Von der grauen Betonmauer zum bunten Kreativwurm

Das Atrium in Bamberg: Seit Jahren Leerstand auf 12.000 Quadratmetern in bester Bahnhofslage. Und keinen juckt’s … ?

 

Das Atrium zwischen Bahngleisen und Ludwigstraße/Schwarzenbergstraße, Luftaufnahme von 2013. Foto: Ronald Rinklef

 

Das waren noch Zeiten, als das Atrium als heiß umstrittenes Bauprojekt für Schlagzeilen sorgte: Die GAL-Zeitung von 1989 titelte zukunftsahnend „Betonköpfe geben den Ton an“ und stellte die eindeutige Diagnose: „städtebaulich misslungen, verkehrspolitisch fatal und strukturpolitisch gefährlich“.

1990 gingen 12.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und 919 Kfz-Stellplätze in Betrieb. Aber schon 2013 wurde allen dort eingemieteten Geschäften endgültig gekündigt. Die ehemalige Einkaufs-Mall gleicht heute einer Geisterkulisse und steht vergessen und nutzlos in Bahnhofsnähe herum – an einem der zentralsten und lebendigsten Orte der Stadt.

Das Atrium gehört heute einer europäischen Investmentgesellschaft, die das Gebäude seit fünf Jahren bis auf Kino und Parkpalette leer stehen lässt. Im Jahr 2014 erteilte der Stadtrat dem Vorstoß, die Einkaufsfläche auf 24.000 Quadratmeter zu verdoppeln und somit wieder zu beleben eine klare, einstimmige Absage. Seither wehen der eisige Wind des Schweigens und der frostige Hauch der Perspektivlosigkeit rund ums Atrium.
Leerstand ist in unserem Lande nicht strafbar, hinnehmen sollte ihn die Politik dennoch nicht. Warum? Die Planungshoheit liegt bei der Kommune. Sie kann bestimmen, welche Nutzungen künftig an dieser Stelle zugelassen werden und welche nicht. Der Eigentümer hat lediglich Bestandsschutz, das heißt, er kann die bisher zugestandenen Nutzungen weiterhin anstreben. Aber da hat ja die Praxis gezeigt, wie kurzlebig die 90er-Jahre-Mentalität war: Malls in dieser Form sind im neuen Jahrtausend „out“!

Visionen fürs Atrium

Der ROB (Regionaler Omnibus-Bahnhof) kann da entstehen, wo jetzt der Kopfbau des Atriums gleich neben dem Bahnhofsgebäude platziert ist, entweder anstelle des Kopfbaus oder sogar integriert im Erdgeschoß in die bestehende Baumasse. Ein Architektur-Wettbewerb könnte hierfür Ideen liefern. Ziel muss sein, eine bequeme Warte- und Umsteigezone zwischen Bahn und Bus zu schaffen, welche die Menschen gerne annehmen. Die GAL fordert seit Jahren eine „Mobilitätsdrehscheibe“ am Bahnhof, die Bahn, Bus, Fahrrad, Taxis und Fußverkehr vernetzt.

Das Atrium wird ganz neu aufgeteilt und von dem jetzigen schwerfälligen und jeglichen Maßstab sprengenden Monsterbau in ein kleinteilig gestaltetes Gebäude umgewandelt. Horizontale und vertikale Untergliederungen können Gebäudeteile schaffen und bringen damit einen städtebaulichen Rhythmus in die Ludwigstraße, der sich an der traditionellen Bamberger Stadtstruktur orientiert und nicht eine Endlos-Beton-Mauer darstellt.

In den unterschiedlichen Gebäudeteilen siedeln sich genauso unterschiedliche Nutzungsformen an, die in Bahnhofsnähe Sinn machen. Da bietet sich an: Ein Weltcafé in der obersten Etage neben dem Kino (das weiter besteht) mit Blick auf die Bergstadt und Erklärungsfernrohren zum Welterbe. Daneben ein internationales „youth-guest-house“ in bequemer Bahnhofsnähe für Reisende. Dazu Angebote für einfaches Kurzzeit-Wohnen, etwa Auszubildende, Studierende, Montage-Arbeiter usw.

In den Etagen in der Mitte des Gebäudebauches entstehen Zukunftslabore für Forschung und Entwicklung, Co-Spaces für Jungunternehmer*innen, die Start-up-Unternehmen und Selbständigen flexible und geteilte Arbeitsräume gemeinschaftlicher Nutzung bieten, und jede Menge Raumangebote in verschiedenen Größen für die Kulturwirtschaft.

So könnte das hässliche Atrium von der grauen Betonmauer zum bunten Kreativwurm werden. Die Untätigkeit von Investoren darf die Stadt auf Dauer nicht dulden. Für Leerstand und Grundstücksspekulation sind das Atrium und der bahnhofsnahe Ort zu schade. Im Zweifel sollte die Stadt Bamberg so selbstbewusst und mutig sein, das Objekt selber zu entwickeln.

Ursula Sowa