Jährlich investiert die EU 11,5 Milliarden Euro für Forschung – zusätzlich zu den Fördermitteln der Mitgliedstaaten – um global sichtbare Spitzenforschung, europäische Kooperation und soziale und industrielle Innovation zu fördern. Durch europaweit vernetzte Forschungsprojekte zu Klimawandel, nachhaltigen Verkehrssystemen, erneuerbaren Energien, Lebensmittel- und Ernährungssicherheit, Bevölkerungsalterung und sozialer Integration sollen Expertisen besser gebündelt und nachhaltigere Lösungen gefunden werden. Die „Horizon 2020“-Mittel, wie sie seit 2014 heißen, sollen die globale Wettbewerbsfähigkeit und den sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand Europas vergrößern. Auch die Universität Bamberg gehört zu diesem Netzwerk. Die hat mit zwei beteiligten Forschenden gesprochen. Prof. Michael Gebel, Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie, insbesondere Methoden der empirischen Sozialforschung, an der Universität Bamberg kann sich einen Forschungsalltag ohne europäische Vernetzung gar nicht vorstellen. Das letzte von ihm koordinierte große EU-Horizon2020-Projekt (2,5 Mio Euro über drei Jahre) zur sozialen Ausgrenzung von Jugendlichen in Europa brachte 58 Wissenschaftler*innen aus neun Ländern zusammen. Das Projekt erhielt den ERC-Forschungspreis, der ausgewiesene Wissenschaftler*innen mit einer herausragenden Projektidee mit großzügigen Forschungsmitteln versieht. Mit den 1,4 Mio Euro Projektgeld, die daraus resultieren, wird Gebel über fünf Jahre die sozio-ökonomischen Auswirkungen befristeter Anstellung im internationalen Vergleich untersuchen. Seit seinen ersten Studienaufenthalten im Ausland sucht Gebel den Blick über den nationalen Tellerrand, seit seiner Promotion prägt diese auch seine Forschung: In europäischen Vergleichsstudien untersucht er die Regulierung von Arbeitsmärkten und deren soziale und wirtschaftliche Auswirkungen, wie Ungleichheit oder Jugendarbeitslosigkeit, und verfolgt Lebensverläufe in Arbeit, Bildung und Familie. „Dabei bin ich gerade als Forscher immer wieder gefordert, meine eigenen Annahmen durch die Daten über den Haufen werfen zu lassen. Wissenschaft heißt, dass auch Wahrheiten rauskommen können, die dem widersprechen, was ich eigentlich denke. Wir brauchen den Ländervergleich, um die eigene Situation besser einordnen zu können“, so Gebel. Lernen über Grenzen hinweg können auch die Bamberger Soziologie-Studierenden im Rahmen neu eingerichteter Double Master‘s Degree Programme mit den Universitäten von Tilburg, Trento und Barcelona. Auch Prof. Maike Andresens Forschung lebt vom europäischen Austausch. Die Lehrstuhlinhaberin für Personalmanagement und Organisational Behaviour (und ehemalige Vizepräsidentin für Forschung) an der Universität Bamberg untersucht im Rahmen eines EU-Horizon2020-Projekts (4 Mio Euro über vier Jahre) die globale Mobilität von Arbeitskräften und deren Wirkung auf Karrieren und Unternehmen. Sie koordiniert das vierzig Forscher*innen umfassende Netzwerk von acht europäischen Universitäten und zwölf teilnehmenden Organisationen. Die Projektpartner untersuchen, in Kooperation mit Unternehmen in ganz Europa, warum Mitarbeiter*innen ins Ausland gehen, welche Hürden dabei überwunden werden müssen und wie qualifizierte ausländische Beschäftigte aus dem Ausland integriert und an einem Ort gehalten werden können. Denn in Europa herrscht in einigen Bereichen akuter Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Immer häufiger können diese sich aussuchen, wo sie leben und arbeiten wollen. Was diese Mobilität bringt? Sie befördert Offenheit, den Blick von außen und damit innovatives Denken, ist Andresen überzeugt. In dem von ihr koordinierten internationalen Masterprogramm European Human Resource Management müssen die Studierenden aus sechs Ländern in internationalen Teams für vierzehn Wochen gemeinsam eine Aufgabe in Unternehmen vor Ort lösen – und sind erstaunt, wie viele kulturelle Missverständnisse in einem Team entstehen können, selbst wenn alle sich sprachlich verstehen. Auch Andresen selbst hat dies vor Jahren als große persönliche Herausforderung empfunden. Man lerne, die eigenen Haltungen zu überdenken und die Vorteile anderer Herangehensweisen zu schätzen. „Es gibt gar keine bessere Bildung, als ins Ausland zu gehen.“ Da sind sich Gebel und Andresen einig. SR
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