Schicke Kita-Software für ein Mangelsystem?

Es fehlen Hunderte von Kita-Plätzen in Bamberg. Dafür gibt es ein teures Programm, mit dem man sich online dafür anmelden kann, dass man anschließend bei Kitas die Klinken putzt. Ein gestresster Papa auf Kita-Suche schilderte der seine Erfahrungen.

Der kleine Felix F.* kommt im August 2016 auf die Welt. Seine Eltern wohnen in Bamberg, Inselgebiet, beide sind berufstätig. Ein Kinderbetreuungsplatz nach Ende einer einjährigen Elternzeit ist also unerlässlich. Schon in der Schwangerschaft kümmerten sich die Eltern um diese Frage, machten sich aber zunächst keine so großen Sorgen, denn im Internet-Auftritt der Stadt sah alles recht gut organisiert aus. Ein „KiTa-Portal“ bietet dort ein „breitgefächertes Netz“ mit 17 Kinderkrippen, 29 Kindergärten, 5 Kinderhorte, 2 Netz-für-Kinder Gruppen und 3 Großtagespflegestellen an.

Tatsächlich kaufte das Jugendamt im Jahr 2013 eine Software-Ausstattung für mehrere 10.000 Euro plus jährlich mehrere 1000 Euro Betriebskosten, die eine transparente Anmeldung und Vergabe gewährleisten sollte. „webKITA“ nennt sich das Programm und heißt als „Ihr Online Informations- und Vormerksystem für alle Kindertageseinrichtungen in Bamberg“ die Eltern herzlich willkommen.

Felix’ Papa, Lukas F., begab sich also parallel zum wachsenden Bauch der werdenden Mutter zuversichtlich auf Kita-Suche und musste bald feststellen, dass dort mit härteren Bandagen gearbeitet wird als erwartet.
Schnell merkte er, dass es mit Wünschen und Vormerken bei webKITA nicht getan ist und Eltern generell gezwungen sind, ihr Interesse bei allen erdenklichen Kitas registrieren zu lassen und nicht nur bei ausgewählten, wie es das Portal suggeriert. Und ebenso flott lernte er, dass webKITA die persönliche Kontaktaufnahme nicht ersetzt – im Gegenteil. Lukas F. telefonierte also, um „Kennenlernbesuche“ in den Kitas zu vereinbaren. Erst wurde er vielfach hingehalten: es sei zu früh – dann wollte man ihn häufig abwimmeln: Die Familie wohne doch gar nicht im Stadtteil, Geschwisterkinder müssten vorgezogen werden, Interessenten stünden ohnehin schon Schlange.

„Die Stimmung bei solchen Telefongesprächen war manchmal schon sehr ruppig“, erzählt der junge Papa. „Aber was sollte ich machen? Wir sind auf einen Kita-Platz für Felix angewiesen.“ Also: eigenen Ärger runter schlucken, Freundlichkeit bewahren, sich den harschen Ton gefallen lassen, trotz Abweisungen hartnäckig bleiben. Denn wer hier auf wen angewiesen ist, steht außer Frage: Bei einer Kita im Inselgebiet erhält Lukas F. die Auskunft, dass im Jahr 2017 nur zwei Plätze frei würden und auf der Warteliste dafür schon 72 Kinder stünden. „Sie können sich ihre Chance selbst ausrechnen, oder?“

Tja, kann Lukas F. das? Die Anschaffung von webKITA wurde genau damit begründet, dass Mehrfachanmeldungen vermieden werden sollten. Aber wenn – wie bei dem kleinen Felix – alle Eltern ihre Kinder überall anmelden, kann man mit Wartelistenaussagen doch wieder nichts anfangen. De facto, so hört man, führen die einzelnen Kitas ihre eigenen internen Präferenzlisten – vermutlich mit Stift und Papier. Der Effizienzgewinn durch teure Software ist gleich Null.

Tatsächlich bekommt man – mit entsprechend Glück – schon irgendwann mal eine Zusage für einen Kita-Platz, aber zunächst nur mündlich und auf Vertrauen. Erst wenn der Kinderbetreuungsvertrag mit dem Kita-Träger unterzeichnet ist, und das kann Monate später sein, wird das suchende Kind im webKITA-System gelöscht – viel zu spät, um eine Platzvergabe transparent und effektiv zu machen.

Vor allem aber nutzt das beste Online-Programm nichts, wenn es schlicht und ergreifend viel zu wenige Kita-Plätze gibt, Bedarf und Angebot also weit auseinanderklaffen (siehe Kasten). Der Mangel wird so allenfalls eleganter verwaltet.

Lukas F. hat jedenfalls „Monate an der Telefonstrippe“ hinter sich, bis er am Ende glücklicher Vertragspartner einer Kindertagesstätte ist, die sich künftig tagsüber um Felix kümmern wird. Was hat ihm am Ende das Glück beschert? „Es war ausschließlich der persönliche Kontakt“, ist er überzeugt, „dass unsere Familie positiv beurteilt wurde, dass wir in den Gesprächen eloquent auftreten konnten.“ Damit meint er den geordneten gutbürgerlichen Hintergrund einer gebildeten und auch finanziell gut situierten Familie.

„Natürlich haben wir diesen Vorteil gespielt, haben ehrenamtliches Engagement in Aussicht gestellt und damit gepunktet“, räumt er ein. Gleichzeitig fragt Lukas F. aber auch: „Was machen denn die Familien, für deren Kinder eine Kindertagesbetreuung noch viel nötiger wäre, die aus schwierigeren Verhältnissen kommen, Migrationshintergrund haben, Sprachförderbedarf, Erziehungsschwierigkeiten usw.? Und die dieses verzwickte, hintergründige System gar nicht durchschauen?“ Er fürchtet, dass sie die ersten sind, die beim Konkurrenzkampf um Kita-Plätze und der erzwungenen Endauswahl der Kitas hinten runter fallen.
Und er meint, mit einem Appell an die Politik: „So etwas darf eigentlich keine Stadt zulassen!“

sys

* Namen redaktionell geändert.

   

Aktuelle Kita-Situation in Bamberg

Laut Sachstandsbericht des Jugendamts gab es 2016 (November) 1.929 Kindergartenplätze, denen 2.127 Kinder im entsprechenden Alter gegenüberstanden (drei bis sechs Jahre). Im Jahr 2018/19 werden es 2275 Kinder sein. Bei einem angestrebten Versorgungsgrad von 100% werden bis dahin also fast 350 Plätze gebraucht.
Bei den Kinderkrippen, also für Kinder bis drei Jahre, kommen (Stand November 2016) 1283 Kinder auf 464 Krippenplätze. Auch wenn hier ein geringerer Versorgungsgrad ausreicht: Es hat derzeit nur ein Drittel der Kinder eine Chance auf Kinderbetreuung. Es fehlen weit über 100 Krippenplätze.

Was will die GAL?

Für einen „Masterplan 500 neue Kita-Plätze bis 2020“ beantragte die GAL für den Haushalt 2017 und die folgenden Jahre insgesamt 4 Mio Euro. Dabei sollten offensiv auch ergänzende Angebote gefördert und vorangebracht werden: Kindertagespflege (= Tagesmütter/-väter), Betriebskindergärten, Großtagespflege, Elterninitiativen, noch nicht etablierte Kita-Träger.
Was macht die Stadt?

Was macht die Stadt?

Im Haushalt 2017 ist 1 Mio Euro an Investitionszuschüssen vorgesehen, womit 67 neue Kita-Plätze geschaffen werden. Weitere 3 Mio Euro sollen bis 2022 dazu kommen. Insgesamt entstehen mit diesem so genannten „Kita-Paket“ der Stadt aber nur 200 neue, also zusätzliche Plätze in Kindergärten und Kinderkrippen, der größere Teil der Gelder wird in Sanierungsmaßnahmen schon bestehender Einrichtungen fließen.