Es wurde längst mit den Speichen abgestimmt

Beim Radverkehr ist die Kommunalpolitik der Bürgerschaft weit hinterher – das zeigt das Sammelergebnis für den Radentscheid.

 

Nicht nur in der Bamberger Radverkehrsszene hat das Ergebnis bombenmäßig eingeschlagen: Mehr als 8700 Unterschriften haben die Aktiven für das Bürgerbegehren „Radentscheid Bamberg“ gesammelt und werden diese im September im Rathaus einreichen. Selbst wenn man eine großzügige Zahl von möglichen Mehrfachunterschriften, ungültigen oder unleserlichen Angaben abzieht, bleiben mit Sicherheit immer noch mehr als doppelt so viele Befürworter*innen der zehn Radentscheid-Ziele übrig wie die formal benötigten 3300 Unterschriften. Das sind mehr als je zuvor bei einem Bürgerbegehren in Bamberg gesammelt wurden.
Und das ist natürlich eine Botschaft! Eine deutliche!

Sie passt zu der Tatsache, dass die Bamberger*innen tagtäglich mit den Radspeichen abstimmen, welches Verkehrsmittel sie voranbringen wollen. Nach der vom Stadtrat im Jahr 2012 beschlossenen „Radverkehrsstrategie“ sollte der Anteil der mit dem Fahrrad in der Stadt zurückgelegten Wege von 22 % (Stand 2005) auf 30 % im Jahr 2020 gesteigert werden. Doch das Etappenziel wurde bereits fünf Jahre früher erreicht, wie Zählungen 2015 ergaben.
Ein Drittel des Verkehrsaufkommens bewegt sich also auf dem Fahrrad. Das merkt man dem Haushalt der Stadt Bamberg allerdings nicht an. Ebenfalls von 2012 liegt ein Stadtratsbeschluss vor, der den Radverkehr jährlich mit 5 Euro pro Einwohner*in finanziell fördern will, das wären gut 350.000 Euro pro Jahr. In keinem einzigen Haushalt seither wurde dieses Ziel erreicht, nie fand sich eine Stadtratsmehrheit, die tatsächlich Geld in dieser Höhe bereitstellen wollte.

 

Rinnsteinorientierte Radverkehrspolitik in Bamberg - hier Fahrrad"schutz"streifen am Kunigundendamm mit Gullydeckel als Hinderniszugabe. (Foto: sys)

 

Der Radverkehr in Bamberg hat toll zugelegt, aber nicht wegen, sondern trotz der kommunalpolitischen Rahmenbedingungen. Der Oberbürgermeister bezeichnet Bamberg mit gewissem Recht als „Fahrradstadt Süddeutschlands“, denn Bamberg weist tatsächlich aktuell den höchsten festgestellten Radverkehrsanteil aller Kommunen Bayerns aus. Aber als Verdienst seiner Politik darf er das nicht werten.

Für eine Stadt der Größe Bambergs empfiehlt der „Nationale Radverkehrsplan 2020“ des Bundesverkehrsministeriums jährliche Investitionen von 6 bis 15 Euro pro Einwohner*in. Da müssen wir hin.

Doch erste populistische Gegenstrategien machen sich bemerkbar: Wer Geld in Fahrradkilometer stecke, könne keine Kitas mehr fördern und keine Schultoiletten mehr sanieren, hört man. Es ist zwar richtig, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, aber es geht hier vor allem um eine gerechte Verteilung von Investitionen in Verkehrsmaßnahmen, und die sind seit Jahrzehnten enorm autolastig. Deshalb ist das Ausspielen von Radverkehr gegen soziale Forderungen eine billige Masche, der niemand auf den Leim gehen sollte. Nicht Sozialpolitik steht zur Disposition, die Verkehrspolitik hat Versäumnisse aufzuholen.

Die GAL hat den Radentscheid von Anfang an inhaltlich und durch Men-Power unterstützt. Wir werden dies nun auch im Stadtrat tun und natürlich dann, wenn es zu einem Bürgerentscheid kommt. Übrigens erwartet die GAL vom Oberbürgermeister nichts anderes – immerhin hat er den Radentscheid mit eigenhändiger Unterschrift unterzeichnet.

sys