Geschäftemacherei mit Wohnungsnotlage

Ein in der Szene bekannter Bamberger Vermieter nutzt die Notlage von Flüchtlingen aus, um Räumlichkeiten als Wohnung zu vermieten, die dafür nicht zulässig sind. Damit macht er lukrativen Gewinn, auch auf Kosten des Staates.


Wenn Menschen hilflos und arm sind, sich nicht gut auskennen und in Bedrängnis leben, werden sie leicht Opfer skrupellos-ausbeuterischer Machenschaften. Ahmad S.* und seine Frau Kalila* sind ein Beispiel dafür – und wahrscheinlich keine Ausnahme. Das junge Ehepaar stammt aus Syrien, schaffte die Flucht und kam 2017 in die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken AEO im Bamberger Osten. Es dauerte nicht lange, bis die beiden ihre Anerkennung als Flüchtlinge erhielten. Eigentlich müssten sie nun auch eine Wohnsitzzuweisung von der Regierung von Oberfranken erhalten, denn seit 2016 ist eine möglichst gleichmäßige Verteilung aller anerkannten Asylsuchenden auf ganz Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Doch bei der Regierungsstelle erhielten sie die Auskunft, wenn sie eine Wohnung in Bamberg finden würden, bekämen sie eine Zuweisung für Bamberg und könnten bleiben.

Ahmad und seine Frau machten sich sofort auf die Suche. Die beiden haben ein offenes Wesen und finden leicht Kontakt. Über einen Bekannten kamen sie auf ein Wohnungsangebot eines Bamberger Vermieters, der in der Immobilienbranche schon anderweitig auffällig wurde: Jörg Neumann. Sie besichtigten die Räume und überlegten sich, diese tatsächlich anzumieten. Einen Mietvertrag – von Vermieterseite unterzeichnet – hatten sie umgehend in der Tasche und mussten nun nur noch den Antrag auf Kostenübernahme an das Jobcenter ausfüllen. Bei dieser Gelegenheit suchten sie Hilfe bei einer Beratungsstelle von Freund statt fremd e.V. – und erst an dieser Stelle wurde deutlich, was der menschenfreundliche Neumann tatsächlich mit den Flüchtlingen vor hatte.

Denn die vermeintliche Zwei-Zimmer-Wohnung ist überhaupt nicht bewohnbar. Sie liegt im Gebäude Steinweg 9 – dem bereits unrühmlich bekannt gewordenen ehemaligen Gasthaus Sonne – und ist eigentlich ein ziemlich renovierungsbedürftiges Ladenlokal. Der eine Raum hat zwei große straßenseitige Schaufenster, die nicht zu öffnen sind. Die Eingangstüre direkt zur Straße ist die einzige Luftzufuhr nach draußen. Das dahinter liegende zweite Zimmer hat überhaupt kein Fenster. Baurechtlich sind die Räume nicht bewohnbar und können folglich auch nicht legal als Wohnung vermietet werden.

Vermieter Neumann gab außerdem die Quadratmeterzahl der Räume deutlich zu hoch an und verlangte eine entsprechend hohe Miete. Im Mietvertrag liegen die Kosten für Miete, Neben- und Heizkosten rein zufällig immer genau an der Grenze, die vom Jobcenter im Rahmen der „Kosten der Unterkunft“ für zwei Personen gerade noch übernommen wird. Der Vermieter hätte sich also staatliche Gelder für eine Leistung auszahlen lassen, die er in der Realität gar nicht erbringt und auch gar nicht hätte erbringen dürfen.

Als Achmad und Kalila all dies erklärt wurde, nahmen sie von dem Vertrag Abstand. Derlei anrüchige und vielleicht kriminelle Praktiken wollten sie keinesfalls unterstützen. Ein mulmiges Gefühl hatten sie zwar schon vorher, aber die Verlockung, endlich aus der AEO rauszukommen, wo man sich eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 15 oder mehr Personen teilen muss und nicht einmal eine Kochgelegenheit hat, wäre doch groß gewesen – auch unter solch miesen Wohn-umständen. Dem Anschein nach sind übrigens seit August die beiden Räume im Steinweg 9 anderweitig vermietet.

Die GAL legte den Vorgang der Bamberger Staatsanwaltschaft vor, die nun strafrechtlich ermitteln kann.

Denn es ist durchaus zu vermuten, dass es mehr solche gesetzeswidrigen Mietverhältnisse gibt, die nicht nur Flüchtlinge und arme Menschen, sondern auch den Staat, in diesem Fall das Jobcenter, ausbeuten. Und dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.

Dabei spielt allerdings auch der Staat selbst eine unrühmliche Rolle. Wie die gaz aus zuverlässiger Quelle erfahren hat, werden derzeit Wohnsitzzuweisungen der Regierung von Oberfranken an anerkannte Flüchtlinge in der AEO absichtlich verzögert ausgestellt. Laut Gesetz sollen Asylsuchende maximal sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung wie der AEO verbleiben. Erhalten sie Ihre Anerkennung früher, sollen sie natürlich umgehend verlegt werden. Die Regierung Oberfranken stellt nun aber generell erst nach sechs Monaten einen Transfer in eine andere Kommune aus – Achmad und Kalila sind also kein Einzelfall. Grund: Das derzeit mit ca. 1000 bis 1500 Bewohner*innen eher spärlich belegte Camp muss einigermaßen gefüllt werden, sonst ist der seit Juli vollendete Endausbau auf 3400 Personen nur allzu peinlich.

Die Flüchtlinge in der AEO aber befinden sich monatelang auf dem Abstellgleis. Sie wollen endlich normal wohnen, Sprachkurse besuchen, arbeiten, ihre Kinder in eine normale Schule oder in den Kindergarten schicken usw. Um endlich in ihr neues Leben starten zu können, drängen sie zusätzlich auf den Bamberger Mietwohnungsmarkt. Der wird deswegen gerade im unteren Segment also immer angespannter. Auch Achmad und  Kalila werden es wohl weiter probieren.

*Namen geändert.

radi / sys

Aktion der DGB-Jugend im August 2017 auf dem Maxplatz (Foto: sys)