10 kluge Fragen zum Bahnausbau

Wie ist das eigentlich …

1 … mit der Ablehnung jeglicher Ostumfahrung
durch den Bamberger Stadtrat. Ist das bindend?

Jein! Der Stadtrat hat sich nur selbst politisch gebunden. Der Bauherr (Deutsche Bahn AG) und die Genehmigungsbehörde (Eisenbahnbundesamt) sind nach wie vor frei, den Trassensuchprozess auch im Osten fortzuführen. Der Stadtratsbeschluss ist nur eine Meinungsäußerung zum Bundesverkehrswegeplan. Das Planfeststellungsverfahren für das Bauprojekt hat noch gar nicht begonnen. Auch da kann Bamberg erneut eine Stellungnahme abgeben und baujuristische Einwände vorbringen, aber verhindern kann sie das Projekt so oder so nicht.

2 … mit der Null-Variante? Bamberg kann doch
beim Ausbau nicht einfach ausgespart werden, oder?

Doch, das wäre die so genannte „Fürther Variante“: Auch in Fürth gibt es ein Streckenstück, das nicht ausgebaut wird. Zwei unabhängige, von der Stadt beauftragte Gutachten haben festgestellt, dass über viele Jahre hinweg der aktuelle Verkehr und sogar beinahe eine Verdoppelung des Güterverkehrs ohne Probleme auf dem derzeitigen Gleisbestand abzuwickeln sind. Der ist nämlich im Vergleich zu anderen Streckenabschnitten heute schon relativ gut.

3 … mit der Baustelle bei einem oberirdischen
Bahnausbau durch die Stadt? Liegt da nicht alles lahm?

Das ist in etwa zu erwarten. Es wäre ein jahrelanger Prozess, der in Bauabschnitten durchgeführt wird. Man geht von ca. zehn Jahren aus. Vermutlich wird das die größte Baumaßnahme in Bamberg überhaupt. Und wie eine Operation am offenen Herzen.

4 … mit den zusätzlichen Gleisen? Wo sollen die
hin und was wird dafür abgerissen?

Beim so genannten „Viergleisigen Bahnausbau“ werden zwei vorhandene Gleise ertüchtigt und zwei weitere neu gebaut, nach den jetzigen Plänen östlich der bestehenden Trasse. Betroffen davon wäre ein denkmalgeschützter Ziegelbau der Firma Weyermann, ein ehemals unter Denkmalschutz stehender Lokschuppen der Bahn, der aber mittlerweile baulich nicht mehr zu retten ist, und einige marginale Gebäude wie Schuppen und Lagerbauten. Wohngebäude würden nicht abgerissen.

5 … mit dem Lärmschutz? Gibt es den auf jeden Fall?
Und wann?

Lärmschutz gibt es auf jeden Fall dann, wenn neue Gleise gebaut werden, das ist nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz vorgeschrieben, und zwar auf der gesamten Ausbaustrecke. Vorher gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf Lärmschutz, aber doch die Möglichkeit einen zu bekommen, zumindest an Teilstrecken. Vor allem in der Gereuth wäre ein so genannter vorgezogener Lärmschutz an der bestehenden Bahnstrecke dringend nötig und auch realistisch. Denn dafür hat der Bund vor Jahren extra ein Lärmsanierungsprogramm aufgelegt und dieses immer weiter aufgestockt. Bamberg ist zwar auch in der Liste der Sanierungsmaßnahmen enthalten, aber leider nur weit hinten. Die Stadt hat es bislang versäumt – immer mit Blick auf den angekündigten Ausbau in Bamberg –, hier mehr Druck zu machen. Ein Antrag der GAL von 2012 verpuffte leider. Da immer noch nicht klar ist, wann überhaupt mit einem ersten Spatenstich in Bamberg zu rechnen ist, sollte die Stadt endlich auch in diese Richtung aktiv werden.

6 … mit den Lärmschutzwänden mitten durch die
Weltkulturerbestadt? Gäbe es Alternativen?

Der Lärmschutz ist im Bundesimmissionsschutzgesetz BImSchG geregelt, und wie er umgesetzt wird, in der Schallschutzrichtlinie „Schall 03“. Diese beiden zusammenhängenden Vorgaben wurden 2015 geändert. DB und Stadt sind sich nun juristisch uneinig, ob die alte Fassung oder die neue anzuwenden ist, je nachdem, ob man das Planfeststellungsverfahren für den Bahnausbau in Bamberg als „Wiederauflage“ (DB) oder als „Neuauflage“ (Stadt) des Verfahrens aus den 90er Jahren interpretiert.
Würde man den Bahnausbau nach altem BImSchG und „Schall 03 alt“ planen, wären die Lärmschutzwände links und rechts neben den zwei neuen Gleisen – zumindest abschnittsweise – bis zu 5 m hoch und die Wand in der Mitte zwischen den Gleisen 6 m hoch. Da das Gleisbett vermutlich beim Bau zusätzlich um bis zu 1 m angehoben werden muss, bedeutet das in Relation zum umgebenden Stadtbild bis zu 7 m hohe Lärmschutzwände. Wer sich ein vergleichbares Bild machen will, kann das an der Bahnstrecke von Fürth nach Erlangen tun.

Im neuen BImSchG ist der so genannte Schienenbonus abgeschafft, es stellt also höhere Anforderungen an den Lärmschutz bei der Bahn. Die Lärmschutzwände müssen dadurch aber nicht zwangsläufig noch höher gebaut werden, denn die „Schall 03 neu“ lässt im Vergleich zur „Schall 03 alt“ auch innovative Lärmschutzmaßnahmen zu. Dazu gehören etwa Flüsterbremsen, Schienenstegdämpfer, Schallschutzwände direkt an den Gleisen in Zugradhöhe usw., d.h. vielerlei Alternativen zu den gefürchteten hohen Lärmschutzwänden. So ganz erprobt sind diese neuen Methoden aber noch nicht, und es herrscht in Fachkreisen auch plausible Skepsis über ihre Wirksamkeit.

So gesehen wäre es für Bamberg gut, wenn sich die Sache möglichst lange hinzieht und verzögert. Denn je mehr Zeit vergeht, desto weiter kommt die lärmreduzierende Umrüstung der DB-Güterzug-Flotte voran und desto mehr Praxiserfahrungen mit innovativen Lärmschutzmethoden gewinnt man. Andererseits sollte deshalb die Belastung des heute schon massiv betroffenen Bamberger Südens nicht noch weiter verlängert werden. Für die Gereuth ist sofortiger Lärmschutz zu fordern, es wären auch hohe Lärmschutzwände hinzunehmen.

Übrigens gäbe es auch ganz simple Lärmschutzmaßnahmen zugunsten der Anwohnenden der Bahngleise in Bamberg: Einfach langsamer fahren. Aktuell sind nach dem Ausbau Durchfahrtsgeschwindigkeiten für ICEs mit 230 km/h und für Güterzüge mit maximal 160 km/h vorgesehen.

7 … mit dem ICE-Halt? Ist der jetzt -sicher oder nicht?

Der ICE-Halt – als System-Halt mit über den ganzen Tag verteilten Haltezeiten – ist zugesichert, weil er durch den Bedarf (Anzahl der Fahrgäste, die in Bamberg zu- und aussteigen) wirtschaftlich begründet ist. Ob das auch in 20 Jahren noch so ist, hängt nicht von der Ausbauvariante ab, sondern von der Nutzung des ICE-Halts durch die Fahrgäste.

8 … mit den Kosten? Muss die Stadt Bamberg die
Finanzierung auch mittragen?

Nach dem Eisenbahnfinanzierungsgesetz muss sich die Kommune bei den Brücken und Unterführungen mit einem Drittel beteiligen. Das bezieht sich nur auf die Wiederherstellung des vorigen Zustands. Wünscht sich die Kommune irgendeine Verbesserung, z.B. eine breitere Brücke oder eine höhere Unterführung, dann muss sie die gesamten Mehrkosten selbst tragen. Eine solche Aufwertung kann auch gesetzlich vorgeschrieben sein, und auch dann muss die Kommune zahlen. In Bamberg trifft das auf nahezu alle Unterführungen zu. Wenn eine Straße in der Straßenhierarchie als Hauptverkehrsachse einzuordnen ist, dann sind bestimmte Spurbreiten und Durchfahrtshöhen einzuhalten, also Standards, die aktuell bei den Unterführungen heute noch nicht eingehalten werden. Die Anpassung muss die Stadt Bamberg als Straßenbaulastträgerin dann also selbst finanzieren. Man rechnet mit einem zweistelligen Millionenbetrag, genauere Zahlen sind nicht bekannt. Auch bei der Tunnellösung könnten Kosten auf die Stadt zukommen, siehe Frage 9.

9 … mit der Tunnel-Lösung? Ist die überhaupt
finanzierbar? Und kann man mitten durch die Stadt
einen Tunnel bauen?

Der Tunnel für die zwei neuen Gleise würde in bergmännischer Bauweise verwirklicht, also wie ein Maulwurf unter der Stadt durch. Die Strecke verliefe dann unter den bestehenden Gleisen. Technisch ist das möglich, aber teuer – insbesondere, weil man unter allen unterirdisch verlegten Leitungssystemen durch muss. Möglicherweise muss man auch unterhalb des Grundwasserspiegels graben, was das Bauprojekt nochmals verteuern würde. Und auch die bestehenden Straßenunterführungen sind ein Problem: Entweder man muss auch unter sie hindurch, oder stattdessen neue Überführungen bauen – mit entsprechenden Kosten und Folgen für das Stadtbild.
Wenn die Stadt diese Variante favorisiert, könnte es sein, dass sie sich an solchen Mehrkosten (im Vergleich zu einem oberirdischen Ausbau) beteiligen muss. Die Kosten für den oberirdischen Ausbau werden derzeit mit 800 Mio Euro angesetzt, die für den Tunnelausbau mit 35% mehr, also ca. 1,1 Mrd, was aber wegen vieler Unwägbarkeiten noch eine sehr vage Angabe ist.
Ohne oberirdische Baustelle wird man auch bei der Tunnel-Variante nicht auskommen, denn zwei Bestandsgleise sollen ja auf der ganzen Strecke baulich ertüchtigt werden. Am Bamberger Stadteingang von Süden her sollen diese außerdem zusammen mit den Neubau-Gleisen in einem Schacht tiefer gelegt werden und erst weiter nördlich, wenn die neuen Gleise im tiefen Tunnel verschwinden, wieder nach oben führen.

10 … mit dem Start der ganzen Aktion?
Wann geht es überhaupt los?

Dazu kann man nur spekulieren. Beim ersten Planfeststellungsverfahren in den 90er Jahren ging man auch schon davon aus, dass es bald losgehen würde. Das jetzt neu aufgelegte Planfeststellungsverfahren hätte schon letztes Jahr starten sollen, dann wurde es auf 2016, aktuell auf 2017 verschoben. Allein das Verfahren selbst wird ca. fünf Jahre dauern, erst dann könnte man überhaupt mit Ausschreibungen beginnen.
Was aber noch gravierender ist: Die Maßnahmen, die aktuell im Bundesverkehrswegeplan enthalten sind (und es kommen ja bei jeder Fortschreibung neue hinzu), haben ein Finanzvolumen, das dem Etat für Verkehrsinvestitionen der kommenden 50 Jahre entspricht. Es hängt also stark davon ab, welche Prioritäten bei der Mittelvergabe gesetzt werden. Aktuell stehen große – für die Bahn vordringliche und teure – Projekte an vielen Orten in der Republik an (Stichwort Stuttgart 21), die Finanzmittel in großem Ausmaß binden. Wir haben Aussagen aus dem Bundestag, die davon ausgehen, dass in Bamberg nicht vor 2030 gestartet wird.

 

Die Antworten gaben Ursula Sowa, GAL-Mitglied im „Koordinierungskreis Bahnausbau“ der Stadt Bamberg, und Peter Gack, verkehrspolitischer Sprecher der GAL-Stadtratsfraktion.

sys

Mehr Infos zum Thema Bahnausbau auf Öffnet externen Link in neuem Fensterwww.stadt.bamberg.de

   

Im Jahr 2011 wurde erstmals klar, dass der Bahnausbau durch Bamberg hohe Lärmschutzwände mit sich bringen würde, die sogar das Weltkulturerbe bedrohen könnten. Bei einer Aktion im Februar demonstrierte die GAL an der Unterführung Geisfelder Straße mit Hilfe einer Latte das Ausmaß von fünf Meter hohen Lärmschutzwänden (4 m Latte + 1 m hohes Geländer). Foto: Erich Weiß