Unangemessen wohnen in Bamberg

Die Wohnkosten von Hartz-IV-EmpfängerInnen werden von der Stadt übernommen. Aber nicht in angemessener Höhe. Das widerspricht geltendem Recht. Die Verwaltung wurde erst durch einen GAL-Antrag auf Trab gebracht.


Die GAL hatte bereits im Juli 2011 beantragt, die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU), also das, was Hartz-IV-EmpfängerInnen als Erstattung für Miete und Heizung erhalten, zu erhöhen. Die Sätze sind veraltet, nicht mehr dem jetzigen Wohnungsmarkt und den derzeitigen Energiepreisen angemessen, und zudem entsprechen sie zudem nicht mehr der aktuellen Rechtsprechung.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen war der GAL-Antrag Thema im Finanzsenat. Und ein für die GAL zähes Unterfangen.

Die Stadtverwaltung hatte inzwischen immerhin eingesehen, dass die Heizkosten zu erhöhen sind, eine Preissteigerung seit 2009 (letzte Anpassung) war nicht mehr vom Tisch zu weisen. Das Rathaus schlug denn auch eine deutliche Erhöhung von 19% ab dem 1.1.2012 vor, was immerhin 200.000 Euro Mehrkosten im Haushalt verursacht. Dem stimmte der Stadtrat mehrheitlich zu.

Zahlung der Heizkosten rechtlich nicht korrekt

Das ist natürlich zu begrüßen und hilft den Betroffenen. Gleichwohl bleibt dazu anzumerken, dass auch dies nicht ganz korrekt ist. Denn eigentlich müssten die Heizkosten nach der jeweiligen Heizungsart (Gas, Öl/Holz, Strom/Fernwärme) differenziert werden. Im Landkreis Bamberg wird das auch so gemacht. Und bei einem Blick ins Umland ist es überdies verwunderlich, warum in der Stadt anscheinend kostengünstiger geheizt werden kann als im Landkreis. Dort nämlich gelten höhere Richtwerte.

Und noch weiteres gilt es zu bemängeln. In Bamberg werden die Kosten von Heizung und Unterkunft zusammen veranschlagt. Der GAL liegen interne Dienstanweisungen an die Mitarbeiter des Jobcenters Bamberg vor, dort heißt es: „Aufgrund der bisher erfolgten Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft vom Gesamtbetrag aus Grundmiete, Nebenkosten und Heizkosten auszugehen ist.“ Diese Rechtsauffassung ist lange überholt (u. a. durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22. September 2009): Heizkosten sind in tatsächlicher Höhe zu erstatten. Die Dienstanweisung ist mithin nicht korrekt und sollte schleunigst aufgehoben werden. Jeder Bamberger Bescheid ließe sich in Bezug auf die Heizkosten anfechten, da bereits das Konstrukt eines „Gesamtbetrags“ nicht mit dem Gesetz vereinbar ist. Ein Zustand, der allerdings nicht nur in Bamberg, sondern auch in vielen anderen deutschen Städten festzustellen ist.

Verwaltung legt Hände in den Schoß

Zugeständnisse bei den Heizkosten ja – bei den Mietkosten als Teil der KdU wollte die Verwaltung unter Oberbürgermeister Starke jedoch alles beim Alten lassen. Angemessenheit von Miethöhen von 2009 – als ob es die eklatanten Veränderungen auf dem Bamberger Wohnmarkt seither nicht gegeben hätte.

Und noch frappierender war die Begründung der Verwaltung dafür: Es lägen weder ein aktueller Mietspiegel noch geeignetes statistisches Datenmaterial vor, um mit einem Konzept, das die Anforderungen des Bundessozialgerichts erfüllt, die Angemessenheitsgrenzen für die Mieten neu zu errechnen. Mit anderen Worten: Die Verwaltung wisse zwar, dass die Angemessenheitsgrenzen nicht mehr angemessen, sondern zu niedrig sind, aber weil sie nicht weiß, was genau eine angemessene Erhöhung wäre, lässt sie lieber die Finger davon. Pech für die Betroffenen – denn ihre Mietkosten bleiben unterbezahlt.

Ein solches Nichthandeln der Kommune ist jedoch in keiner Weise gerechtfertigt, das geht sogar aus einem Schreiben des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums vom 10. Juli 2009 an alle kreisfreien Städte in Bayern hervor: „Die Angemessenheit des Quadratmeterpreises [der Miete, Anm.d.Red.] ist unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten konkret zu ermitteln.“ Es wird darauf hingewiesen, dass dafür, wenn kein Mietspiegel vorhanden ist, folgende „Erkenntnisquellen“ heranzuziehen sind: „Recherchen im Internet, Studium von Zeitungsanzeigen, Auskünfte der örtlichen Akteure des Wohnungsmarktes (z.B. Haus- und Grundbesitzerverein, Mieterbund)“ und die Statistiken der Wohngeldfälle.

Frist für Neuberechnung bis Mitte 2012

Dass die Stadtverwaltung entweder nicht willens oder nicht in der Lage war, diese Nachforschungen anzustellen, ist peinlich oder dreist – oder auch beides. Das sah dann zum Glück die Stadtratsmehrheit genauso und verwies den GAL-Antrag in eine zweite Lesung. Die Verwaltung ist somit beauftragt, die Angemessenheitsgrenzen neu zu berechnen, allerdings hat sie dafür ein halbes Jahr Zeit bekommen, also bis Mitte 2012.
Können Menschen, die für ihren Lebensunterhalt auf staatliche Hilfe angewiesen sind, eigentlich noch darauf vertrauen, dass man angemessen für sie sorgt und dass gesetzliche Vorgaben auch umgesetzt werden? Was wäre eigentlich gewesen, wenn die GAL nicht nachgebohrt hätte?

pega/DK/sys


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Irren ist amtlich – Bürgernähe könnte helfen

Im Jahr 2011 hatte die GAL ihren politischen Schwerpunkt auf soziale Themen, insbesondere Armut, gelegt. In zwei großen Podiumsdiskussionen und weiteren Gesprächen mit ExpertInnen und Betroffenen kamen immer wieder Klagen über das Bamberger Jobcenter zur Sprache: rechtswidrige Bescheide, Antrags- und Leistungsverzögerungen, ungerechtfertigte Sanktionen, überhöhte Anforderungen vorzulegender Bewerbungen. Nicht alle Fälle lassen sich so klar aufs politische Parkett bringen wie die offensichtliche Unangemessenheit der in Bamberg gezahlten KdU (Kosten der Unterkunft, siehe nebenstehender Bericht). Manches sind individuell zu prüfende und auch nur so zu korrigierende Einzelfälle. Doch auch nicht jeder Leistungsberechtigte oder Klient des Jobcenters geht zum Rechtsanwalt oder vor Gericht.

In mehreren deutschen Jobcentern, etwa Duisburg, Lippe (NRW), Essen oder Offenbach gibt es beispielsweise Ombudsleute bzw. Ombudsstellen, in Berlin und Dortmund so genannte Bescheiderklärer – unabhängige, ehrenamtliche Personen, an die sich die Menschen wenden können, die sich von den Entscheidungen der Behörde Jobcenter ungerecht behandelt fühlen oder einfach nur Fragen haben. Ziel ist, Einwände generell nicht als Stänkerei aufzufassen, sondern zunächst ernst zu nehmen, um dann berechtigte Einwände zu klären und gemeinsam mit dem Betroffenen zu lösen. Oft können so Streit und Wege zum Anwalt oder vor Gericht verhindert, aber auch dafür gesorgt werden, dass LeistungsbezieherInnen zu ihrem Recht kommen. Eine solche Anlaufstelle könnte auch in Bamberg helfen.