„Unplanbarkeit aushalten“
Bamberg braucht Raum für Subkultur. Aber: Wo? Wie? Wofür genau? Die sprach darüber mit Lorenz Kutzer von „kontakt – Das Kulturprojekt“. Kontaktfestival in der Lagarde-Kaserne, Mai 2015. Foto: Guido Apel
gaz: Auf dem Konversionsgelände, so heißt es immer, könne auch Raum für Kultur entstehen. Was wünscht ihr euch dort für Raum bzw. Räume? Lorenz Kutzer: Hierüber wird auch teamintern bei uns noch heiß diskutiert. In der Lagarde-Kaserne könnte aus der Reithalle eine multifunktionale Veranstaltungsstätte und aus der Werkstatt ein Ausstellungsraum für bildende Kunst werden. Das sollte jedoch dann ein Sprungbrett für jenseits der Lagarde sein. Denn Subkultur muss auch laut und dreckig sein dürfen, und für wirkliche Experimentierräume sind Räumlichkeiten weiter östlich wohl spannender. Vorstellbar sind Jugendhostel, Bars, Clubs, Studios usw.
gaz: Wie steht ihr zur Idee, die Reithalle zu einem Kammermusiksaal für die Symphoniker umzubauen? Lorenz Kutzer: Eines vorweg, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir sehen uns nicht als Gegenspieler klassischer Musik. Ganz im Gegenteil: Unser diesjähriges kontakt-Festival wurde mit Piano Interrupted, einem neoklassischen Duo aus Großbritannien, eröffnet! Wir wollen das Bestehende in eine Symbiose mit neuen Impulsen bringen – welche die Stadt nötig hat! Vor diesem Hintergrund würden wir uns freuen, eine stärkere Öffnung der klassischen Szene gegenüber subkulturellen Einflüssen zu sehen – so, wie dies einzelne Mitglieder der Symphoniker seit Jahren im Rahmen des kontakt-Festivals betreiben!
gaz: Wer könnte künftig Träger für ein wie auch immer ausgestaltetes Kulturzentrum sein? Lorenz Kutzer: Klar ist, dass sowohl das kontakt-Team als auch unser Trägerverein, der AStA Bamberg e.V., eine derartige Trägerschaft allein nicht leisten könnten. Vorstellbar wäre eine Trägergesellschaft wie etwa die Z-Bau GmbH (www.z-bau.com) in Nürnberg. Darin haben sich die Stadt Nürnberg, die Musikzentrale e.V. und der Kunstverein Hintere Cramergasse e.V. als Gesellschafter für Umbau und Betrieb eines neuen Kulturzentrums zusammengeschlossen.
gaz: Wie stellt ihr euch die Finanzierung für Umbau und Betrieb eines Kulturzentrums vor? Lorenz Kutzer: Das schon erwähnte Kooperationsmodell in Form einer „gGmbH“ setzt auf bürgerschaftliches Engagement in Verbindung mit öffentlichen Geldern. Hier sehen wir die Stadt nach Jahrzehnten stiefmütterlicher Behandlung der Subkultur durchaus in der finanziellen Pflicht. Wobei Mittel natürlich auch aus Fördertöpfen von Bund, Land oder EU kommen können. Unseren Anteil sähen wir in der inhaltlichen Umsetzung sowie der Ideen- und Projektentwicklung für ein Kulturzentrum, was mit Beantragung von Fördermitteln ja Hand in Hand geht.
Lorenz Kutzer: Wir wollen die Kulturentwicklung ganzheitlich betrachten: Was braucht eine Stadt überhaupt und wieso? Welche Rahmenbedingungen benötigen Kultur und Kulturorte, um zu „funktionieren“? Einfach ein Gebäude hinzuklatschen und zu sagen: „Und jetzt bitte hier Kultur“ wird nicht gut gehen.
gaz: Die Stadt würde also Experimentierzellen für kreative Menschen zur Verfügung stellen, vergleichbar einem Gründer- und Innovationszentrum für Kulturschaffende … Lorenz Kutzer: Ja genau. Kreative Menschen könnten beispielsweise auf ein bis zwei Jahre befristet Gebäude oder Räume beziehen und darin sich und ihre Ideen einfach mal ausprobieren. Und danach könnten sie diese entweder woanders weiterführen, oder merken, das war’s nicht, oder das Projekt war von vorneherein zeitlich begrenzt angelegt. Dafür müsste aber die Stadt Bamberg und vor allem auch deren Verwaltung das Prinzip der Unplanbarkeit aushalten. Das Interview führte Harald Rink. |
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KONTAKT – Das Kulturprojekt ist eine Gruppe von rund 30 ehrenamtlich aktiven Menschen. Ihre Aktionen sind nicht kommerziell, sollen die Stadt mit innovativer und junger Kunst und Kultur beleben, den Zugang unabhängig vom sozioökonomischen Status des Einzelnen ermöglichen, und über Kunst und Kultur Kontakt zwischen Menschen herstellen. „kontakt – Das Kulturfestival“ fand Mitte Mai auf dem Konversionsgelände (Lagarde-Kaserne) statt. In den Jahren zuvor wurden beispielsweise die ehemalige Maisel-Brauerei, das Hallenbad am Margaretendamm oder der Dominikanerbau bespielt. | |