Berliner Ring als Stadtstraße – Quatsch oder Option?

Beim städtebaulichen Wettbewerb für die Konversionsflächen kürte die Jury einen Teilentwurf, der gegen die Barrierewirkung des Berliner Rings angehen will – ohne Brücke.

Foto: Erich Weiß

„Draußen, hinterm Berliner Ring“ – diese typische Lagebeschreibung aus dem Bamberger Volksmund macht schon deutlich, wie sehr die verkehrsreichste Straße Bambergs eine trennende Schneise durch den Bamberger Osten schlägt. Beim Wettbewerb um die Entwicklung der Konversionsflächen war es denn auch eine der Aufgabenstellungen an die sechs teilnehmenden Büros, diese Trennwirkung zu mildern.
Fast alle Entwürfe setzten auf eine „Überbrückung“ des Problems mit unterschiedlichen Brückengestaltungen, nur ein Büro war waghalsig und setzte bei der Straße direkt an – und überzeugte die Jury-Mitglieder. Sie empfahlen das Konzept einer Stadtstraße von Lorenzen Architekten (Berlin, Kopenhagen) beim künftigen Rahmenplan für das Konversionsgelände weiter zu verfolgen.

Brücke wäre fauler Kompromiss

„Nach reiflicher Überlegung haben wir uns von dem Lösungsansatz Brücke verabschiedet“, schildert Maximilian Müller vom Büro Lorenzen die Überlegungen der beteiligten PlanerInnen, „denn es wäre nur ein Kompromiss gewesen.“ Ein Ausweichen, ein Umgehen des Problems wollte man also nicht. Deshalb nahm man sich den Berliner Ring selbst vor und entwickelte die Vision einer Stadtstraße.

Dem steht vor allem der Trog entgegen, in dem der Berliner Ring zwischen Zollnerstraße und Pödeldorferstraße verläuft und der den Charakter einer Autobahn vermittelt. Eine Höherlegung wäre also notwendig, so dass die vierspurige Straße höhengleich mit der Umgebung liegt. Geschwindigkeitsreduzierende Maßnahmen sind laut dem zuständigen Verkehrsplaner Christoph Ludwig (Stadt- und Verkehrsplanung „Argus“, Hamburg) außerdem unumgänglich. Tempo 50 statt 70 stellt er sich hierfür vor, eine zusätzliche Ampelkreuzung auf Höhe der jetzigen Brücke und eine entsprechende bauliche bzw. landschaftliche Gestaltung der Umgebung links und rechts der Straße.

An der hohen Belastung der Straße mit ca. 32.000 Kfz pro Tag wird sich nicht rütteln lassen, auch die vier Fahrspuren werden bleiben, da ist Ludwig realistisch. Dennoch glaubt er daran, dass sich der Ring langfristig zu einer urbanen Straße machen lässt und mehr Aufenthaltsqualität bieten kann.

Lärmverträgliche Nutzung für anliegende Gebäude

Straßenbäume, mehr Platz zum Radeln und Zufußgehen, eine Bebauung, die näher an die Straße heranrückt, Bezüge schafft und Verbindungen hat zwischen Straßenraum und dem Gebäudeinneren. Wobei die Gebäudenutzung dann entsprechend lärmverträglich sein muss, was Ludwig und Müller aber für machbar halten: Quartiersgaragen mit Gewerbe im Erdgeschoß wären beispielsweise eine denkbare Möglichkeit.

Überhaupt der Lärm. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, ob der tunnelähnliche Verlauf des Berliner Rings eine lärmmindernde Wirkung auf die Umgebung hat oder eben nicht. Das konnte Verkehrsplaner Ludwig für die Entwurfsplanung nicht eruieren, da wären Gutachten nötig. Auch bei der Kostenfrage muss er passen. Sein Büro, das derzeit in der Hamburger Hafencity vielfach mit der Höherlegung von Straßen zu tun hat, weiß, wie schwierig eine Kostenschätzung ist. „Man müsste erst einmal die Bodenbeschaffenheit überprüfen – je nachdem fällt so etwas dann mehr oder weniger kostspielig aus.“ Zudem spielt eine Rolle, welcher Bestand an Leitungen sich unter dem Berliner Ring befindet, und ob dieser ebenfalls verlegt werden müsste oder so bleiben könnte. „Das wäre schon eine erhebliche Investition, an Geld und an Zeit“, meint auch Müller. Er plädiert vor allem dafür, sich die Umgestaltung des Berliner Rings für die Zukunft offen zu halten und nicht durch andere Maßnahmen zu verbauen. „Dann könnte man sich auch in 15 oder 20 Jahren noch dafür entscheiden.“

Kostenfrage ungeklärt

Dass die von ihnen vorgeschlagene Umgestaltung des Berliner Rings auf jeden Fall teurer ausfallen würde als eine neue Brücke, wie vielfach fast schon automatisch vermutet wird, sehen die beiden Planer allerdings nicht. Das müsste erst einmal überprüft werden. Und: „Unterschätzen Sie die Kosten von Brückenbauwerken nicht, vor allem die immer wiederkehrenden Folgekosten für Wartung und Reparatur.“ Die müssten – je nach Größe und Art der Brücke – ja ebenfalls erst einmal durchgerechnet werden.

Ob es dazu noch kommt, ist fraglich. Während die Jury einstimmig – inklusive VertreterInnen aus Verwaltung und allen Fraktionen – das Stadtstraßenmodell des Büro Lorenzen im Februar als verfolgenswerte Idee kürte, gibt es seither vor allem pauschal ablehnende Stimmen, die sich mit dem Gedanken nicht einmal näher befassen wollen, allen voran Helmut Müller (CSU) und Heinz Kuntke (SPD). Visionen haben es in Bamberg ja bekanntlich nicht leicht.

sys