Mit 33 Jahren steuert Lisa Badum als Direktkandidatin für Bamberg-Forchheim auf den Bundestag zu. Politische Erfahrung bringt sie in vielerlei Hinsicht mit. Und Dialog und Auseinandersetzung gehören zu ihrem Alltag. Unsere gaz-Redakteurin hat sie beim Wahlkampf begleitet. August, glühende Sommerhitze am Nachmittag auf dem Maxplatz. Die DGB-Jugend hat sich offenbar die heißeste schattenlose Stelle vor dem Rathaus ausgesucht, um mit ihrer Aktion mehr „bezahlbaren Wohnraum“ zu fordern. Kartons sind zu einer Wand aufgebaut, der Slogan in Großbuchstaben draufgeklebt. Alle Bamberger Kandidat*innen der im Bundestag vertretenen Parteien wurden eingeladen. Der Kandidat der Linken ist vor Ort, die Grüne Lisa Badum ist pünktlich, bei der SPD spart man sich den Termin, hat sich entschuldigen lassen. Während alle schwitzend auf den CSU-Mandatsträger Silberhorn warten, der schließlich im weißen Hemd mit 35 Minuten Verspätung eintreffen wird, nimmt Lisa kurzerhand einen Stapel Flyer in die Hand und verteilt einige an die sparsam vorbeikommenden Menschen. In ihrem kurzen hellen Kleid und den flachen Sandalen ist sie von den Aktiven der DGB-Jugend ohnehin nicht zu unterscheiden. Das Thema „sozialer Wohnraum“, Gerechtigkeit überhaupt, ist etwas, das für sie durchaus „Erregungspotenzial“ hat, erzählt sie mir später. „Auch deswegen bin ich bei den Grünen, weil sie dagegen angehen, wenn jemand benachteiligt ist, seien das nun Frauen, Alleinerziehende, Migrant*innen oder eben Menschen mit geringem Einkommen.“ Es geht ihr um die Rahmenbedingungen – die müssten stimmen – und für die ist eben die Politik zuständig. „Natürlich hat jeder auch Eigenverantwortung – aber ich wehre mich gegen den Leistungsmythos in unserer Gesellschaft.“ So ist Lisa Badum im Alter von 16 Jahren auch zur Politik gekommen – durch ein Thema, das mit Unterdrückung und Ausbeutung zu tun hat. „Ich habe ein Buch über Genitalverstümmelung bei Frauen gelesen“, erzählt sie, „und war völlig schockiert.“ Sofort hat sie einen Weg gesucht, sich konkret dagegen zu engagieren und kam zur Organisation „terre des femmes“. Info-Stände, Aufklärungsarbeit, Geld sammeln – schon die politischen Anfänge also auf der Straße, auf Plätzen und an Orten, wo man Menschen erreicht und auf sie zugehen kann. Lisa Badums persönlicher Schwerpunkt heute ist allerdings die Klima- und Energiepolitik geworden, inzwischen sogar als Beruf. Die gebürtige Forchheimerin arbeitet bei einem Öko-Stromanbieter und ist für die „Bürgerakzeptanz“ zuständig, wie sie es ausdrückt. Was heißt das genau? „Immer wenn meine Firma ein neues Projekt plant, wie Solar- oder Windkraftanlagen, gehe ich auf die Bürger und Bürgerinnen vor Ort zu, informiere, nehme Einwände auf, arbeite mit örtlichen Energiegenossenschaften zusammen.“ Dialog und Kommunikation also auch im beruflichen Alltag, sie hat viel Übung in dem Bereich. Mit dem Unternehmen, für das sie arbeitet, identifiziert sie sich, das merkt man. Ihre politischen Ziele einer dezentralen und demokratischen Energiewende kann sie hier tagtäglich auch konkret umsetzen. Ihr selbst gewähltes Markenzeichen „Energiebündel Lisa – 100% erneuerbar“ ist nicht aus der Luft gegriffen. Unerschöpfliche Energie zeigt Lisa Badum seit 17 Jahren in allen möglichen Politik-Bereichen, nicht schlecht für eine Frau von erst 33 Jahren. Übers Studium der Politikwissenschaft in Bamberg kam sie zur Grünen Hochschulgruppe, wurde überraschend in den Senat der Universität gewählt, war bei der GAL Bamberg im Vorstand, Praktikantin bei Ursula Sowa in ihrer Bundestagszeit im Wahlkreisbüro. Seit 2007 ist sie kommunalpolitisch in Forchheim engagiert, und 2009 kandidierte sie erstmals im Wahlkreis Bamberg-Forchheim als Direktkandidatin für den Bundestag. „Ach, da war ich noch Studentin, es war eine tolle Zeit“, erinnert sie sich heute lachend an ihren damaligen kecken Plakatspruch: „Warum? Darum! Badum“. Mit dem bayerischen Listenplatz 15 hatte sie keine realistische Chance in den Bundestag einzuziehen. Das könnte diesmal anders sein. Nachdem Lisa bei der Wahl 2013 den Platz 13 auf der grünen Bayern-Liste eroberte, hat sie sich diesmal bis zum Platz 11 vorgearbeitet – „schon a weng wacklig, aber eben nicht unmöglich“, sagt sie verschmitzt. Um ihr Ziel kämpft Lisa leidenschaftlich. Für den Wahlkampf hat sie bei ihrer Arbeitsstelle die Stunden reduziert. Sie ist im ganzen Wahlkreis unterwegs, unzählige Termine, zahllose Gespräche. Lisa will ein gutes Ergebnis für die bayerischen Grünen – Lisa will in den Bundestag. Ein Regentag im Juli. „Haustürwahlkampf“ ist angesagt – schon der Begriff klingt nicht besonders gemütlich. Aber die Grünen wollen sich und ihre Themen und Ziele direkt zu den Bürger*innen bringen, eben an die Haustür. Ein neues Format, aus den USA abgeschaut. Lisa macht sich, mit mir als Begleitung, auf den Weg: Genossenschaftswohnhäuser in Bamberg-Ost. Wir klingeln an jeder einzelnen Tür, stoßen von böser Ablehnung bis zu freundlichen Erfolgswünschen auf alles. Nicht unanstrengend, bei all dem immer zu lächeln. Wer scheu ist, kann gleich einpacken. Lisa kann das nicht schrecken. Sie findet diese Aktion prima. „Wenn wir Grünen Veranstaltungen machen, dann bleiben wir damit meist im eigenen Milieu“, meint sie, und genau da will sie drüber hinaus. „Auf ganz neue Leute zugehen, finde ich spannend. Ich möchte gerade die nicht-grünen Wähler und Wählerinnen erreichen – oder vielleicht die noch-nicht-grünen“, fügt sie augenzwinkernd hinzu. Kostet sie das nicht Überwindung, einfach so an fremden Türen zu klingeln? „Naja, anfangs schon“, meint Lisa. Aber allzu große Zurückhaltung müsse man sich als Politikerin abgewöhnen. Logisch, Bekanntheit ist das A und O der Politik. Während in Forchheim der Name Lisa Badum durch ihr kommunalpolitisches Engagement seit 2007 im Kreistag längst jedem geläufig ist, löst er in Bamberg eher noch Fragezeichen aus. Wenn sich Lisa an den Wohnungstüren als Kandidatin vorstellt, die ab Herbst womöglich im deutschen Parlament sitzen könnte, schauen die Leute oft ziemlich ungläubig: Diese junge Frau in Turnschuhen und Baumwolljacke? Aha. Genau mit ihrem etwas spröden Charme schafft Lisa es aber, Türen zu öffnen: Sie ist unprätentiös, alles andere als arrogant, ihr Lachen wirkt echt, nicht aufgesetzt, Lisa hat kein aalglattes Wesen wie so viele Politiker, sie ist ein bisschen burschikos, oft unverblümt, dabei aber herzlich – und man merkt ihr an, dass sie etwas will, auf etwas zusteuert, dass etwas sie antreibt. Was sie im Innersten antreibt, erzählt sie mir später im Café – fast ein wenig verschämt kommt sie mir dabei vor. Sie fühlt sich sehr ihrer Heimat verbunden, mag gerne das Bier aus den hiesigen kleinen Brauereien und trägt sogar gerne fränkische Tracht, wenn sie zum Volxtanz bei David Saams Boxgalopp geht. Heimat – auch das ist bei Lisa Badum politisch. „Gesundes Leben, sauberes Wasser, saubere Luft, und die wunderschöne Landschaft erhalten“ – das will sie für die „Genussregion Oberfranken“, und so wie sie den Begriff ausspricht, hört er sich gar nicht mehr nach Marketing-Slogan an, sondern irgendwie sehr liebevoll. Sylvia Schaible
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