Kunst gegen Atom – die etwas andere Erinnerungsveranstaltung
Eine Gedenkstunde ganz anderer Art fand am 30-sten Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl in Bamberg statt. An dem aus Hof stammenden Tschernobyldenkmal, einer hilflos auf dem Rücken liegenden Schildkröte aus schwarzen Granit, standen nicht Reden von Politikern im Mittelpunkt, sondern Kunstaktionen verschiedener Künstler. So hatte die Architektin und GAL-Stadträtin Ursula Sowa ein interessantes Programm zusammengestellt. Im Mittelpunkt stand der Bildhauer Jinmo Kang aus Südkorea, der für einen Kunstwettbewerb der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Hof vor dreißig Jahren die Schildkröte als Denkmalsentwurf eingereicht hatte. Eine Jury unter Leitung von Professor Gomringer aus Rehau hatte seinen Entwurf ausgewählt und zur Verwirklichung vorgeschlagen. Damals noch Meisterschüler von Professor Kornbruster an der Kunstakademie München, ist Jinmo Kang heute ein international renommierter Bildhauer, der Ausstellungen rund um den Globus mit seinen Werken bestückt. Kang erklärte sich glücklich, dass seine Arbeit, die von Schülern und Lehrern der Steinfachschule Wunsiedel in die richtige Größe umgesetzt wurde, in der herrlichen Uferlandschaft der Regnitz in Bambergs Innenstadt ihren Platz gefunden hat. Dem Anlass entsprechend, wurde die aktuell begleitende Kunstaktion gestaltet. Andreas Ulich, Schauspieler aus Bamberg, las mehrere Auszüge aus dem Roman „Tschernobyl“ der weißrussischen Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexejewitsch vor. Die beeindruckenden Texte zeichneten die erschütternden Schicksale der „Tschernobylmenschen“ auf. In den aufgezeichneten Interviews berührten vor allem die Aussagen der Kinder und Jugendlichen, die offensichtlich durch die grausamen Erlebnisse der Evakuierung und folgender Krankheiten nur noch Hoffnungslosigkeit und Fatalismus zum Ausdruck brachten. Noch beklemmender erlebten die zahlreichen Teilnehmer der Veranstaltung die Musik des russisch-ukrainischen Komponistenehepaars Anna Korsun und Sergey Khismatov, die die Lesung mit einer Komposition exklusiv für diesen Tschernobyl-Gedenktag gestalteten. Sergey Khismatov war Stipendiat der Bamberger Künstlervilla Concordia und so ein alter Bekannter für die Bamberger Teilnehmer. Mit verschiedensten Instrumenten verstärkt durch zwei Megaphone eröffneten die Musikkünstler, die zur Zeit in Leipzig leben, Klangräume, die direkt in die Reaktorhalle oder in die verlassenen Städte zu führen schienen. So waren Sirenentöne und das unheilschwangere Klicken der Geigerzähler ebenso zu hören wie die Schreie verzweifelter Menschen oder die Laute hilfloser Tiere. In einem Grußwort erklärte einer der Initiatoren des Denkmals, Udo Benker-Wienands aus Hof, dass die Geschichte von Tschernobyl noch lange nicht zu Ende geschrieben sei. Auch in Deutschland seien, wie in weiten Teilen Europas, nach wie vor die Folgen der Katastrophe zu spürten. Ganz unverständlich wäre es, wenn auch jetzt noch Atomkraftwerke weiterliefen, ja sogar neue gebaut werden sollten. GAL-Stadträtin Ursula Sowa freute sich über die Internationalität der Veranstaltung. Dies entspräche auch der Internationalität der Atomkatastrophe von Tschernobyl, die weit über die damaligen Staatengrenzen hinaus die Umwelt verseucht habe. Text: Udo Benker, Fotos: Yi Eun Hi |
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