In und um und um Bamberg herum

Ein gut vernetztes Nahverkehrssystem in Bamberg Stadt und Land gibt es bis heute nicht – dabei sind Pläne und Visionen zum Greifen nah.

Jetzt muss Frau Nüßlein zum Arzt und zwar in die Stadt. Herr Nüßlein ist auch dort, auf Arbeit. Und weil hier kein Bus fährt und der Bahnhof schon vor Jahrzehnten dicht gemacht hat, haben die Nüßleins zwei Autos. Das ist praktisch, so kommt Sohnemann Nüßlein am Wochenende wenigstens in die Disco. Dann schlafen die Nüßleins meistens schlecht.

Oma Eichelsdörfer von nebenan kommt eigentlich gar nicht mehr fort, kann sich aber noch erinnern, wie das damals mit dem Bahnhof war. „Prima“, sagt sie, „in acht Minuten in Bamberg.“ Und heute? Arztbesuche? Einkaufen? Kerwa im Nachbarort? „Da kommt dann mein Sohn aus Würzburg und der fährt mich dann mit dem Auto …“

Foto: Erich Weiß

Mit dem Beitritt der Region Bamberg zum Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) im Jahr 2010 schien Besserung in Sicht. Doch die Planungen zu einem gemeinsamen Nahverkehrsplan für die über 200.000 Menschen in Stadt und Landkreis Bamberg gerieten zu einer Hängepartie. Am Ende erhält das jetzt vorliegende Papier gerade einmal den unbefriedigenden Jetztzustand. Dabei wäre es endlich an der Zeit, die Verkehrspolitik mutig und grundsätzlich neu zu denken.

Mehr Verkehrspolitik im Haushalt

Fest steht, dass die Landkreiskommunen deutlich besser an einen insgesamt funktionierenden ÖPNV angebunden sein müssen. Dies wird in Zeiten stetig steigender Benzinpreise sowie der Alterung unserer Gesellschaft ein wichtiger Standortfaktor für die Gemeinden werden. Wer will schon von der Mobilgesellschaft aufs Abstellgleis geschoben werden? Ein flächendeckender ÖPNV aber wird Geld kosten, auch für die Gemeinden.

Die drücken sich bislang größtenteils um ihre Verantwortung: Von 36 Landkreis-Gemeinden geben 20 aktuell keinen einzigen Cent für eine Nahverkehrsverbindung aus. Aber auch der Landkreis stellt in seinen Haushalt nur die ÖPNV-Gelder ein, die er vom Freistaat als Zuschuss erhält, also ohnehin nur dafür verwenden darf.

ROB als Verkehrsdrehscheibe

Elementar wäre ein regionaler Omnibus-Bahnhof im Zentrum Bambergs, ein ROB als Verkehrsdrehscheibe für den öffentlichen Verkehr aus Stadt und Land. Geplant ist er längst, direkt beim Bamberger Bahnhof – und im Jahr 2003 hat Landrat Denzler sogar eine „mittelfristig rasche Umsetzung“ versprochen und damit Sinn für Realsatire bewiesen. De facto stagniert das Projekt, weil die politisch Verantwortlichen – Oberbürgermeister und Landrat sowie Kreistags- und Stadtratsmehrheit – sich nicht gemeinsam dahinter klemmen. Die mangelnde Bereitschaft der Bahn, den Platz freizugeben, wird als Begründung vorgeschoben. Wertvolle Chancen sind damit bald versäumt. Denn eine Fördermittelquelle, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, wird 2017 versiegen. Damit sind dann rund 4 Millionen Zuschüsse – ca. die Hälfte der Baukosten – verspielt.

Zu ergänzen wäre die Verkehrsdrehscheibe ROB durch einen Ringverkehr im gesamten Landkreis. Der Verkehrstrom würde nicht nur sternförmig auf die Stadt und aus ihr hinaus führen, sondern wichtige Knotenpunkte im Umland direkt verbinden – etwa die Krankenhausstandorte und die Bahnhofsstationen.

Die Attraktivität der Gemeinden könnte man so deutlich stärken. Einkaufen nämlich kann man auch auf dem Land. Und die Gastronomie unseres Landkreises sucht sowieso ihresgleichen.

Wie wäre es …?

Längst gibt es auch andere gute Ideen und Konzepte, die Mobilität der Zukunft vernünftig in den Griff zu bekommen.

Wie wäre es mit der Wiederinstandsetzung von ehemals existierenden Schienenwegen? Agilis etwa macht es vor. Das „Schäätzer Bockäla“ ist den Älteren noch in bester Erinnerung. Und wie wäre es, wenn in Staffelbach und anderorts zumindest ein paar Mal am Tag wieder ein Triebwagen hält?

Wie wäre es mit einer Nutzung der Wasserstraßen? Bamberg ist ja auch das Venedig des Nordens. Mit Regnitz, Main und Main-Donau-Kanal sind wir hier geradezu gesegnet. Wasserbusse verbinden die Orte an Kanal und Flüssen miteinander und mit der Stadt. In anderen Städten hat sich so etwas zu einer Touristenattraktion entwickelt.

Wie wäre es mit einem Ausbau des Radwegenetzes? Manchmal wirkt auch eine Fuß- und Radwegebrücke an geeigneter Stelle Wunder. Vor Jahren angedacht, hat sich aber leider zum Beispiel in Sachen Mainbrücke zwischen Bischberg und Oberhaid nie wirklich etwas getan.

Mobilität als solche muss sich wandeln, und zwar grundlegend. Dies wird nur gelingen, wenn die Alternativen zum Auto attraktiv und lohnend sind. Je mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, je besser sie angenommen werden, desto leichter wird es mit dem qualitativen wie quantitativen Ausbau, an den Bedürfnissen derer orientiert, die sie nutzen oder noch nicht nutzen. Das Ganze wird eine enorme Anschubfinanzierung brauchen. Die aber wird eine zukunftsweisende Investition sein, eine, die sich rechnen wird, für die Nüßleins, Oma Eichelsdörfer und uns alle …

Andreas Lösche