Sozialplanung braucht Bürgerkompetenz
Gastbeitrag von Wolfgang Budde Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt pixelio.de Es ist unstrittig, dass Sozialplanung einen erklärten politischen Willen voraussetzt, welche sozialpolitischen Ziele wichtig sind und unter Einsatz welcher Ressourcen auch erreicht werden sollen. Stadtrat, Verwaltung (in Bamberg muss der Kämmerer immer dabei sein) und Wohlfahrtsverbände gehören klar zu diesem Klärungsprozess. Aber, in dieser Aufzählung fehlen noch wesentliche Akteure, die gerne vergessen werden: die BürgerInnen Bambergs, wie am Beispiel Altenhilfeplanung deutlich wird. Wir können sicher davon ausgehen, dass sich angesichts der demographischen Entwicklung die Landschaft, in der ältere Menschen zuhause oder in Einrichtungen unterstützt werden müssen, verändern wird. Erforderlich werden Unterstützungsstrukturen, die Menschen dabei helfen, solange es vernünftig und von ihnen gewollt ist, in ihrem vertrauten Umfeld leben zu können: dezentrale professionelle Dienste und eine Infrastruktur, die Selbst-versorgung erst möglich macht (-Geschäfte für den -täglichen Lebensbedarf, Mobilität stärkende Bedingungen wie ein guter ÖPNV und barrierefreie Wege im Stadtteil), aber auch bürgerschaftliches Engagement und hilfreiche Nachbarschaftsnetzwerke. Die Bedeutung solcher sozialplanerischen Überlegungen für das Konversionsgelände liegt auf der Hand. Auch hier geht es nicht nur um bezahlbaren Wohnraum, ÖPNV, Kindertagesstätten, Kinderspielplätze oder dezentrale Pflegeeinrichtungen. Es geht um die Entwicklung von Ideen, wie in dem zukünftigen Quartier Bürgerengagement entstehen kann. Das könnte zum Beispiel durch den Bau von Bürgerzentren, aber auch durch Planungsbrachen geschehen, die bewusst vorgehalten werden, damit sie von den späteren BewohnerInnen des Viertels beplant werden. Denkbar wäre auch die Schaffung von kleinen Quartierbudgets, die BürgerInnen zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihre Ideen finanzieren können. Ein Ködern von Engagierten durch nicht so ernst gemeint Beteiligungsangebote wird da nicht reichen. Eine Sozialplanung, die BürgerInnen als Partner ernst nimmt, weiß um den Wissensaspekt und den Demokratieaspekt einer gelingenden Kooperation. Wissensaspekt meint die Expertenschaft von BürgerInnen für ihren Stadtteil, für das, „was da geht“, wo welche Ressourcen und Möglichkeiten stecken und für was und in welchem Umfang sie zu Engagement bereit sind. Demokratieaspekt meint, dass BürgerInnen eben nicht als Mittel zum Zweck betrachtet, sondern als gleichberechtigte und entscheidungskompetente PartnerInnen wahrgenommen werden. Diese Frauen, Männer und Jugendlichen beteiligen dann auch Sozialplanung an ihren Ideen und Überlegungen. So entstehen Projekte, die QuartierbewohnerInnen selbst gedacht haben, mit denen sie identifiziert sind, für die „sie stehen“. Als die eigentliche Herausforderung, einen Stadtteils als „sozial funktionsfähigen“ Lebensraum zu gestalten, erweisen sich somit nicht die Ideen, wie der Stadtteil aussehen könnte. Die können überall nachgelesen werden. Wichtig ist der Prozess, wie die erforderlichen sozialen Qualitäten entwickelt, gemeinsam gedacht, Abläufe gemeinsam geplant, Ergebnisse gemeinsam verbessert werden. Unverzichtbar ist die Mitwirkung von Fachkräften der Wohlfahrtsverbände, der Verwaltung und der BürgerInnen auf Augenhöhe, all das moderiert durch eine gut ausgestattete und ernsthaft beteiligungsorientierte Sozialplanung und eine Politik, die genau das will.
Wolfgang Budde ist Zweiter Vorsitzender des Beirats der Stadt |
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Ohne Bürger … für die Schublade Sozialplanung, wie sie nicht aussehen sollte: Beispiel Altenhilfeplanung Bamberg. Der Altenhilfeplan von 1997 und seine Fortschreibungen bis 2004 sollten vor allem den Wohlfahrtsverbänden Investitionssicherheit für ihre Senioreneinrichtungen geben und blieben deshalb im Wesentlichen in der Einrichtungsplanung stecken. Im Jahr 2008 wurde ein neuer Versuch gestartet. In einem gemeinsamen Prozess klärten Fachleute der Altenhilfe und Vertreter der Wohlfahrtsverbände, welche Unterstützungsstrukturen in den Bereichen Wohnen, Freizeit, Betreuung und Pflege gebraucht werden. Aber nach dem Beschluss im Stadtrat verschwand das Empfehlungspaket in den Schubladen der Stadtverwaltung, satirisch betrachtet in einer Art Leitzordnersammlung mit den Aufschriften „Nicht gewollt“, „Nicht verstanden“ oder „Nicht finanzierbar“. Der neueste und hoffentlich bessere Anlauf im Rathaus heißt „Seniorenpolitisches Gesamtkonzept“ und soll in ersten Ergebnissen im Jahr 2016 vorliegen. W.B. | |