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Keine touristische Erbsenzählerei

Rund 1.942 Mio TagestouristInnen kamen im Jahr 2009 nach Bamberg, so die offizielle Statistik. Und vielen BewohnerInnen, vor allem der Altstadt, ist das eindeutig zu viel. Deshalb wird, auch von offizieller Seite, besonders dafür geworben, dass ein längerer Aufenthalt in Bamberg sich lohnt. Gäste sollen übernachten und möglichst mehrere Tage in Bamberg bleiben, ein Hopp-und-weg-Tourismus soll vermieden werden – und natürlich sollen die Leute in diesen Tagen möglichst viel Geld in Bamberg ausgeben.

Doch schafft man es, die Zahl der Mehr-Tages-Gäste im Vergleich zu den TagestouristInnen zu erhöhen? Nein! Geht gar nicht.
Warum? Ganz einfach: Letztere werden nicht gezählt. Die Statistik berechnet die Anzahl der TagestouristInnen auf Grundlage der gewerblichen Übernachtungszahlen, die im Jahr 2009 übrigens bei exakt 388.416 lagen.

Über diese Hintergrundinformation, nachzulesen in einer Sitzungsvorlage des Grundsatzsenats im vergangenen Jahr, waren auch viele StadträtInnen erstaunt. „Die Zahl der Tagestouristen“, hieß es dort, „(…) ist also kein gezählter numerischer Wert, der das tatsächliche Aufkommen bemisst, sondern ein auf der Basis langjähriger Studien angesetzter Multiplikationsfaktor, der auch im Falle Bambergs zur Ermittlung des tagestouristischen Aufkommens angewandt wird: Amtliche Übernachtungszahlen mal Faktor ,5‘ “.

Tja! Na hoffentlich hält sich die Traumstadt Bamberg auch brav an die Erkenntnisse langjähriger Studien und damit an dieses statistische Rechenexempel. Manch eine/r, der sich wochenends mit dem Fahrrad durch die Altstadt mit gefühlten 16 Millionen Reisegruppen schlängelt, mag über solche statistischen Spitzfindigkeiten nur noch den Kopf schütteln: Im Weg stehen sie sowieso, ob mit oder ohne Hotelbett.

Laut Statistik gab es im Jahr 2010 übrigens 450.000 Übernachtungen – Rekordwert für Bamberg. Die Zahl der TagestouristInnen kann man sich ja nun selbst ausrechnen, während man zwischen der Info-Kakophonie von fünf Stadtführungen am Gabelmann sein Eis lutscht.

sys

Lulu und Willekum im Schlaraffenland

Schön ist es geworden, das neue „Internationale Jugendgästehaus“ im ehemaligen Waisenhaus am Kaulberg, aber haben Sie schon mal einen Blick in den Keller geworfen? Erst mal vorausgesetzt, dass Sie das überhaupt schaffen, tut sich Ihnen dort ein kaum vorstellbarer Kontrast auf: Dort ist nämlich das „Reych“ der „Schlaraffia Babenbergia“. Hier halten – gemäß schlaraffisch-angemessener Diktion – deren „Sassen“ (Mitglieder) ihre „Sippungen“ (Treffen) ab, und da wird natürlich nicht jedeR „Willekum“ geheißen. Zu dem exquisiten Club kommt man nur über einen „Paten“, es muss abgestimmt werden („Kugelung“), und dann hat man eine Karriere als Knappe, Junker und Ritter vor sich. Richtig – von Burgfräuleins oder Ritterinnen braucht gar nicht die Rede sein, denn es handelt sich selbstredend um einen reinen Männer-Club.

Wie solches, äh, ein solcher Verein in den Waisenhaus-Keller kommt? Das ist schon seit Jahren so. Schon lange vor der Renovierung, als das Waisenhaus noch von mehreren Vereinen genutzt wurde, haben die Schlaraffen den Großteil des insgesamt 300 qm großen Kellers gemietet, auf eigene Kosten saniert und als ihre „Metisburg“ hergerichtet. Sie waren auch der einzige Verein, dem vor dem Verkauf aus städtischem Besitz nicht gekündigt wurde. Und wie praktisch, dass die neue Eigentümerin nun die Stadtbau GmbH ist, deren Chef – ja welch ein wonniger Zufall – auch ein Schlaraffe ist.

Bis 2060 bleiben die Schlaraffen dem Waisenhaus als Nutzer erhalten, notariell festgelegt und zu ausgesprochen günstigen Bedingungen – für die Schlaraffen. So kann der schlaraffische Männerbund sich also weiterhin zu seinen Zeremonien mit „Schmus- und Atzungspausen“ (man mag gar nicht wissen, was das ist) treffen, seine „Benzinrösser“ (Autos) am Schulplatz parken, seine „Burgschrecken“ (Schwiegermütter) zu Hause und die „Profanei“ (Welt außerhalb des Schlaraffenlandes) außen vor lassen. 50 Jahre sind den sorglosen Genießern (so die Bedeutung von „Slur-Affe“ im Mittelhochdeutschen) gesichert, ganz getreu ihrem Motto „In arte voluptas” (In der Kunst liegt Vergnügen). Deshalb mit schlaraffischem Gruß: Lulu!

(P.S.: Wer’s nicht glaubt: www.wikipedia.de und Öffnet externen Link in neuem Fensterwww.schlaraffia-babenbergia.de)

sys