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Fairtrade werden ist nicht schwer –  Fairtrade sein dagegen sehr

Fairtrade-Town darf sich Bamberg nun nennen – und natürlich gab es dazu famose Presse und üppige Selbstbeweihräucherung. Doch der Titel, verliehen im Rahmen der Fairtrade-Town-Kampagne des TransFair e.V., besteht aus viel Fassade – mit wenig Substanz dahinter.

39 Einzelhandelsgeschäfte führt die Stadt auf ihrer Fairtrade-Liste. Wirkt beeindruckend. Doch darunter sind je drei Aldi-, Lidl- und Netto-Filialen einzeln gezählt (macht schon mal neun), und ohnehin genügt es, zwei Produkte aus fairem Handel im ganzen Sortiment zu führen, um in die erlesene Liste aufgenommen zu werden. So locker wird das auch bei den Gastronomiebetrieben, Schulen, Vereinen und Kirchengemeinden gehandhabt, die eine Fairtrade-Town vorweisen muss. Wie ernst die beteiligten Geschäfte und Organisationen dann ihr Engagement tatsächlich nehmen und umsetzen, bleibt im Prinzip jedem selbst überlassen und wird nicht kontrolliert. Wobei die † hier nicht behaupten will, dass es in diesen Reihen nicht wirklich beachtliche Anstrengungen für einen fairen Handel gibt.
Aber als Fazit bleibt: Fairtrade-Town werden ist nicht schwer – wirklich Fairtrade-Town sein dagegen schon!

Über den schmucken Titel hinaus hat sich die Stadt – Politik und Verwaltung – bisher noch nicht auffallend ins Zeug gelegt. Seit 2010 schiebt der OB beispielsweise einen Antrag der GAL auf öko-soziale Vergaberichtlinien vor sich her. Erst als die GAL vors Verwaltungsgericht zog, setzte er den Antrag überhaupt erst mal auf die Tagesordnung des Stadtrats … von wo aus er wieder wohlwollend an die Verwaltung zurückverwiesen wurde, um weiter vor sich hin zu schlummern.

Was nötig wäre, sind städtische Vergaberichtlinien, die Fairtrade als Zuschlagskriterium im Vergabeverfahren festlegen. Firmen, die einen Auftrag der Stadt erhalten oder von denen die Stadt Produkte erwirbt, müssten sich dann z.B. an die Kernarbeitsnormen der ILO (International Labour Organisation) halten: u.a. Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit, Nicht-Diskriminierung.

Diese Vorgaben müssten auch in allen Schulen, im Theater, der VHS und den weiteren Einrichtungen der Stadt Bamberg umgesetzt werden, ebenso wie in ihren Tochterunternehmen: Sozialstiftung, Stadtbau GmbH, Stadtwerke, Arena GmbH usw.

Außerdem brauchen Stadtbedienstete handhabbare Informationen über seriöse Fair-trade-Zertifikate und -Siegel, wenn sie für die Stadt beschaffen und einkaufen. Und das gesamte Beschaffungswesen sollte durch eine Steuerungsgruppe auf Fairtrade regelmäßig überprüft werden.

Inzwischen gibt es auch Engagment aus der jungen Bürgerschaft, das die Stadt auf Trab bringen will. Change e.V. hat eine Petition angekündigt, die von zahlreichen Organisationen mitgetragen werden soll.

sys

 

Die Stadt auf rasantem Slalom durch die Straßenverkehrsordnung

Nein, liebe AutofahrerInnen, wenn Sie in Bamberg am Straßenrand ein rundes Verkehrsschild sehen, mit rotem Rand und einer schwarzen 30 in der Mitte, dann heißt das nicht zwangsläufig, dass sie Ihr Tempo auf 30 Stundenkilometer zu drosseln haben. Also, Sie sollen schon, aber Sie müssen nicht unbedingt. Zumindest bleiben Sie unbehelligt, wenn Sie sich nicht dran halten.

Außer in besonderen Fällen.

Nämlich nur dann, wenn sich mindestens eines der folgenden „Verkehrshindernisse“ in unmittelbarer Nähe befindet: Fußgängerüberweg, Schule, Kindergarten, Bushaltestelle oder Altenheim. Ansonsten … pfff … pfeif auf das Schild und drück auf die Tube!

Von der kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung, die seit Oktober 2013 u. a. die Einhaltung von Tempo-30-Zonen überwachen soll, haben Sie jedenfalls nichts zu befürchten. Die interessiert sich nämlich – laut Vorgabe aus dem Stadtrat und mit ganz akribischer Umsetzungszuverlässigkeit im Rathaus – nicht mit dem geringsten Radarstrahl für läppische Tempo-30-Zonen, die einfach in irgendeiner Straße irgendwann mal aufgrund irgendeines Beschlusses eingerichtet wurden. Es muss schon mindestens eine erkleckliche Anzahl Schulkinder echt gefährdet oder schon mal eine Oma mit Rollator von der Straße gefegt worden sein, damit das mobile Überwachungsgerät dort aufgestellt wird.

Sonst könnten die „Freie-Fahrt-für-freie-Bürger“ unter Ihnen die kommunale Geschwindigkeitsüberwachung ja womöglich so interpretieren, dass die Stadt da nur Geld abschöpfen will – und das will man im Rathaus und im Stadtrat natürlich auf keinen Fall!

Pech natürlich für die AnwohnerInnen in der Friedrichstraße und für die am Babenbergerring (Höhe Graf-Arnold-Straße). Die hatten für ihre Straßenzüge eine Überwachung der dort vorgeschriebenen Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometer angeregt. Und Testmessungen hatten tatsächlich ergeben, dass am ersten Standort sich nur 20% und am zweiten Standort gar nur 2% an Tempo 30 hielten.
„Man sieht deutlich, dass der Autofahrer die Anordnung km/h 30 nicht annimmt.“ So das wörtliche Resümee der Stadtverwaltung im Sitzungsvortrag für den Umweltsenat. Die Konsequenz daraus zieht man gleich im darauf folgenden Satz: „Um nicht den Vorwurf der Abzocke aufkommen zu lassen, ist eine Verkehrsüberwachung nicht anzuraten (…).“
Beide Örtlichkeiten wurden also nicht in den „Katalog der kommunalen Verkehrsüberwachung“ aufgenommen.

Man sollte dort vielleicht die runden Schilder mit rotem Rand und schwarzer 30 in der Mitte am besten durch ein passendes Zusatzschild ergänzen: „Bloß wennsd’ mogsd!“

sys