Wucherndes Unkraut oder Entwicklungsknospe?

Die Landesgartenschau 2012 bietet einen Strauß von Fragen
und Unklarheiten – aber egal, wird schon werden …


Der neue Fischpass auf dem Landesgartenschaugelände.
Foto: Erich Weiß


Ein solches Großereignis hat Bamberg noch nicht erlebt. Nicht nur auf der 20 Hektar großen ERBA-Insel wird in zwei Jahren die Landesgartenschau stattfinden, auch in viele andere Bereiche Bambergs dringen ihre Wurzeln vor: zum Weinberg am Michelsberg, ins Gärtnerviertel oder entlang der neuen Uferwege an der Regnitz.

Die erwartete eine Million BesucherInnen (durchschnittlich 3.000 bis 20.000 pro Tag) werden sich überall in der Stadt bemerkbar machen – und nicht nur sie, sondern vor allem die Autos und Busse, mit denen sie aus ganz Bayern und Deutschland anreisen werden. Für ein halbes Jahr wird Bambergs Pulsschlag im Rhythmus der Landesgartenschau pochen.

Event-Moloch außer Kontrolle

Währenddessen scheint die Kontrolle über den Event-Moloch den zuständigen Gremien längst entglitten. Nicht selten muss der Aufsichtsrat der LGS GmbH Informationen hinterherlaufen, wird bei Entscheidungen unter Zeitdruck gesetzt. Vor allem die entsandten Stadtratsmitglieder, die diese Aufgabe nebenamtlich ausführen, sind schlicht und ergreifend überfordert, alle komplexen Zusammenhänge und Abläufe zu durchblicken.

Nicht anders geht es den BürgerInnen. Anfangs beobachteten sie noch mit Argusaugen, was unter der Flagge LGS auf Bambergs Boden „angerichtet“ wurde: Das Abholzen einer Streuobstwiese am Michelsberg für einen Weinberg führte beinahe zum Bürgerbegehren, und die Pläne für Treidelpfad und Uferwege riefen heftige Bürgerproteste hervor. Mittlerweile scheinen kritische Stimmen in zunehmender Resignation zu verstummen. Der Aufschrei bei den Abrissplänen für die Schleusenwärterhäuser zeigte zwar durchaus Wirkung, hätte aber auch größer sein können. Der Verlust der weiteren denkmalgeschützten Gebäude der ERBA-Fabrik holt in der Bürgerschaft ohnehin niemand mehr hinter dem Ofen hervor. Den Busparkplatz am Weidendamm haben die Anwohner inzwischen geschluckt, obwohl das Buskonzept, das diesen bedienen soll, keinesfalls überzeugend ist. Und die KleingärtnerInnen vom Weidenufer räumten zwar murrend, aber am Ende dennoch ohne großen Aufstand das Feld.

Millionengrab Landesgartenschau

Die Verantwortlichen in der LGS GmbH, gespeist aus der Stadtverwaltung und der LGS-Fördergesellschaft, die alle zwei Jahre Landesgartenschauen in Bayern organisiert, können so ziemlich unbehelligt ihr Ding drehen. In der Mehrheit nehmen BürgerInnen und StadträtInnen diese Dinge zur Kenntnis und zucken allenfalls ratlos mit den Schultern.

Zum Beispiel bei den Finanzen: Auch wenn es die Chefin der LGS GmbH, Dr. Knoll, Profi-Organisatorin von inzwischen mehreren Landesgartenschauen in ganz Bayern, immer wieder durch Zahlentricks kaschieren will, die Bamberger LGS wird die teuerste aller Zeiten – siehe Artikel auf Seite 2. Wo der ohnehin schon lächerliche Sparauftrag des Stadtrats von 1 Mio Euro umgesetzt wird, weiß keiner zu beantworten („halt überall a weng“). Und dass andererseits über den doch eher schmalen Fischpass ganze sechs Brücken gebaut werden – und das auch noch in teuerster Stahlbauweise, ist eher das Gegenteil von sparsamem Haushalten.

Fragen über Fragen

Wie wird das eigentlich mit dem Verkehr abgewickelt? Die Verwaltung hat sich zwar durchaus Mühe gegeben, ein Konzept auszuarbeiten, aber einen wirklich tragfähigen Eindruck macht es nicht. Von den Verantwortlichen wird es aber erstmal abgehakt. Wird schon klappen …
Und immer wieder wundert man sich über den zeitlichen Fortgang der Geschehnisse auf der ERBA-Insel. Müssten die und die Hallen nicht schon abgerissen sein? Warum werden Uferbäume gefällt, obwohl noch keine Genehmigung dafür eingeholt wurde? Die Gutachter Drees und Sommer jedenfalls legten ziemlich deutlich klar, dass man mit dem Zeitplan schon ziemlich in Verzug ist. Könnte es also sein, dass während der Landesgartenschau die zu sanierenden und neu zu bauenden Gebäude gerade Baustelle sind? Naja, wird schon irgendwie hinkommen …

Oder: Wird auf der Gartenschau eigentlich ökologisch sinnvoll gegärtnert? In der Öffentlichkeit spielt das komischerweise kaum eine Rolle. Doch das Umweltamt der Stadt Bamberg gibt sich in Sachen Ökologie ausgesprochen zuversichtlich: Die untere Naturschutzbehörde sei bei allen Verfahren und Förderbescheiden beteiligt. Demnächst wird auch der Naturschutzbeirat hinzugezogen. Hört sich erst mal gut an – also, wird schon passen …

Außerdem: Was ist eigentlich dran, an dem Gerücht, dass die Hauptinvestoren für die Wohnbebauung auf der ERBA-Insel, die so genannten Iren, insolvent sind? Und wenn’s stimmt, haben wir dann gleich neben dem Park Bauruinen stehen? Aber gut, wird schon nicht so schlimm sein …

Unterm Strich bleibt das beunruhigende Gefühl, dass die Landesgartenschau ein großes Beet reich blühender Unwägheiten ist. Das allseits postulierte Credo „Alles unter Kontrolle – alles nach Plan“ müsste eher lauten: „Wird schon nix schief gehen!“ Eines allerdings ist sicher: Eröffnet wird die Landesgartenschau definitiv im April 2012 – an dem Termin kann nicht gerüttelt werden.

sys


Pro

Die seit langem brach liegende ERBA-Insel wird aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt, der über zwei Jahrzehnte währte. Dieses wirklich wertvolle ehemalige Industriegelände hat nun die Chance, wieder aufzublühen und sich zugunsten der Stadt zu entwickeln – was ohne Landesgartenschau möglicherweise nicht gekommen wäre: als Areal für Arbeiten, Studieren und Wohnen in Verbindung mit einem Erholungspark. Die Uni erhält attraktive Entwicklungsflächen in großteils erhaltener Denkmalsubstanz. Es wird innenstadtnaher Wohnraum geschaffen, die Planung legt Wert auf Nahversorgung. Als Pendant zum Hain im Bamberger Süden erhält Gaustadt auch langfristig ein reizvolles Naherholungsgebiet.


Contra

Das Dornröschen ERBA-Insel wird nicht wach geküsst, sondern unsanft aus dem Schlaf gerüttelt – zuerst mit einem Riesenevent, dann mit einer überdimensionierten Bebauung. Die Landesgartenschau dient vor allem den Investoren dazu, ihre Bauvorhaben mit einem öffentlich finanzierten Park aufzupeppen und effektiv zu vermarkten.

Fast überall, wo die LGS bisher Spuren hinterlassen hat, wurde erst mal Natur platt gemacht, um sie dann wieder nach LGS-Gusto zu gestalten. Viele BürgerInnen wurden dadurch verschreckt.

Eine ernst zu nehmende Bürgerbeteiligung hat es kaum gegeben. Dabei müsste das eigentliche Ziel sein, langfristig einen Bürgerpark auf der ERBA-Insel zu gestalten. Doch nach dem Groß-Event wird der Park extrem schrumpfen.

Wesentliche Chancen für die Entwicklung des neuen Stadtteils wurden vertan: Die ERBA-Insel wäre prädestiniert gewesen für autofreie Stadtplanung, sozialer Wohnungsbau spielte keine Rolle, sondern nur hochpreisige Eigentumswohnungs-Angebote, innovative Wohnformen (generationenübergreifend, Gemeinschaftsmodelle) werden nicht ausprobiert, ökologische Bauweise wäre ein Glücksfall.
Mit der Landesgartenschau will sich Oberbürgermeister Starke ein weiteres Denkmal setzen. Wenn die Kosten so weiter explodieren wie bisher, könnte es auch sein Millionengrab werden.