"Masterplan wurde zum Schimpfwort"

Im Gespräch mit Ulla Marx

Ulla Marx nahm als Anwohnerin am Mediationsverfahren „Masterplan Zukunft Innenstadt“ teil. In einem gaz-Interview blickt sie zurück auf emotionale Diskussionen, starke Lobby-Arbeit und Bürgerbeteiligung zwischen Lust und Frust.


: Sie haben am Mediationsverfahren „Masterplan Zukunft Innenstadt“ als Anwohnerin teilgenommen. Wie sind Sie dazu gekommen und was war Ihre Motivation?

Im September 2007 erhielt ich von Herrn Oberbürgermeister Starke die Einladung, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen, das die Frage stellte, in welche Richtung sich die Bamberger Innenstadt entwickeln sollte.
Als Innenstadtbewohnerin liegt mir die Zukunft meiner Wohnumwelt am Herzen. Ich bin davon überzeugt, dass sich in den nächsten Jahren unsere Innenstädte besonderen Ansprüchen ausgesetzt sehen, unser Mobilitätsverhalten, unser Anspruch an Wohn- und Arbeitsumfeld werden sich massiv und rasant ändern.
Zum anderen reizte mich die Aufgabe, einen Diskurs zu führen über die vielfältigen, teils konkurrierenden Ansprüche an die Bamberger Innenstadt – zusammen mit anderen Anwohnern, Gewerbetreibenden, Stadtmarketing, Vertretern von Denkmalpflege, Uni, Tourismus, Verkehr und Kirchen.


: Welchen Verlauf hat das Verfahren dann genommen?

Das Verfahren war ergebnisoffen angelegt, Kreativität und auch Querdenken waren ausdrücklich erwünscht. In fast allen Bereichen bestand bei den Teilnehmern Übereinstimmung, sowohl über die postulierten Ziele als auch über die dafür notwendigen Maßnahmen, so etwa bei der Steigerung der Aufenthalts- und Wohnqualität.
Als einziges Problemfeld stellte sich im Nachhinein und bis heute der Bereich „Verkehr“ heraus.


: Inwiefern war das Thema Verkehr problematisch?

Gegen alle Punkte der Konvention, die verkehrsberuhigend wirken sollten, und auch gegen das daraus entstandene Parkkonzept für die Innenstadt wurde von einem Teil der Geschäftsleute massiv und sehr emotional protestiert. Diese starke Emotionalisierung des Themas „Verkehr“ („Die Innenstadt stirbt, wenn nicht jeder sein Auto vor jedem Geschäft parken kann.“) und teilweise falsche Behauptungen („Seit dem Masterplan sind Parkplätze vernichtet worden.“ richtig ist: Mit den Tiefgaragen Wachsbleichen und Luitpoldeck sind neue entstanden) haben das gesamte Masterplanverfahren und dessen Teilnehmer diskreditiert – Masterplan wurde zum Schimpfwort.


: Wurde das Ziel, durch eine faire konstruktive Kommunikation über die Innenstadtentwicklung zu konsensfähigen Lösungen zu kommen, aus Ihrer Sicht erreicht?

Es wurde zwar im Verfahren selbst, nicht aber hinterher erreicht. Massive Lobbyarbeit und sicher auch die Tatsache, dass es in der Bürgerschaft keine einheitliche Meinung zum Thema „Autoverkehr“ gibt, haben dazu geführt, dass der Stadtrat diesbezügliche Entscheidungen immer wieder aufgeschoben hat.


: Wie ging es weiter?

2009 beschloss der Stadtrat, noch einmal mit Hilfe der Bürger dieses brisante Thema anzugehen. Für den Bereich Lange Straße und Kranen wurde ein Arbeitskreis gebildet, der unter der Moderation der Stadt in vier Arbeitssitzungen im Jahr 2010 Vorschläge erarbeitet hat, wie der Straßenraum gestaltet werden sollte. Zu diesem Arbeitskreis waren sämtliche Anwohner, Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende der Langen Straße und der anliegenden Straßen eingeladen, außerdem je sieben Vertreter, die von Stadtmarketing und IG Masterplan nominiert waren. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen wurde zumeist einstimmig oder mit 2/3-Mehrheit verabschiedet. Die Stadtverwaltung führte die Vorschläge als Gestaltungsentwürfe aus. Aber wieder fehlte dem Stadtrat der Mut zur Umsetzung.


: Wie ist heute der Rückblick der an dem Verfahren beteiligten BürgerInnen?

Die Reaktion bei den Teilnehmern der beiden Verfahren war vorhersehbar und ist verständlich. Die mildeste Reaktion ist noch die Meinung, dass es für Bamberg traurig ist, dass nach jahrzehntelangem Stillstand wieder nichts passiert. Es wird auch geäußert, dass der Stadtrat immer wieder vor der Lobby einknickt und dass in Bamberg sowieso nichts gegen die Meinung einiger weniger geschieht.
Als vielleicht problematischste Folge sehe ich persönlich die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, dass sich Bürgerengagement nicht lohnt.


: Haben Sie sich nun enttäuscht und frustriert zurückgezogen?

Nein. Im Jahr 2008 gründete sich die Interessengemeinschaft Masterplan, die sich seither mindestens einmal im Monat trifft. Anfangs bestand die IG aus Teilnehmern des Verfahrens, inzwischen beteiligen sich viele Bürger und Bürgerinnen. Uns gemeinsam ist ein Ziel: Wir wollen eine lebens- und liebenswerte Stadt, und dafür sehen wir in den gefundenen Vorschlägen eine gute Grundlage. Wir wollen nicht nur gegen etwas sein, sondern konstruktiv mitarbeiten, aber wir fordern von den politischen verantwortlichen Gremien auch, ihrer Verantwortung gegenüber allen Bürgern gerecht zu werden. Ich persönlich werde mich weiterhin einmischen.

Interview: Christiane Hartleitner

   

Ulla Marx