes Übereinkommen mit der Stadt: Wir melden die Risikostellen, der EBB saniert“, sagt Budde. Das funktioniert jedoch in letzter Zeit oft nicht mehr. Ein Beispiel ist die Generalsgasse: Aus den Theatergassen kommend steht man abrupt vor Bordsteinkante und Rinnstein, nicht sehr komfortabel für Menschen mit Gehbehinderung. Eine Lösung steht noch aus. „Es muss sich noch viel tun, bis sich der Blick generell ändert und solche Stolperfallen erkannt und selbstverständlich beseitigt werden“, meint Budde. Und er betont, dass davon ja alle profitieren würden: Eltern mit Kleinkindern oder Kinderwagen, Reisende mit Rollkoffer oder Damen in Pumps. Da hat er Recht, finde ich, denn auch ich habe auf diesem Spaziergang einige Perspektiven dazu gewonnen, vielleicht ein paar Jahrzehnte früher als ich es zwangsläufig getan hätte. Text, Fotos: sys | |