„Beim Lärmschutz sollte Bamberg
jetzt schon Druck machen
und nicht auf den Bahnausbau warten.“

 

 

Die sprach mit Dr. Anton Hofreiter, Grünen-MdB aus München-Land über den Finanzierungsstau der Bahn, die Abschaffung des „Schienenbonus“, eine mögliche Ostumfahrung Bambergs und Lärmschutz schon vor dem Bahnausbau.

: Im nächsten Jahr beginnt das Planfeststellungsverfahren für den viergleisigen Ausbau der Bahntrasse durch Bamberg. Wann geht’s los, wann wird der Bau fertig sein?

Hofreiter: Die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt soll im Jahr 2017 fertig werden und für den Verkehr frei gegeben werden, dagegen soll die Ausbaustrecke Nürnberg-Ebensfeld, zu der auch Bamberg gehört, laut Bundesverkehrswegeplan erst bis 2037 fertig gestellt werden. Das ist das einzige Datum, das fest steht – was aber noch nicht bedeutet, dass es eingehalten wird. Z.B. hat die wichtigste momentan im Bau befindliche Bahntrasse, die Rheintalstrecke, aktuell zehn Jahre Bauverzögerung. Wann in Bamberg begonnen wird, steht völlig in den Sternen.

: Woran liegt es, dass das so unklar ist?

Hofreiter: Für den Neu- und den Ausbau von bundesdeutschen Schienenwegen stehen jährlich 1 bis 1,2 Mrd Euro zur Verfügung. Bereits im Bau befindliche Strecken haben ein Bauvolumen von 30 Mrd Euro, das Jahr für Jahr stückweise abgearbeitet werden muss. Und es kommen neue Projekte hinzu, die jetzt erst in Planung sind und zusätzlich ein Bauvolumen von 80 Mrd Euro haben. Es besteht also ein Stau und mithin Wartezeiten für die einzelnen Teilstrecken, die sich jeweils in die Länge ziehen. Wer wann dran kommt, ist fast wie Lotterie – es hängt auch von Glück und Zufall ab. Ich kann deshalb wirklich nicht sagen, wann der Bau in Bamberg beginn.

: Aber dann sind die Pläne, die man jetzt aufstellt, ja in vielen Jahren schon wieder veraltet?

Hofreiter: Aber trotzdem gültig. Ein Planfeststellungsbeschluss gilt zehn Jahre, plus fünf Jahre Verlängerung. In dieser Zeit muss mit dem Bau begonnen werden – ein Spatenstich genügt. Danach hat man unendlich Zeit.

: Wenn sich der Bau hinzieht, könnte das ja auch ein Vorteil für den Lärmschutz sein. Maßnahmen, die heute technisch noch nicht zugelassen sind, könnten bis dahin genehmigt und für Bamberg einsatzbereit sein, so dass man sich die drohenden hohen Lärmschutzwände sparen kann. Oder steht dem dann der Planfeststellungsbeschluss im Wege?

Hofreiter: Nein. Man hat jederzeit die Möglichkeit, neue Maßnahmen per Planänderung einzubauen. Das ist sogar sehr wahrscheinlich, denn alle derzeit in der Forschung befindlichen Lärmschutzprojekte sind in der Regel günstiger. Änderungen liegen somit auch im Interesse der Bahn.

: Nach dem derzeit noch gültigen "Schienenbonus" wird Schienenlärm nicht so streng bewertet. Man sagt, dieser sei weniger gesundheitsschädigend als andere Lärmarten, und zieht 5 Dezibel vom ermittelten Schallpegel einfach ab. Dieser Schienenbonus soll abgeschafft werden. Würden die lärmgeplagten AnwohnerInnen davon profitieren?

Hofreiter: Leider nicht. Der Schienenbonus wird voraussichtlich mit dem nächsten Bundesverkehrswegeplan, der ab 2016 in Kraft tritt, auslaufen. Aber für alle Projekte, deren Planfeststellungsverfahren bis dahin eröffnet wird, gilt der Schienenbonus unverändert. Und das wird für den Bahnausbau durch Bamberg ohne Probleme geschafft.

: Sie haben ohnehin wiederholt davor gewarnt, die Hoffnungen auf Lärmsanierung an den Trassenausbau zu koppeln. Warum?

Hofreiter: Wie gesagt, wann der Ausbau kommt und wann Lärmschutzmaßnahmen umgesetzt werden, ist völlig offen und es kann Jahrzehnte dauern. Die Menschen, die an der Bahn wohnen, leiden aber schon heute, denn das Verkehrsaufkommen hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm erhöht. Wer heute und sofort Lärmschutz erreichen will, muss sich an das Lärmschutzprogramm des Bundes halten, das 100 Mio Euro pro Jahr umfasst.

: Die Bahnstrecke durch Bamberg ist in dieses Lärmschutzprogramm zwar aufgenommen worden, aber sie kommt in der Prioritätenliste auf einer Position hinter den ersten Hundert. Das erscheint eher aussichtslos.

Hofreiter: Wer die Hände von vorneherein in den Schoß legt, wird natürlich nichts erreichen. Es gibt Bestrebungen, das Programm aufzustocken, sogar zu verdoppeln. Doch das wird vom Verkehrsministerium bisher abgelehnt, weil man sagt, dass die Kommunen, die nicht oder nicht so bald zum Zuge kommen, sich damit abgefunden hätten. Ich kann der Stadt Bamberg nur raten, das nicht zu akzeptieren, sondern ihre Ansprüche massiv geltend zu machen. Die PolitikerInnen und BürgerInnen von Bamberg müssen hier Druck machen!

: Welche Chancen geben Sie der neuesten Variante einer möglichen Ostumfahrung der Stadt Bamberg für Güterzüge, für die jetzt eine Machbarkeitsstudie erstellt werden soll?

Hofreiter: In Alternativen zu denken und alle Möglichkeiten zu prüfen, ist prinzipiell immer gut. Insofern würde ich den Ergebnissen der Studie nicht vorgreifen wollen, insbesondere was die Eingriffe in die Natur angeht, die natürlich massiv wären. Ich gebe aber zu bedenken, dass dies de facto einen sechsgleisigen Streckenausbau durch Bamberg bedeuten würde. Denn selbst wenn man die Schienen für Güterzüge auslagert, braucht man durch das Bamberger Stadtgebiet dennoch getrennte Trassen für Hochgeschwindigkeitszüge und für den Nahverkehr. Teilneubau, sechs Gleise, Lärmschutz an allen Teilen – das dürfte die Kosten ziemlich in die Höhe treiben.

    Interview: ch, usa, pega, sys

 

   

Toni Hofreiter, MdB, ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung www.toni-hofreiter.de

Grüne Politik gegen Lärm

Das Problem mit dem Lärm gibt es nicht nur in Bamberg. Was tut grüne Politik dagegen?

Laut Tonio Hofreiter setzen sich Bündnis 90/Die Grünen dafür ein, dass der Schienenbonus früher als 2016 fällt. Die Fraktion will außerdem den Bestandsschutz von Altstrecken reformieren, so dass Ansprüche auf Lärmschutz sich nach dem Verkehrsaufkommen und dem tatsächlichen Lärm richten und nicht erst entstehen, wenn es bauliche Veränderungen gibt. Auch die Lärmpegel-Ermittlung beim Schienenverkehr soll geändert werden, weil man bisher einfach nur Mittelwerte berechnet und nicht berücksichtigt, wie gesundheitsbelastend das kurze, aber sehr laute Vorbeirasen eines Zuges ist. Auch europaweit sind die Grünen aktiv: Die Fraktion im Europaparlament hat ausgerechnet, dass um denselben Lärmschutz zu erhalten, man europaweit 10 Mrd für Lärmschutzwände oder alternativ 3,5 Mrd für die Sanierung von Zügen und Schienen ausgeben müsste. Deutschland als EU-Mitglied muss sich viel stärker für solche effektiveren Lärmschutzformen einsetzen.