Just-in-time-Geschäfte auf verschlammten Waldwegen

Die moderne Waldwirtschaft in den Bayerischen Staatsforsten setzt sich vor allem Wirtschaftlichkeit zum Ziel. Das macht sich auch im Bamberger Bruderwald bemerkbar. Bleibt der Wald als Natur- und Erholungsort auf der Strecke? Und gibt es nicht auch Alternativen?

Immer wieder balancieren WaldspaziergängerInnen am Rande aufgewühlter und vermatschter Wege entlang, starren ungläubig in von schwerem Gerät geschlagene Schneisen zwischen den Bäumen, wundern sich kopfschüttelnd über scheinbar in wüstem Zustand zurückgelassene Waldstücke. Immer wieder haben sich in letzter Zeit verärgerte WaldliebhaberInnen auch an die GAL gewendet. Insbesondere der Bruderwald ist häufig Stein des Anstoßes.

Die hat deshalb mal nachgeforscht und gefragt: Wie wird eigentlich gewirtschaftet im Bruderwald, und welche Schäden gibt es wirklich?

Der Wald für die Umsatzrendite

Seit der Forstreform im Jahr 2005 führen in bayerischen Wäldern die „Bayerischen Staatsforsten“ das Regiment. Und die haben ein klares Ziel. In einer Broschüre macht die Anstalt des öffentlichen Rechts deutlich, dass sie sich als Unternehmen versteht: „Mit der Gründung der Bayerischen Staatsforsten ist eine konsequente betriebswirtschaftliche Ausrichtung verbunden. (…) Als privatwirtschaftlich ausgerichtetes Unternehmen können wir uns mit einer schwarzen Null nicht zufrieden geben. (…): Wir streben eine Umsatzrendite von mindestens 15 % an (...)“
Damit sind zentrale Kennzeichen der Entwicklung der letzten Jahre schon umrissen – und gerade diese stehen wiederholt im Kreuzfeuer der Kritik von Naturfachleuten:

  • Die Bewirtschaftung ist vor allem gewinnorientiert ausgerichtet.
  • Der zu erwirtschaftende Holzertrag wird zentral und von oben vorgegeben.
  • Viele Arbeiten werden weitestgehend nicht mehr von eigenem Personal erledigt, sondern an externe Firmen vergeben.
  • Der Umgang mit dem Wald ist grobschlächtiger, der Wald verändert sein Gesicht und verliert an Natur- und Freizeitwert.

Holzeinschlag von oben verordnet

Die einzelnen Förster vor Ort haben große Gebiete zu verwalten, bis zu 2000 Hektar, und müssen zusehen, dass sie den Überblick behalten. Überall ist häufiger Personalwechsel zu verzeichnen, was dem nicht unbedingt förderlich ist. Im Gegensatz zu früher fungieren die Förster heute eher als Vollzugsbeamte. Sie erhalten vom Forstentwicklungswerk, das für ganz Bayern zuständig ist, die Vorgabe, welche Menge Holzeinschlag in welchem Zeitraum vorzunehmen ist. Dahinter stehen langfristige Verträge mit großen Holzfirmen, die zu erfüllen sind.

Die Förster selbst dürfen dann nur noch bestimmen, auf welchen Flächen genau in ihrem Revier die Ernte vorzunehmen ist. Lieferzeiten sind fix, auf Wetterverhältnisse kann keine Rücksicht genommen werden. Den Einschlag nehmen zumeist keine staatlich angestellten Waldarbeiter vor – wie früher – sondern beauftragte Firmen. Eingesetzt werden schwere Maschinen wie der Harvester für den Holzschlag und der Forwarder für das Holzrücken bis zum Waldweg. Lärm, mehr oder weniger große Schneisen zwischen den Bäumen, aufgerissene und verdichtete Böden sowie verschlammte Wege sind die Folgen dieser Waldwirtschaft.

Wege müssen zwangsläufig leiden

Diese Entwicklung ist überall in Bayern merkbar und macht natürlich auch keinen Halt vor dem Bamberger Bruderwald. Dieser bildet zusammen mit dem Michelsberger Wald und einigen Wäldern im Umland eines von zehn Forstrevieren, die zum Forstbetrieb Forchheim mit insgesamt rund 17.500 Hektar Staatswald gehören. Der Leiter des Forstreviers, Förster Veh, Hüter über 1600 Hektar, ist erst seit diesem Jahr im Amt. In diesem Jahr muss er 125.000 Kubikmeter Holz einschlagen lassen, so die Vorgabe an ihn.

Der gegenüber bestätigte er, schon mehrfach von Fußgängern vor allem auf den schlechten Zustand der Waldwege angesprochen worden zu sein. Er betont jedoch, dass nach der Schneeschmelze die Wege zwangsläufig kaum begehbar seien. Und: Wenn Holz geschlagen wurde und am Wegrand liegt, müsse es bald abtransportiert werden, weil sonst Borkenkäferflug droht. Bei schlechter Witterung könne man das nicht einfach hinauszögern, so dass sich Schäden an den Wegen nicht vermeiden ließen. In diesem Jahr seien diese durchaus massiv gewesen, der Forstbetrieb habe aber innerhalb weniger Wochen neuen Schotter aufgetragen und mit hohem finanziellen Aufwand die Wege wiederhergestellt.

Keine besonderen Schäden im Bruderwald

Die Fotos eines besorgten Bürgers von Waldschäden im Bruderwald vom Februar, welche die dem bayerischen Waldreferenten des Bundes Naturschutz in Nürnberg vorlegte, lösten bei dem Fachmann ebenfalls eine eher pragmatische Reaktion aus: „Das ist eigentlich der Normalfall“, meinte Ralf Straußberger, nach dessen Einschätzung hier keine Verstöße gegen Naturschutzbestimmungen vorlagen.

Für den BN hat er ein Schadens-Formular erarbeitet und fordert WaldfreundInnen in ganz Bayern auf, Schäden zu dokumentieren und zu fotografieren. Der Bund Naturschutz sammelt diese Protokolle. Ist der Fall akut, alarmiert der Verband die Forstbehörde und erwirkt so bei Bedarf ein sofortiges Eingreifen.

Schlimme Negativbeispiele werden über das „Schwarzbuch Wald“ publik gemacht. Doch was in dieser Dokumentation zu lesen und zu sehen ist, übertrifft die Zustände im Bruderwald eindeutig: flächige Kahlschläge, entwaldete Hänge, Zerstörung von Lebensräumen für bedrohte Arten, Abholzen wertvoller Biotop- und Altbäume, durch Maschinen verursachte Wurzelschäden und halbmetertief verwundete Böden. Ein schonender Umgang mit dem Wald scheint mancherorts der Vergangenheit anzugehören und mag dem Diktat der Wirtschaftlichkeit geschuldet sein.

Nur Missbrauch von Maschinen schadet

Doch prinzipiell gibt es auch Verteidiger der neuen Waldwirtschaft: Dr. Knorr vom Amt für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft ist Leiter der hiesigen Aufsichtsbehörde, die kontrolliert, was in den Wäldern geschieht – seien sie in öffentlicher oder privater Hand – und auf die Einhaltung des Waldgesetzes achtet. Gibt es Anrufe oder Hinweise aus der Bevölkerung, prüft sein für Bamberg zuständiger Kollege Schultheiß vor Ort die Sachlage und schreitet notfalls ein. Totholz etwa ist ausreichend zu bewahren, Baumhöhlen für Spechte zu erhalten, verschlammte Wege wieder herzurichten usw. Bei Bedarf ist das Amt befugt, entsprechende Anordnungen auszusprechen.

Doch nach seiner Erfahrung in den letzten Jahren „sind die ausführenden Firmen schon viel sensibler geworden“. Auf die moderne Technik lässt Knorr nichts kommen. „Es hängt immer davon ab, dass Maschinen im Wald umsichtig verwendet werden, schädlich ist nur der Missbrauch“, ist Knorr überzeugt. Eine Maschine sei zehnmal effektiver als ein Mensch, und vor allem schütze die stabile und sichere Kabine Waldarbeiter vor Verletzungen und gar vor Lebensgefahr beim Holzeinschlag. Noch einen weiteren Vorteil betont er: Maschinen dürfen sich nur in den Rückegassen bewegen, die etwa alle 30 Meter in den Wald führen. „Das sieht zwar nicht so schön aus“, räumt Knorr ein, „aber in den Zwischenräumen bleibt der Waldboden immerhin ganz verschont.“

Ganzjähriger Holzeinschlag

Lieber sähe er es allerdings, wenn man gezielt vertrauenswürdige Unternehmen für eine längerfristige Zusammenarbeit einsetzen könnte, was aber durch eine verpflichtende europaweite Ausschreibung der Waldarbeiten kaum möglich ist. Und auch im Ertragsdruck auf den Wald erkennt der Amtsleiter ungute Zwänge. Heute werde nicht nur im Winter Holz geschlagen, sondern das ganze Jahr über. „Das sind Just-in-time-Geschäfte, und die muss der Forstbetrieb dann eben erfüllen, egal wie das Wetter oder der Zustand der Böden ist."

Erfreulich findet Knorr, dass die Forstbetriebe inzwischen viel mehr Aufklärungsarbeit betreiben, z.B. vor größeren Holzernten über die Presse die Bevölkerung informieren. Doch er wünscht sich im Gegenzug auch mehr Verständnis bei den Waldfreunden: „Da ist ein zu großes Anspruchsdenken entstanden“, sagt er und meint die WaldspaziergängerInnen und JoggerInnen, die auf Absperrungen nicht achten und keine Geduld haben, bis in Mitleidenschaft gezogene Wege wieder intakt sind. „Der Wald wird eben bewirtschaftet, und das macht sich natürlich bemerkbar.“ Wert legt der Amtsleiter auch auf Maßnahmen, die Biotope sichern oder neu schaffen und den Erholungswerts des Waldes steigern.

Nach Auskunft des Forstbetriebsleiters Forchheim, Stephan Keilholz, soll im Sommer ein Eichenholzpolter als Lebensraum für den Hirschkäfer angelegt werden. Außerdem ist nach seinen Worten im Bruderwald ein Walderlebnispfad geplant, der spätestens zur Landesgartenschau 2012 fertig sein soll.

Alternative: Sanfte Waldwirtschaft – auch im Bruderwald

Es gibt allerdings auch Alternativen in der Waldwirtschaft – kurioserweise gleich um die Ecke. Ein kleines Stück des Bruderwalds bei Bug mit nur 3,5 Hektar Größe ist Eigentum der Stadt Bamberg und wird vom städtischen Förster Schulz verwaltet. Seine Bewirtschaftung ist nach dem Öffnet externen Link in neuem Fenster„Forest Stewardship Council“ zertifiziert, ein Gütesiegel, das auch von Naturschutzverbänden anerkannt ist. Es hat relativ strenge Vorgaben: Der Einsatz von Chemikalien ist nicht zugelassen, Maschinen sind nur begrenzt erlaubt, Totholz muss im Wald verbleiben. Laut Schulz werden die Arbeiten im städtischen Bruderwald zu 80 bis 90 % mit eigenen fest angestellten Waldarbeitern durchführt. Um den Wald zu schonen, findet Holzeinschlag und Abtransport nur bei passendem Wetter statt. Und dem Borkenkäfer muss man hier ohne Biozide Einhalt gebieten. „Das alles bedeutet mehr Aufwand, braucht mehr Zeit und kostet Geld“, betont Schulz.

Über das FSC-Siegel sind die Hölzer aus einer solchen schonenden Waldwirtschaft allerdings entsprechend ausgewiesen und haben am Markt einen höheren Wert. VerbraucherInnen können bei ihrem Einkauf darauf achten. Von der Holzkohle über Brennholz bis hin zu Stühlen und Schränken lässt sich das Siegel auf vielen Waren finden – sowohl bei OBI oder Hornbach wie auch beim Otto-Versand.

Die PEFC-Zertifizierung der Bayerischen Staatsforsten ist da erheblich toleranter und nimmt die zu beobachtende Schädigung der Wälder ganz bewusst zugunsten einer effektiveren Wirtschaftlichkeit in Kauf. Ein Politikwechsel und mehr Verbraucherbewusstsein wären Voraussetzung für eine naturnahere Zukunft unserer Wälder.


sys

   

Die Fotos wurden im Winter 2010 im Burderwald aufgenommen und uns freundlicherweise von Prof. Dr. Ralf Liedtke zur Verfügung gestellt.