-Mitarbeiterin Charlotte Flügel wohnt mit ihrer Familie oben am Kaulberg – ohne Auto. Ein Erfahrungsbericht über alle Lebenslagen. Als ich 35 Jahre alt war und schon seit einigen Jahren Grundschullehrerin, fragte mich ein Schüler im Unterricht: „Warum kommst du eigentlich immer mit dem Bus zur Schule?“ Ich antwortete: „… weil ich kein Auto habe!“ Der Junge schaute mich an, überlegte und meinte: „Jetzt hab ich gedacht, du bist schon 18!“ Für den Schüler war es anscheinend unvorstellbar, dass eine erwachsene Frau ohne Auto lebt. Meine Begründung, wenig Auto zu fahren sei besser für die Umwelt, erstaunte ihn. Mein Mann und ich zogen vor 25 Jahren zusammen, als unser erstes Kind unterwegs war. Als Studierende waren wir gewohnt, ohne Auto in der Stadt zu leben. Erst einmal sahen wir keinen konkreten Anlass, uns ein Auto anzuschaffen. Später, mit zwei, dann drei Kindern entwickelten wir einen gewissen Spaß daran: Leben als Familie ohne eigenes Auto – das ist in Bamberg möglich! Wege der Kinder Etwas Zeit brauchte der Weg von unserem Zuhause in der Laurenzistraße zum Kindergarten am Kunigundendamm, bei gutem Wetter mit dem Fahrrad, bei schlechtem Wetter mit dem Bus. Natürlich waren die Wege auch manchmal nervig. Ein Sohn von uns wollte im Kindergartenalter öfter eine Freundin in der Gartenstadt besuchen. Der Weg von unserem Zuhause am Kaulberg bis dorthin mit dem Bus dauerte schon eine Weile. Ich versuchte mir dann selbst zu sagen: „Der Weg ist das Ziel!“ und die Busfahrt als Chance zu sehen, Zeit für Gespräche mit meinem Kind zu haben. Für die Wege zu Freizeitaktivitäten im Grundschulalter ermutigte mich eine Bekannte: „Wer Zahlen sicher lesen kann, kann auch alleine Bus fahren.“ So fuhr unsere Tochter ab der zweiten Klasse alleine zum Tanzunterricht in die Wunderburg, das Umsteigen am ZOB war kein Problem für sie. Einkaufen Die Essensversorgung für so viele Menschen wäre schwierig gewesen ohne den Lieferservice des Naturkostladens Pamina. Über Jahre bekamen wir am Freitag zwei bis drei große Kisten mit Lebensmitteln in die Küche gebracht. Nachdem unsere älteren Kinder inzwischen in anderen Städten studieren und wir so im Alltag nicht mehr so viele Lebensmittel benötigen, lässt sich der Einkauf mit Fahrradtaschen bewältigen. Getränke lassen sich problemlos bestellen und werden geliefert. Reisen Unser Urlaubsziel suchten wir nach der Erreichbarkeit aus: Wir entdeckten, dass ein Nachtzug von München nach Venedig fährt und erlebten, wie wunderschön es ist, am Morgen dort anzukommen. Nach der Nacht im Liegewagen verbringen wir dort einen halben Tag und fahren dann mit dem Schiff weiter bis zum Lido de Jesolo, wo wir zwei Wochen Strandurlaub genießen. Diese Art von Urlaub haben wir nun schon fast zehnmal gemacht und alle Kinder fahren immer wieder sehr gerne mit. Bus, Taxi und Carsharing Nachdem wir alle viel mit dem Bus fahren, ist die Familienkarte, die es in Bamberg gibt, für uns sehr attraktiv und die Buskosten bleiben so überschaubar. Mit zwei fieberkranken Kindern zum Arzt? Das ist eine der Situationen, für die es gut ist, dass man in Bamberg jederzeit rasch ein Taxi rufen kann. Die Kosten, die im ersten Moment hoch erscheinen, relativieren sich, wenn man überlegt, was ein Auto an Anschaffungskosten, Versicherung und Reparaturen kosten würde. Seit einigen Jahren sind wir auch Mitglieder beim Carsharing-Verein, früher „Ökobil“, jetzt „meiaudo“. Für Transporte, beispielsweise zum Wertstoffhof, ist die Buchung so eines Autos praktisch, weil man auch große und geräumige Fahrzeuge zur Verfügung hat. Auch für Chauffeur-Fahrten zu Fußballspielen der Kinder kann man beim Car-Sharing das passende Auto wählen und schon mal Teilmannschaftsstärke einladen. … dieser Berg! Schon seit 25 Jahren leben wir nun am Kaulberg und finden die Lage zwischen Stephanskirche und Dom, zwischen Häckerhäusern und Sauersberg immer wieder aufs Neue sehr, sehr schön. Nur beim Hochfahren mit dem Fahrrad schimpfen wir auf den Berg, vor allem, wenn einiges Gepäck auf dem Fahrrad transportiert wird. Aber auch dafür habe ich nun eine Lösung entdeckt: Ich steige mit meinem Fahrrad unten an der Schranne in die Linie 901 und kann mit dem Stadtbus fast bis vor die Haustür fahren! Aber auch ein E-Bike oder ein Lasten-E-Bike wären vielleicht mal eine gute Antwort auf diese Herausforderung. Das behalten wir mal als Vision im Hinterkopf. Charlotte Flügel
|