Grüne im Wirtschaftsdialog

Weltanschauung durch die Windschutzscheibe 27.01.2017
Verkehr, Aktuelles, BA-Thema, Umwelt+Klima, Sylvia Schaible, WirtschaftsGruene
Mit seiner Rede beim Neujahrsempfang sorgte
Brose-Chef Stoschek für Aufregung, weil er
der Kernkraftenergie das Wort redete und
Elektro-Autos für wenig zukunftsfähig hielt.
Doch damit ist Stoschek nicht mehr und nicht
weniger als ein Symptom.

Kommentar

So daneben war die Rede von Michael Stoschek beim Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters gar nicht. Sie war auch nicht falsch oder arbeitete mit Unwahrheiten. Nein, Stoscheks Analyse, seine Zahlen und Fakten sind durchaus korrekt. Schauderhaft und beängstigend ist lediglich die rückwärtsgewandte Haltung, die sich dahinter verbirgt.

Liest man das Redemanuskript, das bis vor kurzem noch auf infranken.de herunter zu laden war, erkennt man eine autozentrierte Weltsicht, die nicht mehr in der Lage ist, die Welt anders zu sehen als durch die Windschutzscheibe. Den „Fahrzeuginnenraum“ bezeichnet Stoschek gar als „Wohn-, Arbeits- und Entspannungsraum“. Für ihn ist das Auto alles: Lebensraum, Sinnstiftung, Identitätsquelle, Zukunft.

Deshalb muss sich auch alles dem Auto anpassen - die Welt, der Mensch, die Städte, die Technik, die Entwicklung. Wichtig ist, dass Autoblech auf vier Rädern frei durch die Gegend fahren kann. Wenn dazu die Kernkraft benötigt wird, dann eben mit Kernkraft. Wenn dadurch der CO2-Ausstoß existenzbedrohend für die Erde wird, dann holt man sich eben die entsprechenden Wissenschaftler zur Seite, die den Klimawandel leugnen.

Mehr hat Stoschek dazu nicht zu sagen: Kein Wort von den riesigen Sicherheitsproblemen bei der Atomenergienutzung, kein Wort von dem weltweit völlig ungelösten Problem mit Unmengen Atommüll, kein Wort von Zehntausenden Verkehrstoten, von Luftverschmutzung durch Autoabgase, Gesundheitsschäden durch Verkehrslärm oder Landschafts-Zersiedelung und Flächenfraß.

Die mageren Zahlen von Elektro-Autos in Deutschland zu belächeln und darauf hinzuweisen, dass mit Kohlestrom betriebene E-Autos nicht sehr umweltfreundlich sind, ist berechtigt. Nur der Neujahrsredner des Bamberger Oberbürgermeisters macht daraus ein: Na, dann fröhlich weiter mit dem guten alten Verbrennungsmotor! Nötig wären hingegen Anstrengungen, genau das zu ändern.

Und wenn Stoschek für Großstädte die Form des Car-Sharings als eine gute Mobilitätsvariante lobt, so steckt dahinter vor allem, dass er diese überhaupt nur als Absatzmarkt für die Autoindustrie wahrnimmt und überlegt, wo und wie laut hier die Kasse für ihn klingeln könnte. Andere mögliche Antworten auf das von ihm zutreffend konstatierte Bedürfnis nach Mobilität bei gleichzeitig immer größer werdenden Städten leugnet er schlicht. Zitat: „Deshalb sehe ich keinen Trend zu öffentlichen Massenverkehrsmitteln.“

Aber auch das ist nachvollziehbar, dem erfolgreichen Geschäftsmann aus der Automobilbranche geht es ums Auto-Verkaufen, nicht um Mobilität. Mit Autos verdient er Geld – und nicht zu knapp – warum sollte er die Bedeutung des Autos schmälern wollen?

Genau das aber ist es, worum es einer Gesellschaft gehen muss, die sich von einer durchaus weit verbreiteten Windschutzscheiben-Sicht lösen will. Mobilität muss sich ändern. Mobilität ist kein Selbstzweck. Mobilität muss sich selbst in Frage stellen. Sie muss andere Formen annehmen, Alternativen suchen und die Scheuklappen ablegen.

So gesehen war Stoscheks Rede beim Neujahrsempfang zwar durchaus brüskierend, aber doch auch ein Denkanstoß – dahingehend, dass solche im vorigen Jahrhundert verankerten Haltungen wie die seine schnellstens in die zeitgeschichtlichen Archive befördert werden müssen.

sys



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