Warum wir den Ameisenbläuling brauchen …
Im Gespräch mit Adi Geyer Die Nachricht vom Artensterben der Insekten schlägt derzeit hohe Wellen in den Medien. Damit rückt ein Thema in den Fokus, mit dem sich die Grünen schon lange beschäftigen. Die gaz fragte den Experten Adi Geyer, warum wir auch auf einzelne Arten nicht so einfach verzichten können.
: Herr Geyer, Sie sind als Biologe in Ihrem Beruf täglich mit dem Schutz der biologischen Artenvielfalt betraut. Welche Konsequenzen hat das rasant zunehmende Artensterben der Insekten? Geyer: Der massive Einbruch der Biomasse auf etwa ein Viertel des Wertes aus den 90er Jahren wirkt sich auf die gesamte Nahrungskette aus. Deswegen ist er auch eine Ursache des starken Rückganges vieler Vogelarten und anderer Insektenjäger wie z.B. Fledermäuse. Diese fehlen wiederum in der Landwirtschaft als natürliche „Schädlingsbekämpfer“ und es werden weiterhin hohe Pestizidgaben benötigt. Wir müssen schnellstens aus diesem Teufelskreis aussteigen, weil die akute Gefahr besteht, dass wir durch den massiven Eingriff einen Punkt erreichen, an dem die ökologische Stabilität komplett verloren geht.
: Was sind geeignete Sofortmaßnahmen? Geyer: Erstens brauchen wir ein sofortiges Verbot aller systemisch wirkenden Pestizide, wie z.B. der Neonikotinoide, die bis in die Blüte wirken und somit auch Blütenbesucher töten. Hier ist die Politik gefordert. Zweitens brauchen wir Lebensräume für Insekten, die gleichzeitig den Brutraum für Vögel liefern. Der Marienkäfer, ein Blattlausfresser, benötigt beispielsweise Hecken und Feldraine zum Überwintern. In der Vergangenheit haben wir vor allem durch die Flurbereinigung solche Strukturen dem Wachstumszwang der Landwirtschaft geopfert. Große landwirtschaftlich genutzte Flächen müssen wieder verkleinert werden, um Hecken, Feldraine, Hohlwege, Böschungen etc. neu anzulegen. Nur diese strukturelle Vielfalt kann die Arten- und Individuenzahl wieder vergrößern.
: Sie sprechen von Wachstumszwängen. Der Biodiversitätsverlust wird oft in Euros bemessen. Ist diese Ökonomisierung überhaupt der richtige Ansatz? Geyer: Meiner Meinung nach ist es nicht möglich, alle Auswirkungen eines schwindenden Ökosystems in Euro-Beträgen zu messen. Zumindest aber hat der Rückgang der Bienenvölker aufgrund ihrer ökonomischen Bedeutung den Menschen wach gerüttelt und somit den bereits seit Jahrzehnten zu beobachtenden Artenschwund nun stärker in den Fokus gerückt. Wir müssen weg von Quantität und hin zur Qualität – gerade weil uns eine konventionelle Landwirtschaft, die vorrangig auf Wachstum setzt, überhaupt erst in diese Situation gebracht hat.
: Um welche Art der Qualität bemühen Sie sich derzeit in Ihrer Arbeit in Bamberg? Geyer: Aktuell unterstütze ich die Umsetzung des Managementplans für das FFH-Gebiet „Wiesen um die Altenburg“ im Auftrag des Umweltamtes. Die Artenvielfalt ist dort u. a. durch die zunehmende Düngung einiger Wiesen bedroht. Denn ein zu hoher Nährstoffgehalt führt zur Verarmung von Wiesen; blütenreiche Nahrungspflanzen für diverse Insekten gehen verloren. Zwei größere Wiesenflächen konnte ich inzwischen aus der Düngung herausbringen. Von dieser und anderen Maßnahmen profitieren dort insbesondere der Helle und Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Die Sicherung dieser seltenen Arten liegt mir als Bamberger für Bamberg besonders am Herzen. Das Interview führte Dorothea Schoppek.
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# Der Wiesenknopf-Ameisenbläuling (oben) lebt auf den "Wiesen um die Altenburg" (unten) und begründet deren Schutzstatus als FFH-Gebiiet (Flora-Fauna-Habitat gemäß Naturschutz-Richtlinie der EU). Laut Adi Geyer geht es der Population heute besser, sie ist aber noch imme rn einer kritischen Phase. (Fotos: Adi Geyer) |
Adi Geyer, Tierökologe und
Biologe aus Bamberg,
entwickelt und koordiniert
bayernweit insbesondere
Artenschutzprogramme
für Schmetterlinge.
Lebensraum MUNA Der Wiesenknopf-Ameisenbläuling wohnt übrigens auch auf dem MUNA-Gelände an der Geisfelderstraße, wo die Stadt Bamberg ein riesiges Industrie- und Gewerbegebiet errichten will. Sonderbares Naturverständnis: Schutzprogramm an den Altenburg-Wiesen, während man im Bamberger Osten den funktionierenden Lebensraum der seltenen Art gezielt bedroht. | |