Unsoziale Schwarmstadt?

Über Jahre wollte die Politik nicht hinsehen und blieb untätig, jetzt hat sie es schwarz auf weiß bekommen: Bamberg muss rund 400 Sozialwohnungen bauen, will die Stadt ihre einkommensschwachen Bürger*innen ordentlich unterbringen.

 


Foto: Andreas Eichenseher

 

Seit Jahren lässt sich beobachten, was die Politik erst so langsam in den Blick fasst: Der Bestand an Sozialwohnungen schmilzt wie ein Eisberg in der Sonne. Gegenmaßnahmen wurden bislang von der Politik nicht getroffen, der Bau an neuen Wohnungen mit Sozialbindung geht gegen Null. Gebaut wurden – gegen das Votum der GAL – vor allem neue Wohnungen im Hochpreissegment.

Doch es fehlt nicht nur an Sozialwohnungen, die ausschließlich von Mieter*innen mit Wohnberechtigungsschein (also vom Amt bestätigtem geringem Einkommen) bezogen werden dürfen, sondern überhaupt an günstigem Wohnraum. Und das, während Bamberg auch noch rasant wächst und im Rufe einer „Schwarmstadt“ steht, also einer Stadt, die besonders junge Leute im Alter von 25 bis 35 anzieht.

Schatten-Wohnungsmarkt

Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten zu Bedarf und Verfügbarkeit von Sozialwohnungen in Bamberg, verfasst von Dr. Klaus-Peter Möller (Büro für Systemanalysen) im November 2017, bescheinigt der Stadt einen akuten Mangel von 422 Wohnungen im Bereich von unter 6 Euro Miete pro Quadratmeter. Und Möller sieht die Stadt in der Pflicht, in den nächsten Jahren 350 bis 450 Sozialwohnungen neu zu bauen.

80% der Wohnungen in diesem Preissegment gehören Wohnungsunternehmen wie der städtischen Stadtbau GmbH oder der Joseph-Stiftung. Private Investoren haben sich aus diesem Mietmarkt schon massiv zurückgezogen und tun dies durch Modernisierungen und die damit verbundenen Mieterhöhungen noch weiter. Möllers Nachforschungen haben auch ergeben, dass Wohnungen im unteren Preissegment auf dem freien Markt überhaupt nicht zu haben sind, sondern Mieterwechsel nur „im Verborgenen stattfinden“. Per Internet oder Zeitung findet man Mietwohnungen erst ab 7, eher 8 Euro pro Quadratmeter.

Sozialwohnungen bauleitplanerisch sichern

Die Politik muss eingreifen – Wohnen ist ein Grundbedürfnis, das nicht allein dem freien Markt überlassen werden darf. Dazu hat die GAL in den vergangenen Jahren zahlreiche Vorschläge gemacht.

Die Stadt Bamberg muss den Anteil an Sozialwohnungen bauleitplanerisch sichern. Die vom Stadtrat beschlossene Sozialquote ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, greift aber viel zu kurz: Sie sichert lediglich bei Neubauprojekten von über 1000 Quadratmetern einen 20%igen Anteil an Wohnungen mit einer Mietobergrenze. Wer also zwei mehrgeschossige Häuser mit je acht 60-qm-Wohnungen baut, fällt schon einmal nicht unter diese Vorgabe. Doch die Sozialquote schreibt noch nicht einmal richtige Sozialwohnungen vor, also solche, die von Menschen bezogen werden können, die z.B. von Hartz IV leben. Die von der Sozialquote gesetzte Miet-obergrenze liegt darüber. Und unwilligen Investoren werden ohnehin zu viele Schlupflöcher gelassen, wie sie sich vor der Sozialquote drücken können.

Die Stadt muss generell ihre Planungshoheit stärker für den Sozialwohnungsbau einsetzen: Werden keine Sozialwohnungen mit geplant, gibt es kein Baurecht, basta! Über städtebauliche Verträge lässt sich das absichern.

412 Baulücken im Stadtgebiet

Fünf große Gelände bieten sich für sozialen Wohnungsbau an: Ulanenpark, Eberth-Gelände und ehemaliges Maisel-Gelände in der Wunderburg, Lagarde-Kaserne und Warner Barracks als Konversionsflächen. Aber auch die 412 im Stadtgebiet verstreuten Baulücken sollten unter die Lupe genommen werden.

Die Politik muss gezielt Eigeninitiative aus den Reihen der Bürgerschaft fördern: Gemeinschaftliche solidarische Wohnformen, Genossenschaften, Baugruppen – sie brauchen für ihren im Vergleich zu Immobilienfirmen höheren Selbst-organisationsaufwand zeitliche, räumliche und finanzielle Schutzzonen und fachliche Unterstützung durch die Stadt. Eine Wohnungstauschbörse z.B. innerhalb der Stadtbau GmbH kann dafür sorgen, dass Wohnungen bedarfsgerechter verteilt werden. Und auch den ländlichen Raum muss eine Schwarmstadt wie Bamberg mitdenken: Ein gut vernetzter regionaler ÖPNV entschärft den hohen Mietdruck im Stadtgebiet und schafft Entlastung.

Ursula Sowa / Sylvia Schaible

   

Entwicklung der Wohnungen mit Sozialbindung

 

Jahr    Wohnungen
2006    2748
2016    2029
2024    1600

 

Sozialwohnungen sind aufgrund der staatlichen Zuschüsse beim Bau für eine gewisse Zeit (in der Regel 20 Jahre) an eine Miethöchstgrenze gebunden. Nach Ablauf dieser Zeit fallen sie aus der Sozialbindung, es kann eine höhere Miete verlangt werden. Die Prognose für 2024 beruht auf diesem planmäßigen Wegfall der Sozialbindung.